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Steuerliche Überlegungen vor dem Wegzug und dem Zuzug zwischen Deutschland und der Schweiz

02.10.2018

Teil 1

Der Umzug aus Deutschland in die Schweiz und umgekehrt ist aufgrund des noch bestehenden Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweizerischen Eidgenossenschaft relativ unproblematisch möglich. Steuerlich hat ein solcher Umzug aber Implikationen, die ohne genaue Planungen und Überlegungen schnell zum Alptraum werden können.

Während die Schweiz mit dem Wegzug ihrer Steuerpflichtigen, wenn es sich um natürliche Personen handelt, relativ gelassen umgeht und dem Umzug in das Ausland keine Steine in den Weg räumt, ist das in Deutschland nicht der Fall. Deutschland hat dem Wegzug von natürlichen Personen wie Unternehmern und vor allem Unternehmen aller Rechtsformen zahlreiche kleine und große steuerliche Hürden in den Weg gestellt, die man wenigstens grob kennen sollte und die nicht ohne steuerliche Beratung und nicht zu knapp übersprungen werden sollten. Hier werden nur die ertragsteuerlichen Hürden, nicht die erbschaftsteuerlichen Hürden behandelt.

1. Wegzug aus Deutschland
Werden Einzelwirtschaftsgüter oder ganze Betriebe in die Schweiz verlegt, werden die stillen Reserven in Deutschland im Wegzugszeitpunkt besteuert. Anders als bei einem Umzug in ein EU-/EWR-Land kommt es dabei bei einer Übertragung in die Schweiz im Regelfall zur Sofortbesteuerung der verlagerten stillen Reserven, was man auch als «Entstrickung» bezeichnet.

Wird der statutarische Sitz oder der Geschäftsleitungssitz einer Kapitalgesellschaft von Deutschland in die Schweiz verlegt, so sieht das Körperschaftsteuergesetz eine sofortige Besteuerung vor, so als wäre die Kapitalgesellschaft liquidiert worden. Auch eine steuerneutrale sog. Herausverschmelzung oder Ähnliches von einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine Schweizer Kapitalgesellschaft sind nicht steuerfrei zugelassen. Ausfluss dieser Entstrickungsregeln ist seit 2008 auch die deutsche Besteuerung einer Funktionsverlagerung. Werden betriebliche Funktionen (Vertrieb samt Kundenstamm, F&E, Patentabteilung etc.) einschliesslich dazugehöriger Chancen und Risiken, sonstiger Vorteile und zugehöriger Wirtschaftsgüter von einem Unternehmen auf ein anderes ausländisches Unternehmen derselben Unternehmensgruppe übertragen, so wird diese Übertragung als sog. Transferpaket in Deutschland besteuert.

Dazu werden – wenn immaterielle Wirtschaftsgüter voraussichtlich 25 Prozent oder mehr ausmachen – nach Unternehmensbewertungsgrundsätzen die Gewinnpotenziale des Transferpaktes diskontiert und der Barwert in Deutschland bei Wegzug besteuert. Das ist immer dann frappierend, wenn hohe Gewinnpotenziale von nicht bilanzierten und nicht realisierten immateriellen Wirtschaftsgütern wie Know-how, Kundenstamm, Aufträgen, selbstgeschaffenen Patenten und Markenrechten als Teil des Transferpakets in das Ausland verlagert werden. Dies deshalb, weil hier zumeist eine Besteuerung von bloßen Hoffnungswerten droht, die in Grenzen durch eine Preisanpassungsklausel zwischen den Beteiligten Rechtsträgern abgemildert werden kann. Nicht immer klar ist, wie der aufnehmende Staat die Funktionsverlagerung behandelt und ob eine Abschreibung des Transferpakts zugelassen wird, damit es nicht zur doppelten Besteuerung derselben Gewinnpotenziale in Deutschland und dem Ausland kommt. Bei einer Sitzverlegung oder Funktionsverlagerung in die Schweiz werden die nach ausländischem Handelsrecht massgebenden bestehenden Buchwerte übernommen. Allerdings besteht die Option der Offenlegung von stillen Reserven vor dem Zuzug, vorausgesetzt, dass dies nach ausländischem Handelsrecht ebenfalls zulässig ist. Wurden stille Reserven beim Wegzug aus Deutschland nachweislich besteuert, so ist die Geltendmachung dieser versteuerten stillen Reserven im gleichen Umfang möglich (Praxis der eidgenössischen Steuerverwaltung). Die zu übernehmenden Werte sollten vorab von der zuständigen Steuerverwaltung durch eine verbindliche Auskunft bestätigt werden.

