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Verbraucherwiderruf: Vergütungspflicht entfällt vollständig!

22.06.2023

Die europarechtlichen Vorgaben zum Verbraucherwiderruf sind so auszulegen, dass bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, eine Vergütungspflicht auch nach Leistungserbringung vollständig entfällt, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht belehrt wurde. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 17.05.2023 (Az.: Rs. C-97/22) entschieden.

 

Porträt des RA Michael Seitz

RA Michael Seitz

Der Fall: Im Oktober 2020 schließt ein AN mit einem Verbraucherauftraggeber (AG) mündlich einen Vertrag über die Erneuerung von Elektroinstallationen. AN belehrt AG nicht über sein Widerrufsrecht. Nach vollständiger Erbringung der Leistungen stellt AN eine Rechnung, die AG nicht bezahlt. AG erhebt Klage beim Landgericht Essen und vertritt die Auffassung, trotz des Widerrufs des AG bestehe ein Anspruch auf Zahlung, denn der Ausschluss eines solchen Anspruchs nur wegen der Verletzung der Informationspflicht stelle einer "unverhältnismäßige Sanktion" nach der einschlägigen EU-Richtlinie dar. Das Landgericht Essen legt daraufhin in einem Vorabentscheidungsverfahren dem EuGH die Frage vor, ob das Europarecht dahingehend auszulegen sei, dass jeglicher Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht erst nach Erfüllung des Vertrages ausübt.

Das Urteil: Der EuGH bejaht diese Frage! Belehrt der Unternehmer den Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht (was dazu führt, dass dieses Widerrufsrecht ein Jahr und zwei Wochen lang besteht), erhält er selbst dann keinen Wertersatz für die von ihm erbrachte Leistung, wenn sie diese vollkommen mangelfrei und vollständig ist. Der EuGH begründet seine Auffassung damit, dass schon nach dem Wortlaut der einschlägigen EU-Richtlinie der Verbraucher von jeder Verpflichtung, dem Unternehmer den Preis für die Dienstleistung zu bezahlen, befreit sei. Dies laufe auch nicht im Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung (der auch im Europäischen Recht anerkannt ist) entgegen. Die Richtlinie verfolge nämlich gerade den Zweck, ein hohes Verbraucherschutzniveau herzustellen und dieses Ziel geriete in Gefahr, dass es erlaubt wäre, wenn dem Verbraucher trotz seines Widerrufs Kosten entstehen könnten, welche in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind.

Fazit: Für Bauunternehmer, die häufig für Verbraucher bauen, ist die Entscheidung ein Fiasko, denn sie konterkariert die zaghaften Versuche der Deutschen Rechtsprechung, dem Verbraucher jedenfalls dann einen Wertersatz zuzuerkennen, wenn die Leistung vollständig und mängelfrei erbracht wurde (vgl. z. B. OLG Celle, 14 U 111/21). Umso wichtiger ist es für jeden Unternehmer, den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht zu belehren und auch die 14-tägige Widerrufsfrist vor Beginn der Arbeiten abzuwarten oder den Verbraucher weiter dahin zu belehren, dass er mit Beginn der Arbeiten sein Widerrufsrecht verliert. Um all diese Belehrungen sinnvoll vorzunehmen, eignet sich hervorragend der Einzelgewerkvertrag mit Verbrauchern vom ZDB und Haus & Grund, herunterzuladen unter https://www.bau-innung.de/leistungen/rechtsberatung (Rechtsberatung).

  Quelle: RA Michael Seitz


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