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Unklare Leistungsbeschreibung: Keine Mehrvergütung!

23.04.2013

Ein Unternehmer darf Unklarheiten in einer Ausschreibung nicht einfach hinnehmen und durch für ihn günstige Kalkulationsannahmen ersetzen, sondern muss Unklarheiten durch Rückfrage beim Auftraggeber ausräumen.

Dies hat das OLG Naumburg in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 22. Februar 2013 (Az.: 12 U 120/12) entschieden.

In dem entschiedenen Fall beauftragte AG den AN mit Rohbauarbeiten für einen Hörsaal. Das LV enthielt getrennte Positionen für die Schalung der Stützen, Decken und Wände. Dabei wurden aber konstruktive Merkmale nicht näher gekennzeichnet. Diese ließen sich jedoch den Plänen entnehmen, die später Vertragsinhalt wurden und die auf Anforderung zugänglich waren. Vor Angebotsabgabe nimmt AN Einsicht in die Pläne. Nachdem AN den Zuschlag erhalten hat, übergibt AG die Ausführungsplanung.

Darin ist eine monolithische Ausführung vorgesehen, die mit der von AN kalkulierten Systemschalung nicht ausgeführt werden kann. Für die erforderliche Unikat-Schalung verlangt AN eine Mehrvergütung von knapp 700.000,00 €.

Das OLG Naumburg ist der Auffassung, die monolithische Ausführung sei von Anfang an geschuldet, daher verliert AN den Prozess. Die gewählte Konstruktion sei zwar aus den Ausschreibungsunterlagen nicht eindeutig zu erkennen. Durch Befragung eines Sachverständigen stellt das Gericht jedoch fest, dass sich die monolithische Ausführung eindeutig aus dem Grundrissplan ergibt. Dieser war der Ausschreibung zwar nicht beigefügt, in ihn konnte aber Einsicht genommen werden, was AN auch getan hatte. AN hatte sich diesen Plan jedoch nicht genau genug angesehen. Zwar sei die nicht eindeutige Beschreibung der Ausführung im Textteil möglicherweise ein Verstoß gegen die Vorschriften der VOB/A, wonach eine Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben und sämtliche für die Preisermittlung wichtigen Umstände anzugeben seien (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). Allein aus diesem Verstoß lasse sich jedoch ein Mehrvergütungsanspruch des AN nicht herleiten. Nach Auffassung des OLG Naumburg hätte AN den Widerspruch zwischen dem LV und den Plänen nicht einfach hinnehmen dürfen, sondern die Unklarheiten durch Rückfragen beim AG vor Angebotsabgabe prüfen müssen. Dies gelte umso mehr, als es sich bei dem Hörsaal um ein komplexes Bauwerk handelt.

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Fazit: Die Entscheidung ist für Bauunternehmer höchst problematisch! Zwar entspricht es der Rechtsprechung des BGH, dass allein ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A noch keinen Mehrvergütungsanspruch rechtfertigt. Das OLG Naumburg überzieht jedoch die Anforderungen an den Bieter deutlich. Während der Auftraggeber oft monatelang sein Bauwerk plant, hat der Bieter oft nur sehr wenig Zeit, die Angebotsunterlagen zu prüfen. Letztlich handelt es sich hier auch um einen Fehler des planenden Architekten, der die Ausschreibung unklar formuliert hat. Dass AN das Bauwerk gleichsam nochmals plant, wird man von ihm kaum erwarten können. Es sollte daher ausreichen, wenn er die Ausschreibung kalkulatorisch bearbeitet. Man darf gespannt sein, ob der BGH die Auffassung des OLG Naumburg teilt. Im Hinblick auf diese Entscheidung kann aber gegenwärtig jedem Unternehmer nur geraten werden, gerade komplexe Ausschreibungen außerordentlich sorgfältig zu lesen und Unklarheiten im Vorfeld aufzuklären.


  Quelle: RA Michael Seitz


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