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Verbraucherbauvertrag: Widerruf treuwidrig

28.01.2022

Ein Verbraucherbauvertrag i. S. v. § 650i BGB liegt nur vor, wenn der Auftragsumfang der Errichtung eines Neubaus gleichkommt und mit der gesamten Baumaßnahme nur ein Unternehmer beauftragt wird. Im Einzelfall kann der Widerruf eines Bauvertrages durch einen Verbraucher unter Berufung auf den Ausschluss des Wertersatzes für die erbrachten Leistungen treuwidrig sei, was allerdings vom Unternehmer darzulegen ist. Dies hat das Kammergericht mit Urteil vom 16.11.2021 (Az.: 21 U 41/21) entschieden.

Der Fall: AG, ein Verbraucher, beauftragt AN während eines Gesprächs in dem zu bearbeitenden Haus mit der Durchführung von Schleifarbeiten. AN beginnt die Arbeiten und stellt AG eine Abschlagsrechnung über rund 5.500,00 €, die AG auch bezahlt. Später geraten die Parteien in Streit. Daraufhin widerruft AG am 18. Mai 2020 den am 28. Juni 2019 mündlich geschlossenen Vertrag und fordert die Abschlagszahlung zurück. AN habe ihn nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, deshalb erlösche dieses erst 12 Monate und 14 Tage nach Abschluss des mündlichen Vertrages. Das Landgericht weist die Klage mit der Begründung ab, die Vorschrift des § 357d BGB (Wertersatz bei Verbraucherbauverträgen) sei analog anzuwenden und der Wertersatz entspreche der geleisteten Abschlagszahlung. AG legt Berufung ein.

Das Urteil: Das Kammergericht hebt das Urteil auf und verurteilt AN zur Zahlung. Es handele sich vorliegend nicht um einen Verbraucherbauvertrag gemäß § 650i BGB, auf den allein die Vorschrift des § 357d BGB, die den Wertersatz gewähre, anzuwenden sei. Dafür fehle es zum einen bereits an den erheblichen Umbaumaßnahmen, die § 650i BGB voraussetze, zum anderen aber auch an der Beauftragung eines Unternehmers für sämtliche Arbeiten, denn AG habe hier auch andere Unternehmer beauftragt. § 357d BGB könne auch nicht auf Bauverträge mit Verbrauchern i. S. v. § 650a BGB, die nicht zugleich Verbraucherbauverträge i. S. d. § 650i BGB seien, analog angewandt werden. Da AN hier den AG nicht wirksam über sein Widerrufsrecht belehrt habe, müsse er die empfangene Zahlung zurückgeben, ohne im Gegenzug Wertersatz fordern zu können. Allerdings könne die Berufung des AG darauf, dass er gemäß § 357 Abs. 8 BGB keinen Wertersatz schulde, unter Umständen treuwidrig sein. Hierzu habe der Bauunternehmer aber darzulegen, dass er die Widerrufsbelehrung nur fährlässig unterlassen habe, dass seine Leistungen mangelfrei seien, vom AG genutzt würden und dass ein Wertersatz nicht unangemessen sei. Das hatte AN hier aber nicht dargelegt.

Fazit: Wann immer es um den Schutz von Verbrauchern geht, ist die Rechtsprechung sehr streng. Im vorliegenden Fall ist es ein im EU-Recht begründeter Widerspruch, dass ein Auftragnehmer bei Widerruf eines Verbraucherbauvertrages Wertersatz erhält, weil bei einem - in der Regel weniger umfangreichen - Bauvertrag mit Verbrauchern aber nicht. Positiv ist an der Entscheidung des Kammergerichts allerdings hervorzuheben, dass dieses mit der herrschenden Meinung von einem Verbraucherbauvertrag nur ausgeht, wenn die Umbaumaßnahmen einen erheblichen, dem Neubau vergleichbaren Umfang haben und wenn zudem der Bauunternehmer Generalunternehmer ist. Dies hatte nämlich das OLG Hamm mit Urteil vom 24.04.21, Az.: 24 U 198/20 ganz anders gesehen und war von einem Verbraucherbauvertrag auch bereits dann ausgegangen, wenn die Arbeiten gewerkeweise vergeben wurden. Insgesamt ist der Verbraucherbauvertrag - außer in der hier vorliegenden Konstellation - für den Bauunternehmer regelmäßig ungünstiger als ein Bauvertrag mit Verbrauchern, denn ersterer zieht erhebliche Dokumentationspflichten nach sich und schließt außerdem die Forderung einer Bauhandwerkersicherungsbürgschaft gemäß § 650f Abs. 6 BGB für den Auftragnehmer aus. Insgesamt kann man jedem Bauunternehmer nur raten, bei Geschäften außerhalb der eigenen Geschäftsräume mit Verbrauchern immer sorgfältig über das Widerrufsrecht zu belehren. Anderenfalls läuft er Gefahr, trotz vollständiger und mangelfreier Leistung keine Vergütung zu erhalten, wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt.

  Quelle: RA Michael Seitz


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