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Verkürzung der Verjährung im Abnahmeprotokoll?

23.07.2013

Wird ein Abnahmeprotokoll von beiden Vertragsparteien unterzeichnet und enthält es eine Verkürzung der ursprünglich vereinbarten Gewährleistungsfrist, so ist die in dem Abnahmeprotokoll angegebene Frist auch dann maßgeblich, wenn eine Partei zum Abnahmetermin einen vollmachtlosen Vertreter entsendet. Dessen Erklärung muss sich diese Partei nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zurechnen lassen.

Dies hat das OLG Braunschweig in einem Urteil vom 20.12.2012 (Az.: 8 U 7/12) entschieden.

Der Fall: AN fordert von AG (einer Gemeinde) die Herausgabe einer Gewährleistungsbürgschaft. Nach dem Vertrag ist die Bürgschaft nach Ablauf der Gewährleistungsfrist von fünf Jahren herauszugeben. Die Abnahme erfolgt am 05.06.2003. Im Abnahmeprotokoll heißt es hierzu allerdings: "Ende der Gewährleistung: 04.06.2008." Das Protokoll wird von einem Mitarbeiter der Gemeinde und von einem Vertreter des AN unterzeichnet. Mit Schreiben vom 02.06.2008, das AN am 05.06.2008 zugeht, rügt AG Mängel. AG meint, die Angabe des Verjährungsendes im Abnahmeprotokoll sei nicht bindend. Es habe sich um ein Versehen gehandelt, zudem habe der Mitarbeiter keine Vertretungsmacht für die Gemeinde gehabt. Daher ende die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des 05.06.2008 und AG könne die Bürgschaft noch in Anspruch nehmen.

Das Urteil: Das sieht das OLG Braunschweig ganz anders. Die individuelle Angabe des Endtermins im Abnahmeprotokoll, das von beiden Parteien unterzeichnet wurde, stellt eine - den ursprünglichen Vertrag ändernde - Vereinbarung über die Verjährung der Gewährleistungsansprüche dar. Durch die Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls haben die Parteien die Gewährleistungsfrist, die nach dem Vertrag eigentlich bis zum 05.06.2008, 24:00 Uhr, gelaufen wäre, um einen Tag verkürzt. Die Unterzeichnung des Protokolls stelle eine Willenserklärung zur Klarstellung der Gewährleistungsfrist dar. Darauf, dass der bei der Abnahme anwesende Mitarbeiter der Gemeinde keine Vertretungsmacht gehabt habe, komme es nicht an. Die Gemeinde müsse sich, da sie den Vertreter zur Abnahme entsandt habe, das Abnahmeprotokoll einschließlich der gewährleistungsverkürzenden Vereinbarung nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zurechnen lassen. Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn ein Vertragspartner zurechenbar den Anschein setzt, der von ihm entsandte Vertreter habe Vertretungsmacht. Das war hier der Fall, denn die Gemeinde hatte den Mitarbeiter zu dem Abnahmetermin geschickt und damit bei AN zurechenbar den Anschein erweckt, der Mitarbeiter sei auch zur Abnahme (einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung) befugt. Darüber hinaus sieht das OLG Braunschweig auch die vom BGH entwickelten Grundsätze zur Bindungswirkung eines Terminprotokolls als gegeben an. Das Abnahmeprotokoll stelle ein solches Terminprotokoll dar. Daher hätte AG - wollte er den Inhalt nicht gelten lassen - unverzüglich widersprechen müssen.

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Fazit: Nur ein einziger Tag macht hier den Unterschied! Die Entscheidung ist darüber hinaus erfreulich, denn sie stellt klar, dass sich auch eine Gemeinde - bei der die Vertretungsregelungen regelmäßig außerordentlich kompliziert und für den AN schwer zu durchschauen sind - nicht darauf berufen kann, ein von ihr entsandter Mitarbeiter sei gar nicht vertretungsbefugt.

Der Aufnahme des Endes der Gewährleistungsfrist bedarf es im Übrigen in einem Abnahmeprotokoll nicht. Die Frist ergibt sich dann aus dem Gesetz bzw. aus der vertraglichen Vereinbarung. Wird allerdings - wie häufig - das Gewährleistungsende im Abnahmeprotokoll ausdrücklich vermerkt, so sollte dieses Datum sehr sorgfältig vor der Eintragung in das Protokoll geprüft werden.


  Quelle: RA Michael Seitz


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