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Schuldenfrei nach drei Jahren - falsches Signal

07.07.2014

Ring frei für die 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform

Am 1. Juli hat nicht nur die 2. Hälfte des Jahres begonnen, sondern an diesem Tag tritt auch die 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform in Kraft. Und an ihr scheiden sich nun so manche Geister, besonders was die Fristen für die Restschuldbefreiung angeht.

Die 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform – die 1. Stufe trat im März 2012 in Kraft – beinhaltet u.a., dass einem Schuldner eine vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt werden kann, wenn im Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren eine Mindestbefriedigungsquote erreicht wird. Kurz und knapp ausgedrückt bedeutet das: Für eine Erteilung der Restschuldbefreiung schon nach drei Jahren – statt regulär sechs – muss der Schuldner innerhalb dieser drei Jahre die Verfahrenskosten bezahlen sowie mindestens 35 % der Insolvenzforderungen, also (vereinfacht) seiner Schulden. Klappt das, ist er grundsätzlich alle Schulden los (Ausgenommene Forderungen § 302 InsO).
Können wohl die Verfahrenskosten, aber nicht besagte Mindestquote von 35 % erbracht werden, ist eine Restschuldbefreiung nach fünf Jahren möglich. Sofort erteilt werden kann eine Restschuldenbefreiung in Zukunft, wenn entweder kein Gläubiger Forderungen anmeldet oder alle angemeldeten Forderungen befriedigt wurden. Allerdings gilt auch hier, dass die Verfahrenskosten und sonstige Masseverbindlichkeiten bezahlt sein müssen.

Rückblick: Am 1. Januar 1999 wurde mit der Insolvenzordnung vom Gesetzgeber auch die Restschuldbefreiung eingeführt. Bis zu diesem Datum gab es für verschuldete Menschen keine Möglichkeit, sich außer durch Rückzahlung ihrer Schulden von denselben zu befreien, und das war für viele Hochverschuldete gleichbedeutend mit lebenslangem Schuldenabtrag. Seit Januar 1999 konnten redliche Schuldner jedoch nach einem Insolvenzverfahren und einer gewissen weiteren Zeit, in der ein Großteil ihrer eventuellen Einkünfte (über einen Treuhänder) an die Gläubiger floss (so genannte Wohlverhaltensperiode), von den übrigen Verbindlichkeiten befreit werden. Mit Blick auf die lange Dauer von Insolvenzverfahren hat der Gesetzgeber später die Frist bis zur Restschuldbefreiung schon mit der Insolvenzeröffnung beginnen lassen – so dass mitunter bereits im noch laufenden Insolvenzverfahren Restschuldbefreiung erteilt wird.

Die Dauer dieser Frist und der dem Schuldner zugunsten seiner Gläubiger abzuverlangenden Periode des Wohlverhaltens wurde über die Jahre mehr und mehr diskutiert. Besonders gescheiterten Selbständigen sollte die Chance gegeben werden, sich möglichst bald wieder wirtschaftlich einzubringen. Da auch die Verschuldung der Privathaushalte in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat (nicht selten liegen die Gründe für eine Verschuldung dort bei Faktoren wie Krankheit, Scheidung oder Arbeitslosigkeit, Faktoren also, für die die Schuldner nicht unbedingt verantwortlich sind), sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit, allen Betroffenen neue Möglichkeiten für eine raschere Entschuldung einzuräumen.

„Schon in den letzten beiden Jahren gab es jeweils mehr als 100.000 Verbraucherinsolvenzverfahren. Mit Inkrafttreten der 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform werden wir uns darauf einstellen müssen, dass bei Verbraucherinsolvenzen ein enormer Zuwachs zu verzeichnen sein wird“, so der Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH, Bernd Drumann. „Viele haben ihre Insolvenzanträge bis jetzt zurückgehalten, weil sie wissen, sie müssen nun nicht mehr sechs Jahre, sondern lediglich drei Jahre warten, bis sie ihre Schulden los sind. Es ist dringend erforderlich, keine Signale zu setzen, die den Eindruck erwecken, man könne künftig alles auf drei Jahre ‚abbezahlen’, und das nur für 35 % des Preises“, Drumann weiter. „Der Fokus liegt m. E. viel zu sehr auf den Schuldnern. Und eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode ist aus meiner Sicht in jedem Fall ein falsches Signal. Sie führt dazu, dass die Gläubiger, die in der bisherigen Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren zumindest noch einen erheblichen Teil ihrer Forderungen aus unbezahlt gebliebenen Rechnung bekamen, jetzt auch davon nur noch die Hälfte erhalten. Ein verkürztes Restschuldbefreiungsverfahren kann ich mir allenfalls für Verbindlichkeiten aus einer gescheiterten Selbständigkeit vorstellen, aber nicht für private Schulden“, so Drumann entschieden.

„Für diejenigen, die private Schulden wie z. B. aus Käufen bei Versandhäusern haben, müsste meine Erachtens sogar eine Verlängerung der Periode auf zehn Jahre erfolgen – am besten kombiniert mit der verpflichtenden Teilnahme an einem Kurs zum privaten Finanzmanagement nach US-amerikanischem Vorbild“, so Drumanns Forderung. „Die jetzt in Kraft getretene Regelung ist für mich ein Schlag ins Gesicht all jener, die ihre Einkäufe bisher ihrem Geldbeutel angepasst haben und die gelernt haben, auf Dinge, die sie sich nicht leisten konnten, zu verzichten und die ihre Rechnungen immer bezahlt haben“.

„Die neue Gesetzeslage kommt für mich fast einer Einladung zum Schuldenmachen gleich, einer großen Versuchung, im Luxus auf Pump zu leben, wenn doch eh die Möglichkeit besteht, nach drei Jahren alle Schulden wieder los zu sein. In vielen Haushalten fehlt heute schon die Aufklärung über finanzielle Zusammenhänge mit der Folge, dass immer mehr Jugendliche oft schon beträchtliche Schuldenberge angehäuft haben.

Der Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen e. V. (BDIU) plädiert schon lange für eine Stärkung der Schuldenprävention, damit es erst gar nicht zu Verbraucherinsolvenzen kommt. Die Finanzkompetenz der Verbraucher muss verbessert werden! Angesichts der steigenden Zahl von verschuldeten Jugendlichen sprechen sich der Bundesverband und seine Mitglieder daher für die Einführung eines ‚Schulfachs Finanzkompetenz’ aus. – Das ist nach meiner Auffassung der richtige Ansatz und nicht ein Schuldenpaket mit Dreijahreshaltbarkeitsschleife!

  Quelle: www.bremer-inkasso.de


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