Deutschland, als mehrfacher Exportweltmeister, ist inzwischen dazu übergegangen, seinen Wegzugshürden auch in andere EU-Länder zu exportieren, die weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit dazu verpflichtet wurden, ähnliche Regelungen einzuführen. Bereits zum 1. Januar 2019 ist die Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes – Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) von den Mitgliedsländern der EU mit zahlreichen steuerlichen «Missbrauchsverhinderungsnormen» verpflichtend einzuführen. Die ATAD verlangt in Art. 5 zwingend die Einführung einer Wegzugsbesteuerung für Kapitalgesellschaften nach deutschem Vorbild, welche aber erst als Ausnahmevorschrift bis zum 1. Januar 2020 umzusetzen sind. Das wird den Umzug in die Schweiz aus der gesamten EU – aber auch zwischen den EU-Mitgliedsstaaten – entscheidend hemmen. Die hochgelobten EU-Grundfreiheiten wie Personenfreizügigkeit, Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit werden hier aus Steuergründen kurzerhand eingeschränkt. Die ATAD wird Kapitalgesellschaften aller Branchen, vermutlich aber auch die Finanzverwaltungen aller beteiligten Länder und die Gerichte einschliesslich den Europäischen Gerichtshof für die nächsten Jahre noch beschäftigen.

Auch der Wegzug von natürlichen Personen von Deutschland in die aus deutscher Sicht niedrigbesteuernde Schweiz wird nicht gerne gesehen und steuerlich bestraft. Deutsche, die in den letzten zehn Jahren mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig waren, werden in Deutschland mit ihren deutschen Einkünften im Jahr ihres Wegzugs und in den folgenden fünf Jahren «nachlaufend» besteuert, wenn sie in Deutschland wesentliche wirtschaftliche Interessen behalten. Wesentliche wirtschaftliche Interessen liegen schon vor, wenn ein Mietshaus in Deutschland oder eine unternehmerische Beteiligung > 25 Prozent besteht. In den Verhandlungen für das einkommensteuerliche Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz hat sich Deutschland eine entsprechende Öffnungsklausel vorbehalten. Die nachlaufende Besteuerung ist nur dann nicht anwendbar, wenn Deutsche in die Schweiz umziehen, um ein Anstellungsverhältnis in der Schweiz anzutreten oder um einen Schweizer oder eine Schweizerin zu ehelichen.

Problematisch ist es immer dann, wenn ein Wegzügler – in dem Fall auch Nichtdeutsche – insgesamt 10 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war, in die Schweiz umzieht und Kapitalbeteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften im Privatvermögen hält. In dem Fall werden die stillen Reserven in den Anteilen an den Kapitalgesellschaften besteuert als wären die Anteile verkauft worden. Das gilt immer dann, wenn die Beteiligung 1 Prozent oder mehr ausmacht. Entsprechend dem Zweck dieser Entstrickungsnorm werden Umgehungen der Besteuerung von solchen Kapitalanteilen in Deutschland verhindert und es werden auch andere Übertragungen von Anteilen in das Ausland durch Schenkungen, Erbschaft oder Ähnliches besteuert. Das kann durchaus zu einer Doppel- oder Mehrfachbesteuerung mit deutscher und ausländischer Einkommensteuer sowie Erbschaft- und Schenkungsteuer führen.

Beispiel: Der Unternehmer U, der sein Leben lang in Köln gelebt hat (unbeschränkte Steuerpflicht und Ansässigkeit in Deutschland) verstirbt und hinterläßt seinem Sohn S, der nach seinem Studium in St. Gallen in der Schweiz geblieben und in Zug ansässig ist, die im Privatvermögen gehaltenen Anteile an der GmbH G, der Aktiengesellschaft A in Zürich und die LLC L (einer Kapitalgesellschaft) in New Jersey, USA. An allen Gesellschaften hält U 25 Prozent Die Gesellschaften G und L haben zum Todeszeitpunkt ein positiven Unternehmenswert, die Gesellschaft A einen negativen Wert. Durch den Tod gehen die Anteile auf einen Schweizer Steuerpflichtigen über und es fällt deutsche Einkommensteuer auf alle Kapitalgesellschaftsanteile an, als wären sie verkauft worden. Der negative Unternehmenswert der A darf nach einem aktuellen Urteil des BFH dabei nicht von der positiven Unternehmenswerten G und L abgezogen oder mit anderen Einkünften verrechnet werden. Ausserdem ist der Vorgang erbschaftssteuerpflichtig in Deutschland. Neben dieser doppelten Besteuerung in Deutschland ist zu prüfen, ob auch US-Steuer anfällt. Hat der Vater U die Anteile vor 1999 erworben, so müsste man zusätzlich prüfen, welcher Teil der Wertsteigerungen steuerfrei ist, weil sie bereits vor 1999 eingetreten waren und aufgrund der damals herrschenden Beteiligungsquote von ≤ 25 Prozent für steuerfreie Veräusserungen auch heute noch als steuerfrei zu behandeln wären. Der Teil der Wertsteigerungen wäre steuerpflichtig, der auf den Zeitraum nach 1998 entfällt.

