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Stadtentwicklung inmitten von Klimawandel und Pandemie

17.05.2022

Eine Podiumsdiskussion in Hamburg beleuchtet die Herausforderungen und Möglichkeiten für den Bau


„Wie verändern Klimawandel und Pandemie die Stadtentwicklung in Hamburg?“ Diese Frage erörterten die fünf Diskutanten einer von dem Bündnis Bau- und Ausbauwirtschaft (HBAW) organisierten Podiumsdiskussion am 10. Mai 2022 in Hamburg. Immerhin steht Baubranche vor großen Herausforderungen, die durch den Ukraine-Krieg zusätzlich verstärkt werden.


Thematik und Experten


Neben Hamburgs Erstem Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher, der das Event mit einer Impulsrede einleitete, gehörten Monika Thomas, Staatsrätin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, Prof. Dr. Jörg Knieling von HafenCity Universität/ BUND Hamburg, Alexandra Czerner, Architektin und Stadtplanerin bei czerner götsch architekten und Dr. Tilmann Quensell, Repräsentant der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft, zu den Podiumsteilnehmern. Diskutiert wurde unter anderem, wie man den Auswirkungen der epochalen Ereignisse des Klimawandels und der Corona-Pandemie am effektivsten begegnen kann. Unter der Moderation von Mathias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, wurde über neue Impulse und Maßnahmen der Stadt, der Bauexperten, Architekten und der Bauwirtschaft kontrovers debattiert.


Rund 150 geladene Gäste nahmen an dem Event im Ausbildungszentrum Bau in Hamburg-Steilshoop teil. Im Anschluss an die Podiumsdiskussion hatten die Gäste die Möglichkeit, den Experten Fragen zu stellen.


Über die Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft


Das Bündnis HBAW vereint acht Hamburger Verbände aus der Bau- und Ausbauwirtschaft und hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung dieser wichtigen Branche für Wirtschaft und Gesellschaft in Hamburg bekannter zu machen. Die Mitglieder dieser Verbände repräsentieren circa 1.500 Unternehmen mit rund 30.000 Mitarbeitern.


Die Rede des Bürgermeisters


Dr. Peter Tschentscher gab in seiner Keynote-Speech einen kurzen Ausblick auf die Zukunft der Stadtentwicklung. Er betonte dabei, dass der Klimaschutz im Bau an erster Stelle stehen müsse – auch wenn dies Einbußen im Preis zur Folge hätte. Dr. Tschentscher appellierte ebenso an den Bau und die Stadt Hamburg, ihre Ressourcen und finanziellen Möglichkeiten bestmöglich für Klimaschutz, aber auch für die Stadtentwicklung zu nutzen.
Die Corona-Pandemie habe das Stadtleben in Hamburg dauerhaft durch das Homeoffice verändert. Viele Beschäftigte würden nun nicht mehr jeden Tag ins Büro fahren, weswegen sich der Rushhour-Effekt in der City verringern dürfte, so der Bürgermeister. Gleichzeitig würden Menschen mehr Zeit in den Stadtteilen verbringen und sich dort mehr Leben wünschen – etwa in Form von Sozialeinrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten. Als Schlussfolgerung zog Dr. Tschentscher, dass man keineswegs den Wohnungsbau einstellen dürfe, neue Büros in Hamburg aber wohl weniger benötigt würden.


Die Stimmen der Diskutanten


Monika Thomas erklärt: „Der Klimawandel bestimmt bereits in erheblichem Maße die Stadtentwicklung in Hamburg. Um die Klimaschutzziele zu erfüllen, werden wir in den nächsten Jahren die Energieeffizienz des Wohnungsbestands durch weitere Modernisierungen deutlich erhöhen und eine klimafreundliche, nachhaltige Energieversorgung implementieren. Für Neubauvorhaben im sozialen Wohnungsbau prüfen wir nach dem Wegfall der Bundesförderung derzeit ein Förderangebot für energetisch anspruchsvolle Standards. Unsere Stadtentwicklungspolitik – insbesondere die sozial ausgewogene und klima freundliche Entwicklung der großen Stadtentwicklungsgebiete – berücksichtigt aber nicht nur den Klimaschutz, sondern auch die Anpassung an den Klimawandel mi dem Ziel einer Klima-Resilienz. Es bleibt unser vorrangiges Ziel im Bündnis für das Wohnen in Hamburg, gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft und den Kammern bezahlbares Wohnen in Hamburg durch Neubau, Förderangebote, Flächenbereitstellung und Bestandssicherung zu erhalten und zu schaffen. Darum ist es wichtig, dass wir die notwendigen Prozesse der Transformation mit einem Höchstmaß an Effizienz umsetzen. Energie muss nicht nur eingespart werden, sondern von vornherein CO2-neutral und mit den wirtschaftlichsten Technologien produziert werden.“


„Wir unterstützen die klimapolitischen Ziele des Hamburger Senats. Allerdings darf beim Ringen um den Klimaschutz das bezahlbare Wohnen nicht außer Acht gelassen werden. Das Wohnen in Hamburg muss weiterhin auch für Menschen bezahlbar bleiben, die nur über ein mittleres oder geringes Einkommen verfügen. Voraussetzung dafür, dass Klimaschutz und bezahlbares Wohnen gemeinsam funktionieren, sind Pragmatismus und Technologieoffenheit. Hier eignet sich vor allem der von der SAGA entwickelte Quartiersansatz. Dabei wird eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes durch unterschiedliche technische Lösungen auf Quartiersebene umgesetzt. Das ist nachhaltig und gefährdet nicht die niedrigen Mieten.“, bekräftigt auch Andreas Breitner.


