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VOB-Vertrag: Abschlagsrechnungen sind zu 100 % zu bezahlen!

07.05.2015

von RA Michael Seitz

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Auftraggebers enthaltene Klausel, wonach Abschlagszahlungen der nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen nur in Höhe von 90 % zu leisten sind, benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind daher unwirksam mit der Folge, dass der Auftragnehmer nach Setzung einer Nachfrist und Kündigungsandrohung den Vertrag kündigen kann.

Dies hat das OLG Düsseldorf in einem - allerdings noch nicht rechtskräftigen - Urteil vom 25.11.2014 (Az.: 21 U 172/12) entschieden.

Der Fall: AN erbringt für AG Maurer- und Betonarbeiten an einem Mehrfamilienhaus. In dem von AG gestellten Bauvertrag wird die VOB 1999 einbezogen, außerdem enthalten die besonderen Vertragsbedingungen des AG eine Klausel, wonach Abschlagszahlungen in Höhe von 90 % der erbrachten und durch Aufmaß nachgewiesenen Leistungen zu zahlen sind. AN verlangt die vollständige Bezahlung der Abschlagsrechnungen. Nachdem AG nur 90 % bezahlt, setzt AN eine Nachfrist mit Kündigungsandrohung und kündigt den Vertrag nach Fristablauf, weil AG auch weiterhin nicht reagiert. Sodann verlangt AN die Zahlung der erbrachten Leistungen sowie die Zahlung der nicht erbrachten Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen. AG bestreitet die Wirksamkeit der Kündigung des AN, weil er die 90-%-Klausel in seinem Vertrag für wirksam hält.

Das Urteil: Ganz anders das OLG Düsseldorf! Es urteilt, dass AN gemäß § 9 Nr. 1 b VOB/B zur Kündigung berechtigt war. § 9 Nr. 1 b VOB/B 1999 (jetzt § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B 2012) besagt, dass AN den Vertrag kündigen kann, wenn AG eine fällige Zahlung nicht leistet oder sonst in Schuldnerverzug gerät. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf regelt § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/B einen Anspruch auf Abschlagszahlung auf die von AN vertragsgemäß erbrachten Leistung, und zwar grundsätzlich in Höhe von 100 %. Demnach hat AN einen Anspruch auf 100-%-ige Bezahlung der in seiner Abschlagsrechnung nachgewiesenen und vertragsgemäß erbrachten Leistungen. Eine Klausel, die ihm nur 90 % dieser Beträge gewährt, verstößt gegen das gesetzliche Leitbild des § 632 a BGB, benachteiligt AN unangemessen und ist daher gemäß § 307 BGB unwirksam. § 632 a BGB regelt den Anspruch auf Abschlagszahlungen außerhalb der VOB/B. Da im vorliegenden Fall AG nur 90 % der nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen bezahlt hat, durfte AN gemäß § 9 Nr. 1 b VOB/B kündigen!

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Fazit: Die Klausel, die hier das OLG Düsseldorf für unwirksam gehalten hat, ist in Bauverträgen bisher weithin üblich! Auftraggeber vereinbaren in ihren AGB gern derartige „Sicherheitspuffer“. Folgt man der Auffassung des OLG Düsseldorf, dürfte dies nun nicht mehr möglich sein. Zwar wird es AN stets schwer fallen, AG zur vollständigen Zahlung zu bewegen, wenn dieser sich auf seine Klausel beruft. Hier stellt jedoch die vom OLG Düsseldorf eingeräumte Kündigungsmöglichkeit ein scharfes Schwert dar.

Folgt man nämlich dem OLG Düsseldorf und darf AN mangels vollständiger Bezahlung der Abschlagsrechnungen nach Fristsetzung und Kündigungsandrohung tatsächlich kündigen, so erhält er nicht nur die Vergütung für die erbrachten Leistungen, sondern auch die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen. Dies kann für AN durchaus sehr attraktiv und für AG außerordentlich schmerzhaft sein.

Allerdings greift die Unwirksamkeit der Klausel nur dann, wenn - wie offenbar im vorliegenden Fall unstreitig - die abgerechneten Teilleistungen tatsächlich vollständig und mängelfrei erbracht und auch nachgewiesen sind. Behauptet AG, die Leistungen seien mangelhaft oder das der Abschlagsrechnung zugrunde gelegte Aufmaß sei falsch, so besteht auch weiterhin kein Anspruch auf vollständige Zahlung, ohne dass es auf die Anwendbarkeit der 90-%-Klausel überhaupt ankäme.

Im Übrigen ist das hiesige Urteil bisher noch nicht rechtskräftig. Es wurde Revision zum BGH eingelegt (Az.: VII ZR 298/14) und es bleibt daher abzuwarten, wie der BGH diese Frage entscheidet. Wir werden weiter berichten.

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