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Sicherheitseinbehalt und Mängel

08.06.2017

von RA Michael Seitz

Die von einem Auftraggeber gestellte Klausel in einem Formularvertrag, nach der ein Sicherheitseinbehalt durch Bürgschaft frühestens abgelöst werden kann, wenn alle im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel beseitigt sind, benachteiligt der Auftragnehmer unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 30.03.2017 (Az.: VII ZR 170/16) entschieden.

Der Fall: AG schließt mit AN einen Bauvertrag. Dieser enthält folgende Klausel, die von AG einseitig gestellt wird:

1. Die Parteien vereinbaren – unabhängig von einer Ausführungsbürgschaft – den Einbehalt einer unverzinslichen Sicherheitsleistung durch den Auftraggeber in Höhe von 5 Prozent der Bruttoabrechnungssumme für die Sicherung der Gewährleistung einschließlich Schadensersatz und die Erstattung von Überzahlungen.

2. Der Auftragnehmer ist berechtigt, den Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Versicherung abzulösen; frühestens jedoch nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel oder fehlender Leistungen.

AN hält die Klausel für unwirksam.

Das Urteil: So auch der BGH! Mit § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Bei der Bewertung einer Klausel sind insoweit nicht nur die Höhe und die Dauer des Einbehalts, sondern auch der Regelungszusammenhang zu berücksichtigen.

Der Sicherungseinbehalt ist mit der Ablösung untrennbar verknüpft. Demnach ist ein Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 Prozent der Bausumme für die Dauer der fünfjährigen Verjährungsfrist, der durch eine Bürgschaft abgelöst werden kann, grundsätzlich nicht unwirksam. Nach Auffassung des BGH überwiegt insoweit das Sicherungsinteresse des AG die im Liquiditätsverlust und der Einschränkung der Kreditlinie liegenden Nachteile für den AN. Eine Klausel jedoch, die zusätzlich die Ablösung des Sicherheitseinbehalts auch davon abhängig macht, dass wesentliche Mängel nicht mehr vorhanden sind, ist so weitreichend, dass ein angemessener Ausgleich zwischen dem Sicherungsinteresse des AG und den daraus resultierenden Nachteilen des AN nicht mehr gegeben ist. Es liege auf der Hand, dass gerade die Frage, ob alle wesentlichen Mängel – insbesondere solche, die im Abnahmeprotokoll festgehalten wurden – beseitigt sind, zu langwierigen Streitigkeiten führen kann.

Ein solcher Streit führt dann aber für lange Zeit – möglicherweise sogar für die gesamte Dauer der Verjährungsfrist oder sogar länger – zu einem Ausschluss der Ablösungsmöglichkeit für AN. Damit werden AN dauerhaft 5 Prozent Liquidität entzogen, ohne dass er diesen Nachteil (durch Gestellung einer Bürgschaft) kompensieren kann. BGH verweist die Sache an das OLG zurück, dass nun prüfen muss, ob tatsächlich AGB des AG vorliegen.

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Fazit: Wieder einmal muss sich der BGH mit dem „Sicherungsunwesen“ im Bauvertrag auseinandersetzen. Die hier vom AG verwendete Klausel dürfte nicht selten sein. Sie entspricht dem Interesse des AG, dass wesentliche und festgestellte Mängel beseitigt werden. Sind solche Mängel vorhanden, kann AG aber bereits den doppelten Betrag der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten von der Schlussrechnungssumme einbehalten. Daher besteht keinerlei Bedürfnis, dieses Interesse auch noch dadurch zu sichern, dass AG weitere 5 Prozent der Schlussrechnungssumme einbehalten kann, ohne diese durch Bürgschaft ablösen zu müssen, bis alle Mängel beseitigt sind.

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