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Teufelswerk und schönster Arbeitsplatz der Welt zugleich

03.09.2012

Umstrittenes Emssperrwerk wird zehn Jahre alt - 24 Schiffsüberführungen der Meyer Werft möglich gemacht

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Foto: Focke Strangmann / dapd

Von Normann Berg
Am Emssperrwerk bei Gandersum (Landkreis Leer) scheiden sich auch zehn Jahre nach der Eröffnung noch die Geister. Befürworter preisen es als Bollwerk gegen Sturmfluten und Wettbewerbshilfe für die Schifffahrt, Gegner verfluchen es als ökologische Katastrophe. Der Ortspastor bezeichnet es in einem Leserbrief einst sogar als „Düvelswark“ (Teufelswerk). „Auf jeden Fall sind die Probleme nicht weniger geworden“, resümiert die Grünen-Landtagsabgeordnete Meta Janssen-Kucz im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. Das Emssperrwerk ist eines der am meisten umstrittenen Bauwerke Niedersachsens. Am 6. September 2002 eröffnet der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) das 476 m lange und 223 Mio. Euro teure Küstenschutzprojekt. Schon vor dem ersten Rammschlag im Jahr 1998 beginnen die juristischen Auseinandersetzungen, die erst 2006 vor dem Bundesverwaltungsgericht mit einem Vergleich enden. Zwischenzeitlich erwirken die Gegner sogar einen einjährigen Baustopp. Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen kritisieren vor allem die nach ihrer Ansicht massiven Auswirkungen auf das Ökosystem Ems. Allein der Erörterungstermin zum Jahreswechsel 1996/1997 in Emden dauert 15 Tage, ehe alle Einwendungen vorgetragen sind. „Viele Negativszenarien wie die Verschlickung der Emshäfen sind eingetreten“, sagt Janssen-Kucz. Bestehende Probleme wie die zunehmende Fließgeschwindigkeit oder der sinkende Sauerstoffgehalt des Flusses hätten sich noch verschärft. Konzipiert wurde das Emssperrwerk als Schutz gegen Sturmfluten. Siebenmal hat es deswegen seit der Eröffnung seine Tore geschlossen. Kritiker wie Janssen-Kucz sind sich aber sicher, dass die Planung „mit der Brechstange auf den Weg“ gebracht wurde, um die Überführung von Schiffsneubauten der Papenburger Meyer Werft zu ermöglichen. Mithilfe des Bauwerks lässt sich die Ems so hoch aufstauen, dass Kreuzfahrtschiffe mit einem Tiefgang bis zu 8,50 m hindurch passen.

Pumpen bewegen 100 cbm Wasser pro Sekunde
Bei nahezu jeder Schiffsüberführung ist Uwe Narten dabei. Er weiß um die dauerhafte Kritik. „Wir stehen immer im Fokus, immer unter Beobachtung“, sagt der 44-Jährige. Narten ist Betriebsingenieur am Emssperrwerk. „Ich habe es mit aufgebaut“, fügt er selbstbewusst an. Trotz der Begleitumstände sei sein Job „einer der schönsten Arbeitsplätze der Welt“ im „modernsten Sperrwerk Europas“. Theoretisch lässt sich das Küstenschutzbollwerk aus Beton und Stahl allein von der glasumrandeten Leitwarte am Deich bei Gandersum steuern. „Im Zweifelsfall kann ich hier erkennen, ob jemand irgendwo vergessen hat, das Licht auszuschalten“, erklärt Nartens Chef Andreas Müller vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Dennoch macht Narten täglich seine Kontrollgänge. „Manchmal ist es besser, wenn das menschliche Ohr direkt vor Ort ist“, sagt er und steigt über ein Treppenlabyrinth in das Herzstück des Emssperrwerks hinab. 12,40 Meter unter der Hauptschifffahrtsöffnung mit ihrem versenkbaren Tor führt ein Tunnel zu den Maschinenräumen. Sechs große Pumpen, jede von 20 Sensoren gesteuert, sind Nartens ganzer Stolz. Sie können bis zu 100 Kubikmeter Wasser pro Sekunde flussaufwärts bewegen, wenn selbst der aufgestaute Wasserstand der Ems für eine Schiffsüberführung nicht ausreicht. „Fünfmal hatten wir den Fall schon“, sagt Narten. Derweil sitzt Sperrwerksmeister Gerhard Jansen in der Leitwarte und hat ein Auge auf den Schiffsverkehr. „In der Regel lässt sich das Sperrwerk mit ein bis zwei Mitarbeitern steuern“, sagt der 52-Jährige. Ausnahmefälle sind die Überführungen der Kreuzfahrtschiffe. Dann arbeiten mindestens acht Fachleute in der Kommandozentrale und steuern die schwimmenden Kolosse zentimeter-genau durch das Nadelöhr. Mitte September ist es wieder soweit, wenn die 319 Meter lange „Celebrity Reflection“ erwartet wird. Tausende Schaulustige werden an den Emsdeichen stehen, um das Spektakel zu beobachten.

  Quelle: dapd


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