Prof. Dr. Jörg Knieling zieht Schlüsse aus den Pandemiejahren: "Die Pandemie unterstreicht, wie wichtig Hamburgs Grün für die Lebensqualität der Bevölkerung ist: Wir benötigen deshalb konsequente Anstrengungen, wie Netto-Null-Flächenverbrauch zur Maxime der Stadtentwicklung werden kann: Grünflächen konsequent schützen, Verkehrsflächen entsiegeln, Wohnungsbau auf Gewerbe- und Verkehrsbrachen, den Hamburger Hafen für Wohnen neu denken, Bürogebäude und Bundeswehrimmobilien für Wohnen umnutzen, die Wohnfläche pro Person senken und so Nachhaltigkeit bewusst leben."


„Die wachsenden Städte brauchen dringend mehr Grünflächen.“, stimmt Alexandra Czerner zu. „Nur die Sicherung vorhandener Grünflächen in Städten reicht nicht aus um bedrohliche Luftkennwerte und Überhitzungen sowie die Grundwasser- Problematik ganzheitlich in bestehenden Stadtgebieten zu lösen. Dies betrifft alle Städte und alle Länder. Neue Grünflächen und Parks einfach „dazwischenzaubern“ geht nicht. Möglich ist es jedoch die vertikalen Flächen der Fassaden zu nutzen. Die große, ungenutzte Flächenressource der Städte sind die geschlossenen Fassadenflächen, die durch bodengebundene Begrünung, welche am wertvollsten für die Grünsicherung, wartungsarm und kostengünstig ist, in den unteren Etagen und durch Pflanzkästen und Pflanzsysteme in höheren Lagen ökologisch aktiviert werden. Damit würde die Luft gereinigt, Sauerstoff produziert und im Sommer die überhitzten Fassaden verschattet und gekühlt werden. Fassadenbegrünungen sind ganzheitlich bauphysikalisch und klimawirksam als Bestandteile von Städtebau und Architektur zu denken, um die bestehenden klimaschädlichen Stadtstrukturen zu „heilen“.


„Das Recycling von Baumaterialien spart natürliche Ressourcen und Transportwege und reduziert damit CO2. Hochwertiges Recycling kostet Geld, benötigt neue Technologien und genehmigte Anlagen. Die Investitionen müssen durch eine langfristige und berechenbare Politik abgesichert sein. Die Recyclingindustrie benötigt aufgrund der komplexen Anforderungen, die heute an Genehmigungen gestellt werden, einen mehrjährigen Vorlauf. Das bedeutet, bei der Vergabe von öffentlichen, aber auch privaten, Bauaufträgen muss sich die Vergabepraxis ändern. Es sollte nicht mehr nur der Preis sein, der in erster Linie darüber entscheidet, wie gebaut wird, sondern es müssen andere Kriterien zur Anwendung kommen.“, heißt es schließlich von Dr. Tillmann Quensell.


Spendenaktion der HBAW


Der Abend der Podiumsdiskussion wurde ebenfalls dafür genutzt, einen Scheck in Höhe von 22.000 Euro an die Ukrainehifle der BürgerStiftung Hamburg zu überreichen. Diese Summe war das Ergebnis einer spontanen Spendenaktion der HBAW, um die Versorgung von minderjährigen Ukrainischen Geflüchteten zu unterstützen. Gäste und Teilnehmer an der Podiumsdiskussion konnten die Spende der HBAW mit Beiträgen in Spendenboxen vor Ort noch erhöhen.
Das Geld wird an die Flüchtlingsambulanz Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) weitergeleitet, die dringend finanzielle Mittel für die psychosoziale Versorgung minderjähriger ukrainischer Schutzsuchender benötigt.


Michael Seitz, Sprecher der HBAW sagte: "Der Krieg in der Ukraine und die dadurch hervorgerufene Flüchtlingswelle erfordert schnelles Handeln und Unterstützung. Wir freuen uns, dass unsere HBAW-Partner sich alle solidarisch an der Aktion beteiligt haben. Das Schicksal der Ukrainischen Geflüchteten berührt uns alle sehr. Wir hoffen, dass unsere Spendenaktion weitere Nachahmer in der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft findet.“
Dr. Dagmar Entholt-Laudien, Vorsitzende der BürgerStiftung Hamburg, lobte die Spendenaktion der HBAW: „Es ist großartig, dass bei dieser spontanen Spendenaktion eine solch beachtliche Summe zusammengekommen ist. Die Flüchtlingsambulanz im UKE sorgt für die akute Versorgung von traumatisierten Kindern und Jugendlichen, die in ihrem Heimatland oder auf der Flucht Opfer des Kriegs und von Gewalt wurden. Sie brauchen dringend professionelle Hilfe.“

  Quelle: www.hbaw.hamburg und www.ndr.de


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