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Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb: Einmal geeignet, immer geeignet?

07.09.2021

von RA Michael Werner

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 29.03.2021 – Verg 9/21 – u. a. folgendes entschieden:

• Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Mit der positiven Eignungsprüfung wird – anders als im offenen Verfahren – ein Vertrauenstatbestand für diezum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet, so dass sie nicht damit rechnen müssen, dass ihre Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt wird.

• Mitbieter im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb haben einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens am Ende des Teilnahmewettbewerbs liegt, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands hinzunehmen.

Ein öffentlicher Auftraggeber(AG) hatte die „Programmierung von System- und Anwendersoftware“ europaweit im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben. In der Bekanntmachung wurden u. a. Referenzen aus den vergangenen 4 Jahren zum Nachweis von Projekten, die mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar waren, gefordert.

Vor Abgabe seines Teilnahmeantrags erkundigte sich Bieter A, ob die im Bereich 2 geforderten Referenzen bereits umgesetzt und in Betrieb sein müssten, was der AG bejahte. Am Teilnahmewettbewerb beteiligten sich Bieter A und B, die beide zum Verhandlungsverfahren zugelassen und darauf Angebote abgaben. Mit Vorabinformationsschreiben vom 04.12.2020 teilte der AG dem A mit, dass der Zuschlag auf das Angebot des B erteilt werden solle. Darauf rügte A, dass B keine geeignete Referenz vorgelegt habe, da sich die darin nachgewiesene Anlage nicht bereits in Betrieb befinde. Nach Nichtabhilfe seiner Rüge beantragte A die Nachprüfung zur Vergabekammer (VK), die seinen Antrag zurückwies. Dagegen erhob A sofortige Beschwerde zum OLG.

Wie die VK weist auch das OLG den Antrag des A als unbegründet zurück. Die Entscheidung des AG, das Angebot des B nicht gemäß § 57 Abs. 1 VgV von der Wertung auszuschließen, verletze den A nicht in seinem Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren aus § 97 Abs. 6 GWB.

Ein Wertungsausschluss des Angebots des B aufgrund der Vorlage einer die aufgestellten Anforderungen verfehlenden Referenz komme nicht mehr in Betracht, nachdem der AG die Eignung des B im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs bejaht und B zum Verhandlungsverfahren zugelassen habe, in dem sich dieser am Ende als Bestbieter erwiesen habe. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüfe der öffentliche Auftraggeber gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 i.V.m. § 51 VgV die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulasse. Dadurch werde mit der positiven Eignungsprüfung – anders als im offenen Verfahren – ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet, so dass sie nicht damit rechnen müssten, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf – wie hier – gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteile. Dass dieser Vertrauenstatbestand im Interesse einer fairen Risikoabgrenzung zwischen öffentlichem Auftraggeber und Bieterunternehmen einer späteren Verneinung der Eignung auf gleichbleibender Tatsachengrundlage entgegenstehe, sei ein letztlich in § 242 BGB (Treu und Glauben) wurzelnder Grundsatz, der allgemein gelte und nicht auf Bauvergabeverfahren beschränkt sei. In den Letzteren habe dieser Grundsatz mit § 16b EU Abs. 3 VOB/A 2019 lediglich eine ausdrückliche Regelung erfahren. Mitbieter im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb hätten danach einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens am Ende des Teilnahmewettbewerbs liege, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands hinzunehmen.

Ob Ausnahmen von diesem Grundsatz dann zu gelten hätten, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die fehlerhafte Bejahung der Eignung auf sachfremden, manipulativen Erwägungen beruhe, die mit den Grundsätzen des fairen Wettbewerbs und der Gleichbehandlung unvereinbar seien, könne dahinstehen, da dafür hier weder etwas vorgetragen noch ersichtlich sei. Ob die von B zum Referenzbereich 2 vorgelegten Referenzen den vom AG formulierten Anforderungen tatsächlich genügten oder nicht, könne nach alledem dahinstehen.

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Anmerkung:
Es wird immer wieder die Frage gestellt, bis zu welchem Zeitpunkt die Eignung eines Bieters noch geprüft werden kann. Nach der Rechtsprechung ist dies grundsätzlich bis zur rechtswirksamen Zuschlagserteilung möglich (siehe z.B. VK Bund, B. v. 01.03.2018 – VK 2-8/18; VK Saarland, B. v. 07.02.2018 – 3 VK 04/17) – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass entweder der AG die Eignung eines Teilnehmers von vornherein vergaberechts-fehlerhaft bejaht hat oder neue Erkenntnisse zur Eignung eines Teilnehmers bzw. Bieters vorliegen, wobei sich diese Erkenntnisse evtl. auch erst aus einem Nachprüfungsverfahren ergeben können. Danach ist auch bei einer fehlerhaften Eignungsbejahung im Teilnahmewettbewerb der Wiedereintritt in die Eignungsprüfung möglich, selbst wenn der Teilnehmer bereits zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde. Hintergrund hierfür ist der übergeordnete Grundsatz, nach dem nur geeignete Unternehmen öffentliche Aufträge erhalten dürfen (§ 122 Abs. 1 GWB). Diesem Grundsatz entspricht auch die o.g. Entscheidung. Sie betont, dass bei einer gleichbleibend tatsächlichen Grundlage, d. h. also ohne neue Erkenntnisse zur Eignung eines Bieters nach Abschluss der fehlerfreien Eignungsprüfung im Teilnahmewettbewerb sich für den Bieter ein Vertrauenstatbestand aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt, der sowohl für den AG als auch für Mitbieter verbindlich ist.

Bei Bauvergaben ist dies ausdrücklich in § 16b Abs. 3 i.V.m. § 6b Abs. 2 Nr. 3 EU-VOB/A geregelt. Wie die o.g. Entscheidung des OLG Düsseldorf nun zeigt, gilt dies im Ergebnis auch für die Vergaben von Dienst- und Lieferleistungen nach der VgV.

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