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Vergaberechtswidrige Vergabebedingungen: Unterlassungsanspruch auch für die Zukunft?

07.09.2012

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 5. Juni 2012 – X ZR 161/11 - folgendes entschieden:

Einem (potenziellen) Bieter steht gegen den öffentlichen Auftraggeber kein aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (§ 241 Abs. 2 BGB) herzuleitender Anspruch darauf zu, die Verwendung bestimmter als vergaberechtswidrig erachteter Vergabebedingungen in etwaigen zukünftigen Vergabeverfahren zu unterlassen.


Eine Autobahndirektion (AG) hatte in öffentlicher Ausschreibung die Lieferung von StVO-Hinweisschildern und Zubehörteilen sowie Demontage, Montage und Änderung von Transparenten, Großschildern etc. ausgeschrieben. In der Ausschreibung verwandte sie eine Klausel zum „Fachpersonal“ folgenden Inhalts: „Die Bieter müssen als Herstellerfirma gelten und der Güteschutzgemeinschaft Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen e. V. angehören ….“. Der klagende Bieter hatte das wirtschaftlich günstigste Angebot eingereicht, war aber von der Wertung ausgeschlossen worden, weil er die Fachpersonalklausel nicht erfüllte. Da es sich um eine Vergabe unterhalb des europäischen Schwellenwertes handelte, wurde kein Nachprüfungsverfahren eingeleitet; vielmehr nahm der Bieter den AG auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht in Anspruch. Darüber hinaus beantragte er, dem AG in Zukunft zu untersagen, künftig die „Fachpersonalklausel“ bei Ausschreibungen weiter zu verwenden.

Das Landgericht München hatte der Klage stattgegeben, das OLG hatte sie abgewiesen und die Revision zugelassen.

Der BGH hebt das klageabweisende Berufungsurteil auf und verweist an das OLG zurück. Mit Hinweis auf neuere BGH-Rechtsprechung (BGH vom 9. Juni 2011 – X ZR 143/10) betont der BGH, dass ein auf Verstöße des öffentlichen Auftraggebers gegen Vergabevorschriften gestützter Schadensersatzanspruch des Bieters nicht daran geknüpft sei, dass der Bieter auf die Einhaltung dieser Regelungen durch den Auftraggeber vertraut habe. Vielmehr komme es darauf an, ob der AG durch Missachtung von Vergabevorschriften seine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Bieter und potenziellen Bietern verletzt und einem durch diese Vorschriften geschützten Unternehmen hierdurch Schaden zugefügt habe. Für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe oberhalb der europäischen Schwellenwerte ergebe sich die Verpflichtung zur Beschaffung im Wettbewerb aus § 97 Abs. 1 GWB. Aber auch außerhalb des Geltungsbereichs dieser Norm, d. h. unterhalb der Schwellenwerte, seien öffentliche Auftraggeber bei der Auftragsvergabe dem Wettbewerbsprinzip verpflichtet. Dies erlege den Vergabestellen die Verpflichtung auf, die Auftragsvergabe nach Möglichkeit wettbewerbsintensiv auszugestalten. Zwar habe hier der AG in der an sich wettbewerbsfreundlichsten Vergabeart der öffentlichen Ausschreibung vergeben. Der AG habe den Wettbewerb jedoch durch eine zusätzliche Anforderung an die Eignung der Bewerber beinhaltende Fachpersonalklausel von vornherein in einer Weise beschränkt, die auf die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung hinauslaufe. Ob für diese Beschränkung Gründe vorlägen, müsse das OLG erneut beurteilen. Fehle es an Gründen dafür, könne dies eine Verletzung von Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB gegenüber Bauunternehmen als Bieter darstellen. Ein vom Bieter geltend gemachter vorbeugender Unterlassungsanspruch könne jedoch hier nicht hergeleitet werden. Zwar könne nach der BGH-Rechtsprechung aus § 280 Abs. 1 BGB aus einem durch Vertrag begründeten Schuldverhältnis neben dem Schadensersatzanspruch grundsätzlich auch ein Unterlassungsanspruch abgeleitet werden. Dies gelte aber nur, solange eine Verletzungshandlung im konkreten Vertragsverhältnis noch andauere. Hingegen begründe eine solche Pflichtverletzung keinen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Verletzung künftiger, noch nicht geschlossener Verträge, wie ihn der Bieter hier geltend mache.

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Anmerkung:
Zu betonen ist, dass hier der BGH noch einmal klar herausstellt, dass der Bieter im Oberschwellenbereich durch Nachprüfungsverfahren und im Unterschwellenbereich durch einstweilige Verfügung rechtswidrige Vergabebedingungen angreifen kann. Dies gilt aber nur für die konkrete Ausschreibung und nicht für zukünftig zu befürchtende, rechtswidrige Vergabebedingungen.

  Quelle: RA Michael Werner


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