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Sind Bietergemeinschaften grundsätzlich unzulässig?

20.05.2014

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 17.02.2014 – Verg 2/14 – u. a. Folgendes entschieden:

• Unternehmen, die eine Bietergemeinschaft eingehen, treffen eine Vereinbarung, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken können, und die deswegen verboten sind.

• Die Bildung einer Bietergemeinschaft zwischen branchenangehörigen Unternehmen ist nur zulässig, wenn die beteiligten Unternehmen ein jedes für sich zu einer Teilnahme an der Ausschreibung mit einem eigenen Angebot aufgrund ihrer betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse nicht leistungsfähig sind, und erst der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft sie in die Lage versetzt, sich daran zu beteiligen.

Eine allgemeine Ortskrankenkasse schrieb als Auftraggeber (AG) Rabattvereinbarungen über Arzneimittelwirkstoffe europaweit in Gebiets- und Fachlosen aus. Bieter A machte mit Nachprüfungsantrag geltend, dass der AG den Eindruck hervorgerufen habe, Angebote von Bietergemeinschaften, die trotz bieterindividuell gegebener Leistungsfähigkeit zum Zweck einer Sortimentserweiterung eingegangen worden seien, wegen wettbewerbsbeschränkender Absprache per se aus der Wertung zu nehmen, trotz mehrfacher Bieterfragen habe der AG zu spät, nämlich erst zwei Wochen vor Ablauf der Angebotsfrist erklärt, dass ein genereller Ausschluss von Bietergemeinschaften nicht beabsichtigt sei. Damit habe er nicht mehr die Möglichkeit gehabt, mit anderen Unternehmen über eine Bietergemeinschaft zu verhandeln und ein gemeinsames Angebot vorzubereiten. Die Vergabekammer hatte den Nachprüfungsantrag abgewiesen. Der A legte sofortige Beschwerde zum OLG ein.

Nach Ansicht des OLG ohne Erfolg. Hier habe sich der AG vergaberechtskonform verhalten. Zwar sei der AG nicht befugt, in einem Vergabeverfahren allgemeine Regeln darüber aufzustellen, ob und unter welchen Voraussetzungen Bietergemeinschaften verabredet werden dürften. Unternehmen, die eine Bietergemeinschaft eingingen, träfen eine Vereinbarung, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecke oder bewirken könne, und die deswegen verboten sei. Dabei bilde den Tatbestand einer möglichen Wettbewerbseinschränkung, dass sich die an einer Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmer verpflichten würden, von eigenen Angeboten abzusehen und mit anderen Unternehmen nicht zusammenzuarbeiten, dies könne gegen die gesetzlichen Kartellverbote des § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen. In vorliegendem Fall habe der AG unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung die Fallgruppen von Bietergemeinschaften in einem Formblatt wiedergegeben und auf deren verschiedene kartellrechtliche Beurteilungen hingewiesen.

Die Bieter hätten danach anhand der Bietergemeinschaftserklärung und der darin genannten Varianten ein klares Bild über die Behandlung von Bietergemeinschaften gewinnen können, wonach es vor allem darauf ankomme, ob die an einer Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen unterschiedlichen Branchen angehörten oder ein und derselben Branche. Während Bietergemeinschaften zwischen Unternehmen unterschiedlichen Branchen kartellrechtlich eher unbedenklich seien, weil die Unternehmen zueinander regelmäßig in keinem aktuellen oder potentiellen Wettbewerbsverhältnis stünden, sei die Zulassung von Bietergemeinschaft unter branchenangehörigen Unternehmen problematischer. Zwischen diesen Unternehmen bestehe oftmals ein aktueller, mindestens aber ein potentieller Wettbewerb, der durch die Abrede einer Bietergemeinschaft in der Regel eingeschränkt werde. Gleichwohl erachte die Rechtsprechung Bietergemeinschaft zwischen branchenangehörigen Unternehmen für wettbewerbsunschädlich, sofern die beteiligten Unternehmen ein jedes für sich zu einer Teilnahme an der Ausschreibung mit einem eigenen (und selbstverständlich auch aussichtsreichen) Angebot aufgrund ihrer betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse (z. B. mit Blick auf Kapazitäten, technische Einrichtungen und/oder fachliche Kenntnisse) nicht leistungsfähig seien, und erst der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft sie in die Lage versetze, sich daran (mit Erfolgsaussicht) zu beteiligen, wobei die Zusammenarbeit als eine im Rahmen wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Handels liegende Unternehmensentscheidung zu erscheinen habe. Hier sei der AG von dieser Linie nicht abgewichen, so dass sich die Frage irreführender und verspätet korrigierter Angaben des AG nicht stelle.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Während eine Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss v. 24.10.2013 – Verg 11/13) die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Bietergemeinschaften in einer völlig überzogenen Weise festlegt und das Eingehen einer Bietergemeinschaft grundsätzlich mit einem Verstoß gegen das Kartellverbots gemäß § 1 GWB gleichsetzt, hebt sich die Entscheidung des OLG Düsseldorf davon angenehm ab. Grundsätzlich werden Bietergemeinschaften nach den Vergabeordnungen Einzelbietern gleichgestellt (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A, § 6 Abs. S. 1 VOL/A). Unzulässig sind sie nur dann, wenn sich die an einer Bietergemeinschaft beteiligten Unternehmen verpflichten, von eigenen Angeboten abzusehen und mit anderen Unternehmen nicht zusammenzuarbeiten. Ebenfalls unzulässig ist eine Bietergemeinschaft auch dann, wenn sie – nach der o. g. Entscheidung – 99 % einer nachgefragten Sortimentsbreite abdeckt. Dann darf der Auftraggeber sie ausnahmsweise wegen eines offensichtlichen wettbewerbswidrigen Gründungsmotivs wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot ausschließen.

  Quelle: RA Michael Werner


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