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Verhandlungsverbot auch bei Änderung von Vertragsterminen?

01.11.2013

Die Vergabekammer (VK) Hessen hat mit Beschluss vom 23.05.2013 – 69d-VK-05/2013 – u.a. Folgendes entschieden:

• Ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot des § 15 Abs. 3 VOB/A liegt vor, wenn beim einmal abgegebenen Angebot festgelegte Zeitbestimmungen als Leistungsinhalte geändert werden. Dies gilt auch, wenn einzelne Preispositionen geändert oder nachträglich ergänzt werden.

• Eine Ausnahme vom Nachverhandlungsverbot ist nur dann gegeben, wenn Nachverhandlungen aufgrund des Leistungsprogramms nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebene Änderungen der Preise zu vereinbaren. Die ausnahmsweise Zulassung von Nachverhandlungen ist restriktiv auszulegen, da sie nur dazu dienen, ein für sich genommen bereits zuschlagsfähiges Angebot präzisierend zu ergänzen und zu optimieren.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Sanierung einer Fassade ausgeschrieben, wobei Ausführungsbeginn und Vollendungszeitpunkt vorgegeben, während Zwischentermine oder Einzelfristen nicht bestimmt waren; ein Bauablaufplan sollte „in Verbindung mit den übrigen Gewerken“ erstellt werden. Nach Angebotswertung sandte der AG den Bietern eine Vorinformation gemäß § 101a GWB, wonach er dem Bieter A ab dem 07.02.2013 den Zuschlag erteilen wollte. Noch vor Ablauf der Wartefrist am 07.02.2013 beauftragte der AG den A mit Teilleistungen in Höhe von ca. 7.000 Euro. Ebenfalls noch vor Ablauf der Wartefrist forderte er alle Bieter auf, für die zwei Bauabschnitte jeweils den Montagetermin zu bestätigen und damit verbundene etwaige Mehrkosten anzugeben. Bieter B bestätigte die Montagetermine und teilte mit, dass er einen pauschalen Preisablass in bestimmter Höhe gewähre; Bieter A gab keine Erklärung ab. Darauf verschickte der AG eine neue Vorabinformation, wonach er dem Bieter B und nicht dem A den Auftrag erteilen wolle, weil A nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Dagegen rief A die Vergabekammer an.

Die VK gibt hier Bieter A recht. Mit der Aufforderung zur Montageterminbestätigung und zur Angabe von Preisveränderungen habe der AG unstatthafte Nachverhandlungen eingeleitet; darin liege ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot des § 15 Abs. 3 VOB/A. Nach diesem Verbot gelte für alle Bieter die Unabänderbarkeit des einmal abgegebenen Angebots. Danach dürften durch Sonderverhandlungen mit einzelnen Bietern die Preise oder Angebotsinhalte und damit die Reihenfolge der Bieter nicht geändert werden. Zu den Angebotsinhalten zählten die Leistungsinhalte, mithin auch festgelegte Termine, so dass auch eine Änderung solcher Zeitbestimmungen verboten sei. Eine unzulässige Änderung des Angebots und damit ein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot sei daher ebenfalls gegeben, wenn die Bauzeit abweichend von den Ausschreibungsbedingungen bestimmt werden solle. Von der ursprünglichen Vorgabe, dass es zunächst keine Zwischentermine und Einzelfristen gebe, sei der AG hier nachträglich abgewichen und zwar erst nach Abgabe der Angebote; dies verstoße bereits gegen das Nachverhandlungsverbot.

Neben dieser Terminabweichung habe der AG auch unstatthafte Preisverhandlungen geführt. Eine unstatthafte Preisverhandlung liege dann vor, wenn einzelne Preispositionen geändert oder nachträglich ergänzt würden. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz VOB/A sei eine Ausnahme von diesem Verbot nur dann gegeben, wenn Nachverhandlungen aufgrund des Leistungsprogramms nötig seien, um unumgängliche technische Änderungen geringeren Umfangs und daraus sich ergebene Änderungen der Preise zu vereinbaren. Unumgänglich seien solche Änderungen, wenn ohne diese die sachgerechte Durchführung des Bauvorhabens nicht möglich wäre. Diese ausnahmsweise Zulassung von Nachverhandlungen sei äußerst restriktiv auszulegen, wegen des Missbrauchsverbots seien enge Grenzen gesetzt. Im Ergebnis könnten die Nachverhandlungen nur dazu dienen, ein für sich genommen bereits zuschlagsfähiges Angebot präzisierend zu ergänzen und zu optimieren. Eine solche präzisierende Ergänzung sei hier nicht anzunehmen. Denn zum einen sei mit dem Montagetermin eine zusätzliche Zeitbestimmung gegeben, zum zweiten sei die Angabe von Mehrkosten verlangt worden, die bei Leistung zu diesem Termin entstehen würden. Damit seien neue Preisangaben gefordert und die Möglichkeit eröffnet worden, die ursprüngliche Preiskalkulation zu überarbeiten und die Bieterreihenfolge zu verändern, was unzulässig sei.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
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Anmerkung:
Die Entscheidung zeigt beispielhaft, dass das Nachverhandlungsverbot äußerst restriktiv ausgelegt wird. Insbesondere die Aufnahme neuer (zeitlicher) Leistungspflichten bzw. die Veränderung von Preisen verstoßen gegen dieses Verbot und sollten nach Angebotsabgabe seitens des AG unbedingt unterlassen werden.

  Quelle: RA Michael Werner


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