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Schweden ist ein Markt für Industrie 4.0

19.02.2016

Fraunhofer-Studie:

Deutschland und Schweden haben unterschiedliche Stärken und Schwächen, was die Umstellung auf Industrie 4.0 angeht. Dies zeigt eine internationale Bench-marking-Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie, deren Ergebnisse im Rahmen eines Seminars der Deutsch-Schwedischen Handelskammer vorab und exklusiv vorgestellt wurden.

Im Auftrag der Bundesregierung hat das Aachener Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) einen internationalen Benchmark zur Digitalisierung der Industrie durchgeführt. Auch bekannt unter der Marke Industrie 4.0 schreitet die vierte industrielle Revolution weltweit voran. Im Rahmen eines gutbesuchten Frühstückseminars stellte das IPT die Highlights der Studie und die Herausforderungen für Deutschland und Schweden exklusiv vor, gefolgt von einer Podiumsdiskussion mit Vertretern von Siemens, Bosch Rexroth, SAP und dem IPT.

Standardisierung und Datensicherheit fordern heraus
„Industrie 4.0 steht für die deutsche Idee der industriellen Veränderung und Digitalisierung. Wir sprechen hierbei nicht über eine volle Automatisierung der Produktion, sondern über die Integration und die Zusammenarbeit des Menschen mit der Technik. Das zentrale Ziel ist eine autonome Kommunikation der Maschinen miteinander und mit den sich anschließenden Produktionsprozessen“, leitete Patrick Kabasci, Referent des Fraunhofer IPT, die Vorstellung der Studie ein. Für den Benchmark führten über 50 Experten aus Industrie, Politik, Gesellschaft und dem Bildungsbereich weltweit über 150 Interviews durch und sichteten mehr als 700 Literaturquellen. Zwölf Länder standen dabei im Fokus und wurden auf ihre Stärken und Schwächen im Rahmen der Digitalisierung überprüft. Es ergaben sich einheitliche globale Herausforderungen: die Sicherstellung von Standardisierung und Datensicherheit steht bei fast allen ganz oben auf der Liste.

„Was im privaten Leben schon Realität ist, also die Benutzung eines Smartphones, das Herunterladen einer für alle zugänglichen App für die Lösung eines spezifischen Problems – so weit sind wir in der Produktion leider noch nicht. Wenn dieselbe Technologie für die maschinelle Produktion genutzt werden würde, könnte sich die Scheu vor der Digitalisierung im Produktionsbereich legen“, meinte Karl Lindblom, Geschäftsführer Bosch Rexroth Nordic, bei der Podiumsdiskussion.

Studie zeigt Stärken und Schwächen auf
„Vor einigen Jahren noch lag Deutschland weit zurück in den Fragen rund um Industrie 4.0. Doch mit dem Wissen um die Bedeutung erarbeitete die Bundesregierung ein Rahmenwerk zur gemeinsamen Umsetzung in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Partnern. Und Kommunikation ist der Schlüssel. Gemeinsame Standards zu entwickeln hilft insbesondere klein- und mittelständischen Unternehmen, den Schritt in Richtung Industrie 4.0 zu wagen“, sagte Dr. Jannik Henser, Leiter des neuen Fraunhofer-Forschungszentrums an der Stockholmer Universität KTH, welches im März eröffnet wird.

Die Benchmarking-Studie des IPT hebt als Highlights für Deutschland die befindliche technologische Basis hervor. Jannik Henser stellte klar, dass die Bedeutung von Digitalisierung im Produktionsprozess und deren unaufhaltsames Voranschreiten bereits tief ins Bewusstsein der Deutschen eingedrungen sind. Die guten Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts sowie das duale Ausbildungssystem sichern und stärken der Studie zufolge zudem die Versorgung mit Fachkräften.

Als Herausforderungen für Deutschland schlagen die Datensicherheit sowie eine fehlende Innovationsfreude im digitalen Bereich zu Buche. Der immer stärkere globale Wettbewerb, die Individualisierung von Kundenbedürfnissen, die schnelle Veränderung von Technik und die sich daraus ergebenden neuen Geschäftsmodelle sind laut Studienergebnissen jedoch hervorragende Treiber, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

Schweden ist bereit für Industrie 4.0
„Schweden ist der ideale Testmarkt für Innovationen in Europa“, sagte Patrick Kabasci bei der Vorstellung der Erkenntnisse für das Land im hohen Norden. In der Studie werden die Stärken insbesondere in den weit verbreiteten flachen Unternehmenshierarchien, der flexiblen Arbeitskultur und der technikaffinen Bevölkerung gesehen. Zudem sei die eher ergebnis- als prozessorientierte Arbeitsweise eine gute Grundlage für Industrie 4.0.

„Schweden ist absolut bereit für Industrie 4.0, aber hat etwas an Boden verloren, wenn es um die Zusammenarbeit von Unternehmen und Institutionen geht. Das Interesse an Technologie in Kombination mit Produktion ist in Schweden vielleicht nicht ganz so stark ausgeprägt, wie es in Deutschland der Fall ist“, sagte Dr. Thomas Stetter, Head of the Industry Sector der Siemens AB. Gerade das vereinte Wirken von Wirtschaft und Universitäten sieht auch die Studie des IPT als eine der größten Schwächen Schwedens. „Es wäre wichtig, einen gemeinsamen Rahmen zu entwickeln. Die schwedische Regierung könnte die Wichtigkeit der Digitalisierung mehr hervorheben und öffentlich vermarkten“, sagte Stefan Frank, Industrie 4.0-Experte bei SAP.

Zusammenarbeit stärken
Diesen Punkt griff Christina Nordin, Ministerialdirigentin und Abteilungsleiterin Wirtschaftliche Rahmenbedingungen im schwedischen Wirtschaftsministerium, auf, als sie Studie und Podiumsdiskussion abschließend kommentierte. Sie lobte das gute Timing des Seminars, da die schwedische Regierung vor etwa zwei Wochen eine eigene Neu-Industrialisierungsstrategie vorgestellt hat. „Eine der größten Herausforderungen sehen wir darin, digitale Kenntnisse auf breiter Front zu vermitteln, nicht zuletzt bei Kleinstunternehmen. Es geht darum Fertigkeiten zu entwickeln und somit die Fachkräftebasis zu sichern“, sagte Christina Nordin. Weiterhin sieht sie ihre Forderung nach einer einheitlichen Infrastruktur für die Digitalisierung, mit gemeinsamen Regeln und einem Rahmenwerk, in der Studie bestätigt. Schwedens Stärken spielen Industrie 4.0 in die Hände. „Die deutsche Strategie ist für uns eine allgegenwärtige Inspiration. Uns ist klar, dass wir unsere Behörden, Branchenorganisationen, Unternehmen und regionale Akteure involvieren müssen. Industrie 4.0 wird viele neue Geschäftsmodelle mit sich führen, denen wir schnell begegnen müssen.“

Die schwedische Regierung kann nun mithilfe der vorgestellten Strategie die Begriffe Digitalisierung und Industrie 4.0 breiter vermarkten, aber dies kann lediglich zu Aha-Erlebnissen führen. Der Schritt hin zur Umstellung und Entwicklung einer digitalen Produktion und Gesellschaft kann nur von den Unternehmen und Forschern selbst getan werden, schloss Christina Nordin ihren Kommentar ab.

  Quelle: www.handelskammer.se


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