Ausnahmsweise wird auf Antrag, wenn eine Rückzugsabsicht nach Deutschland innerhalb von fünf Jahren (verlängerbar um noch einmal fünf Jahre) besteht, auf eine Besteuerung verzichtet. Die Steuer kann auf Antrag teilweise gestundet werden und in fünf jährlichen Raten ggf. gegen Sicherheitsleistungen abgezahlt werden (Härtefallregelung). Erfreulich ist immerhin, dass das Finanzgericht Baden-Württemberg die Regelung des § 6 AStG bei Umzügen in die Schweiz für europarechtswidrig hält und dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorgelegt hat, ob die Norm dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU widerspricht (Vorlagebeschluss des FG Baden-Württemberg vom 14. Juni 2017, 2 K 2413/15, Az. EuGH C-581/17). Dann wäre zwar keine Einkommenssteuerfreiheit des Wegzugs erreicht, aber die Steuer würde dauerhaft wie bei einem Wegzug in ein EU/EWR-Land ohne Sicherheiten gestundet, bis sie verkauft werden.

Keiner Wegzugsbesteuerung (wohl aber u. U. einer nachlaufenden Besteuerung) unterliegen gewerbliche Einzelunternehmen oder (gewerbliche) Personengesellschaft in Deutschland und im Ausland, weshalb diese Rechtsformen statt einer Kapitalgesellschaft bei Wegzugsabsicht zu prüfen wäre. Die in der Vergangenheit üblichen Gestaltungen der Einbringung von Kapitalgesellschaftsanteilen in gewerblich geprägte oder infizierte Personengesellschaften in Deutschland sind nach einer Rechtsprechungs- und Gesetzesänderung keine empfehlenswerten Gestaltungen mehr; ggf. aber die Einbringung in eine originär gewerbliche Personengesellschaft.

Selten und daher überraschend in der deutschen Doppelbesteuerungspraxis ist die sog. überdachende Besteuerung im Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Dabei handelt es sich um eine einseitig den deutschen Fiskus begünstigende Norm. Deutschland hat sich darin vorbehalten, dass immer dann, wenn ein Wegzügler in der Schweiz ansässig wird, aber in Deutschland eine ständige Wohnstätte innehat und/oder sich gewöhnlich mehr als sechs Monaten im Jahr in Deutschland aufhält, er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig bleibt. Damit unterliegt sein weltweites Einkommen – ggf. unter Anrechnung der Schweizer Steuer – der Besteuerung in Deutschland, als wäre der Wegzügler gar nicht weggezogen. Mit einem Wegzug in die Schweiz unter Beibehaltung einer deutschen Wohnstätte wäre somit zumindest steuerlich nichts gewonnen. Im Gegenteil: Hat der Wegzügler Kapitalgesellschaftsanteile im Gepäck, gilt er nicht nach Doppelbesteuerungsabkommen, wohl aber nach dem Außensteuergesetz dennoch als weggezogen und die Kapitalgesellschaftsanteile unterliegen der Wegzugsbesteuerung. Ein Wohnsitz in Deutschland gilt nur dann nicht als ständige Wohnstätte im Sinne der DBA, wenn er Erholungs-, Kur-, Studien- und Sportzwecken dient, nachweislich nur gelegentlich genutzt wird und nicht geschäftlichen oder beruflichen Zwecken dient. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, entzieht sich einer objektiven Beurteilung und sind häufig nicht nachweisbar, weshalb ein Deutscher, der einer deutschen Besteuerung nicht mehr unterliegen möchte, keine Wohnung oder Räumlichkeiten in Deutschland unterhalten sollte.

  Quelle: www.handelskammerjournal.ch / www.handelskammer-d-ch.ch


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