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Überschneidung Vertragserfüllungs- und Mängelbürgschaft: Unwirksam!

08.10.2020

von RA Michael Seitz

Enthält ein Bauvertrag AGB-Klauseln, die entweder für sich genommen oder im Zusammenwirken dazu führen, dass der Auftragnehmer für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit zu stellen hat, die kumulativ 8 Prozent der Auftragssumme beträgt, so wird der Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, die Klausel ist daher unwirksam.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 16.07.2020 (Az.: VII ZR 159/19) entschieden.

Der Fall: Der öffentliche Auftraggeber AG beauftragt AN mit Straßenbauarbeiten. Bestandteil des Vertrages werden die Besonderen Vertragsbedingungen des Vergabehandbuches des Bundes in der Ausgabe 2008 mit Stand vom Mai 2010 (BVB). Gemäß Ziffer 4.1 BVB hat der AN eine Vertragserfüllungssicherheit von
5 Prozent der Auftragssumme sowie eine Bürgschaft von 3 Prozent der Auftragssumme für Mängelansprüche zu stellen. Ziffer 4.1 der BVB bestimmt, dass der AN „nach Abnahme und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche einschließlich Schadensersatz die Sicherheit für die Vertragserfüllung in eine Mängelansprüchesicherheit umwandeln kann“.

Im Übrigen verweist Ziffer 4 der BVB auf das Formblatt 421, welches ein Bürgschaftsmuster enthält, nach dem der AN Sicherheit für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich Erfüllung der Mängelansprüche zu leisten hat. AN hält diese Klausel für unwirksam und verlangt von AG die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde und die Freistellung von Avalprovisionen.

Das Urteil: Anders als das OLG Stuttgart hält der BGH die Klauseln der Ziffer 4.1 BVB in Verbindung mit dem Formular 421 und dem dortigen Bürgschaftsmuster für unwirksam. Dabei geht der BGH im Rahmen seiner ständiger Rechtsprechung davon aus, dass für die Wirksamkeitskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen ist. Mit anderen Worten: Lässt die fragliche Klausel eine Auslegung zu, durch die der AN unangemessen benachteiligt wird, so ist diese Auslegung zugrunde zu legen mit der Folge, dass die Klausel unwirksam ist. So liegt es nach Auffassung des BGH auch hier. Die in Ziffer 4.1 BVB geregelte Sicherheit für die Vertragserfüllung kann – jedenfalls in Verbindung mit dem Formblatt 421 – so verstanden werden, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche sichert. Das folgert der BGH daraus, dass eine Umwandlung der Vertragserfüllungsbürgschaften und eine Mängelbürgschaft zum einen erst verlangt werden kann, wenn alle bis dahin erhobenen Ansprüche einschließlich Schadensersatz erfüllt sind und dass zudem die zu leistende Bürgschaft nach dem Formblatt 421 auch die Erfüllung der Mängelansprüche umfasst. Eine Differenzierung nach Mängelansprüchen vor und nach Abnahme erfolgt hier nicht. Daher lassen sich die fraglichen Klauseln dahingehend auslegen, dass AN für einen nicht unerheblichen Zeitraum einerseits die Vertragserfüllungsbürgschaft nicht zurückerhält, zugleich jedoch AG auch eine Mängelbürgschaft verlangen kann. Damit ist es nicht ausgeschlossen, dass AN über einen längeren Zeitraum zur Stellung von Bürgschaften in Höhe von insgesamt 8 Prozent verpflichtet ist. Eine solche Kumulation beider Bürgschaften benachteiligt AN jedoch unangemessen und ist daher unwirksam.

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Fazit: Die Entscheidung des BGH ist wenig überraschend, liegt sie doch auf der Linie von Entscheidungen, die die der BGH bereits in den Jahren 2011 und 2014 fällte. Überraschen kann allenfalls, dass trotz dieser Rechtsprechung die besonderen Vertragsbedingungen des Bundes eine solche Klausel enthielten. Seit jeher ist bei der Formulierung von Sicherheiten- und Bürgschaftsklauseln höchste Sorgfalt geboten. Führen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers dazu, dass sich Sicherheiten für die Vertragserfüllung einerseits und Sicherheiten für die Mängelgewährleistung nach Abnahme andererseits über einen längeren Zeitraum kumulieren und liegt dann die Verpflichtung des AN zur Gestellung von Sicherheiten deutlich über 5 Prozent, so ist dies unwirksam. Gemessen an diesem Maßstab dürften die AGB vieler Auftraggeber bezogen auf die Sicherheiten unwirksam sein, sodass sich hier ein sorgfältiger Blick auf die Formulierung der Klauseln lohnt, wenn der AN Sicherheiten vorzeitig zurück erhalten möchte. Umgekehrt gilt, dass jeder Bauunternehmer gerade auch bei der Formulierung von Nachunternehmerverträgen auf die Regelung zu Vertragsausführungs- und Mängelgewährleistungssicherheiten größte Sorgfalt verwenden sollten. Besteht die Möglichkeit, dass sich beide Sicherheiten überschneiden, so ist die Sicherheitsabrede insgesamt unwirksam mit der Folge, dass AG überhaupt keine Sicherheiten zustehen.

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