zurück

Verbraucherwiderruf: Erste Entscheidung!

03.12.2015

von RA Michael Seitz

Der Begriff Dienstleistung im Sinne der §§ 312 ff. BGB umfasst Miet-, Werk- und Werklieferungsverträge. Widerruft der Verbraucher wirksam, so regelt § 357 BGB die Rückabwicklung abschließend, der Unternehmer hat dann keine weiteren Ansprüche gegen den Verbraucher.

Dies hat das Landgericht Münster in einem Urteil vom 04.11.2015 (Az.: 2 O 127/15) entschieden. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Der Fall: Bei Starkregen wird das Reihenhaus der AG, einer Verbraucherin, überschwemmt. Sie bestellt telefonisch Unternehmer AN, der Trocknungsgeräte vermietet. Ca. 14 Tage später schließen die Parteien im Reihenhaus der AG einen Mietvertrag über die Trocknungsgeräte und AN stellt diese auf. Über ihre Widerrufsrechte belehrt AN die AG nicht. Zwei Monate später baut AN die Geräte wieder ab und stellt den vereinbarten Mietzins in Höhe von rund 8.000,00 € in Rechnung. Die Verbraucherin prüft die Rechnung mit Hilfe ihres Elementarschadensversicherers und stellt fest, dass ca. 2.000,00 € ortsüblich gewesen wären. Nur diese Zahlung leistet sie an AN. Zugleich wendet sie Wucher und arglistige Täuschung ein. Darüber hinaus widerruft sie schließlich den Trocknungsvertrag ca. zehn Monate nach seinem Abschluss.

Das Urteil: Das Landgericht Münster lässt offen, ob der Vertrag sittenwidrig oder wirksam angefochten war, denn jedenfalls stehen dem AN wegen des wirksamen Widerrufs kein weiterer Mietzins und auch kein Wertersatz zu. Das Gericht setzt sich zunächst mit dem Begriff des Verbrauchervertrages und der Dienstleistungen im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB auseinander und stellt fest, dass auch der hiesige Mietvertrag mit werkvertraglichen Elementen (Auf- und Abbau der Geräte) eine Dienstleistung im Sinne der Vorschrift darstellt. Es handelte sich auch um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag, da dieser im Reihenhaus der AG geschlossen wurde. Darauf, dass AG den AN in seine Privatwohnung bestellt habe, komme es entgegen der früheren Rechtslage nun nicht mehr an. Auch sei es nicht erforderlich, dass eine „Überrumpelungssituation“ vorliege.

Sodann prüft das Gericht weiter, ob es sich hier um dringende Instandhaltungsarbeiten im Sinne des § 312 g Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 BGB (sog. Havariefall) handelt. Dies hätte zur Folge, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht. Im Ergebnis verneint das Gericht derartige Instandhaltungsarbeiten. Die Dringlichkeit sei nur gegeben, wenn sie zur sofortigen Wiederherstellung der Funktionstauglichkeit erforderlich gewesen sei und der Verbraucher darauf angewiesen war. Da eine Widerrufsbelehrung nicht erfolgte, hat die AG 12 Monate und 14 Tage die Möglichkeit, den Vertrag zu widerrufen. Das tat sie innerhalb der Frist.

Schließlich prüft das Landgericht noch einen Anspruch des AN auf Wertersatz und verneint auch diesen. Gemäß § 357 Abs. 8 BGB besteht ein solcher Anspruch nur, wenn der Verbraucher die bis zum Widerruf verlangte Leistung ausdrücklich vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt und auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat. Auch hier bestehen Informationspflichten des AN, die dieser hier ebenfalls nicht erfüllt hatte. AN geht also leer aus.

Hauptgeschaeftsfuehrung_Seitz.JPG

Fazit: Wer nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt, verliert sämtliche Ansprüche! Zwar mag im vorliegenden Fall die Reaktion der Verbraucherin verständlich gewesen sein, weil der Preis für die Trocknungsarbeiten offenbar weit überhöht war. Das Landgericht hätte jedoch vermutlich nicht anders entschieden, wenn AG widerrufen und überhaupt nichts bezahlt hätte. Wer Verträge außerhalb seiner Geschäftsräume schließt und nicht ordnungsgemäß über den Widerruf und ggf. den vorzeitigen Beginn der Arbeiten belehrt, der erhält keine Vergütung und nicht einmal Wertersatz!

Diese Rechtsfolge ist so harsch, dass man sich fragen kann, ob sie mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen in Einklang zu bringen ist. Das Landgericht Münster hat sich aber diese Frage nicht gestellt, sondern schlicht nach dem Wortlaut des seit 13.06.2014 geltenden Rechts entschieden, und auf dieser Basis konnte das Landgericht gar nicht anders urteilen. Zwar erging die hiesige Entscheidung zu einem (Trocknungsgeräte-) Mietvertrag, sie lässt sich jedoch – wie das LG Münster auch klarstellt – ohne weiteres auch auf Werkverträge übertragen. Nicht diese Entscheidung, sondern vielmehr die hier vom Gericht nur konsequent angewandte, geltende Rechtslage ist für alle Handwerksunternehmer eine Katastrophe. Momentan hilft für den Handwerksunternehmer nur zweierlei: Entweder ordnungsgemäß belehren oder Verträge nur noch in den eigenen Geschäftsräumen oder fernmündlich per Fax oder Mail schließen!

 

  Quelle:


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare