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Verbringung von schadstoffbelastetem Boden: Einkalkulierung der Entsorgungskosten!

08.07.2014

Die Vergabekammer (VK) Bremen hat mit Beschluss vom 20.03.2014 – 16 VK 1/14 – u.a. Folgendes entschieden:

• Die Formulierungen in einem Leistungsverzeichnis, wonach schadstoffbelasteter Boden zu baggern, zu fördern und zu verbringen ist, muss ein durchschnittlicher Bieter dahingehend verstehen, dass auch die erforderlichen Entsorgungskosten in die Einheitspreise einzukalkulieren sind.

• Bietet das LV keine hinreichend sichere Grundlage für eine ordnungsgemäße Kalkulation, ist es dem Bieter grundsätzlich zuzumuten, beim AG entsprechende Rückfragen zu stellen.

• Die SektVO enthält zwar keine besonderen Regelungen zu Fragefristen. Dessen ungeachtet kann der öffentliche Auftraggeber auch in einem Vergabeverfahren nach der SektVO mit der Bekanntmachung eine derartige Frist setzen.

Ein Auftraggeber (AG) hatte Nassbaggerarbeiten im Bereich eines Hafenbeckens im Offenen Verfahren nach SektVO ausgeschrieben. Nach dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses (LV) war gefordert, den Boden auszubaggern, zu fördern, zu separieren und zu verbringen. Fragen zur Leistungsbeschreibung konnten die Bieter bis zum 25.11.2013 stellen. Erst am 28.11.2013 hatte Bieter A um Auskunft gebeten, ob die Entsorgungskosten für das ausgebaggerte Material in den Einheitspreis einzukalkulieren sind. Der AG verwies auf die abgelaufene Frist und beantwortete die verspätete Anfrage nicht. Im Begleitschreiben zu seinem Angebot erklärte A darauf, die Entsorgungskosten in die Einheitspreise nicht einkalkuliert zu haben und bot diese zusätzlich an. Der AG schloss darauf das Angebot des A wegen Abänderung der Vergabeunterlagen aus, wogegen sich A mit Antrag zur Vergabekammer wehrte.

Die Vergabekammer gibt dem AG recht und entscheidet, dass der Ausschluss vom Vergabeverfahren zurecht erfolgt sei, weil A die Vergabeunterlagen abgeändert habe. Das Angebot des A habe die Kosten der Entsorgung nicht enthalten, obwohl dies nach dem LV gefordert worden war. Die Inhalte des LV seien im Wege der Auslegung zu ermitteln. Maßgebend sei dabei der objektive Empfängerhorizont, also die Sicht der potentiellen Bieter. Bei dieser Auslegung seien neben dem Wortlaut auch die Umstände des Einzelfalls und die konkreten Verhältnisses des Bauwerks zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18.04.2002 – VII ZR 38/01). Für Bauleistungen nach der SektVO könne dabei nichts anderes gelten. Hier habe ein durchschnittlicher Bieter das LV so verstehen müssen, dass nicht nur die Transportleistung des ausgebaggerten Materials, sondern auch die dazu jeweils erforderlichen Entsorgungskosten einzupreisen waren. Dafür spreche einmal der Begriff des „Verbringens“, nicht des „Transportierens“; dafür spreche aber auch, dass die anderen Bieter dies genauso verstanden hätten. Letztlich könne die Auslegung des LV aber auch dahinstehen, weil hier dem Bieter A Zweifel am Inhalt der Leistung gekommen seien und es deshalb einer entsprechenden Nachfrage bedurfte. Allerdings sei seine Nachfrage zu spät erfolgt. Die Fristsetzung des AG für Nachfragen bis zum 25.11.2013 war zulässig. Die Zurückweisung des AG sei nicht zu beanstanden, da die Frage schon anhand der Vergabeunterlagen hätte gestellt werden können und müssen. Zwar sehe die SektVO keine besondere Regelung für eine Fragefrist vor (anders als die VOL/A). Allerdings sei auch in der SektVO dem AG ein berechtigtes Interesse zuzugestehen, eine angemessene Frist für den letztmöglichen Eingang von Fragen festzusetzen. Der übergeordnete Grundsatz der Gleichbehandlung verbiete daher auch nach der SektVO die Beantwortung verspäteter Nachfragen.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:

Wieder einmal wird durch eine Vergabekammer Folgendes unterstrichen:

Das Leistungsverzeichnis ist sorgfältig zu lesen. Bei Zweifeln am Inhalt des LV hat der Bieter entsprechende Rückfragen beim Auftraggeber zu stellen; dies hat innerhalb der gesetzten Fragefrist zu geschehen.

  Quelle: RA Michael Werner


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