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Verstoß gegen DIN-Normen: Mangel auch ohne Schadenseintritt!

11.08.2016

von RA Michael Seitz

Der Auftragnehmer einer Bauleistung sichert stillschweigend die Beachtung der anerkannten Regeln seines Fachs, wie sie unter anderem in DIN-Normen niedergelegt sind, zu, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist. Ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik ist mangels abweichender Vereinbarung auch dann ein Mangel, wenn ein Schaden noch nicht eingetreten ist.

Dies hat das OLG Köln in einem Urteil vom 16.03.2016 (Az. 16 U 63/15) entschieden.

Der Fall: 1999 errichtet AN für AG einen Rohbau auf Basis eines BGB-Bauvertrages. Noch vor der Abnahme kommt es zum Streit wegen gravierender Mängel, welche die Standsicherheit beeinträchtigen sollen. AG fordert einen vollständigen Abriss, AN meint hingegen, die Standsicherheit könne durch Nachbesserung hergestellt werden. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger stellt fest, dass ein Teil der Mängel, (z. B. die Herstellung der tragenden Wände aus bauaufsichtlich nicht zugelassenen Luftkanalsteinen) zwar nicht nachgebessert, jedoch durch einen angemessenen Preisnachlass abgegolten werden könne. Das Landgericht weist daraufhin die auf Zahlung der Abrisskosten von € 300.000,00 gerichtete Schadensersatzklage des AG ab. AG legte Berufung ein.

Das Urteil:Und hat damit vor dem OLG Köln Erfolg. AN schulde nicht nur die Herstellung eines standsicheren, sondern eines mangelfreien Rohbaus. AG sei auch nicht verpflichtet, ein mangelhaftes Bauwerk hinzunehmen. Das gilt auch dann, wenn der Unternehmer eine Ausgleichszahlung anbietet, es sei denn, ausnahmsweise liegen die Voraussetzungen einer unverhältnismäßigen Mängelbeseitigung vor. Das war hier schon angesichts der Beeinträchtigung der Standsicherheit des Gebäudes offenkundig nicht der Fall. Auch führen die Feststellungen des Sachverständigen letztendlich dazu, dass eine Nachbesserung eben nicht möglich ist. Um eine mängelfreie und auch bauordnungsrechtlich zulässige Ausführung des Rohbaus zu gewährleisten, ist vielmehr ein Abriss des Bauwerkes erforderlich. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass hier ein Schaden noch nicht eingetreten ist.

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Fazit: Offenkundig hat hier der Sachverständige versucht, dem AN zu helfen, und das ist – zu Recht – missglückt. Kein Auftraggeber muss ein mangelhaftes Bauwerk hinnehmen und sich dafür mit einem Preisnachlass begnügen. Hier gefährdete die Ausführung, die AN wählte, offenbar sogar die Standsicherheit. Wie man vor diesem Hintergrund auf den Gedanken kommen kann, der Mangel sei durch einen Preisnachlass zu „beheben“, bleibt das Geheimnis des hier tätigen Sachverständigen. Im Übrigen ist der Sachverständige lediglich dazu berufen, einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik festzustellen. Ob es sich dabei dann um eine Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit und damit um einen Mangel handelt, ist der Feststellung des Gerichts vorbehalten. Schon gar nicht ist es Sache des Sachverständigen, zu entscheiden, wie ein solcher Mangel zu beheben bzw. abzugelten ist. Vollkommen folgerichtig verurteilt das Gericht AN zur Tragung der Abrisskosten. Dass es hier (noch) nicht zu einem Schaden kam, ist für die Frage der Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit vollkommen ohne Belang. Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, jedoch darf man wohl erwarten, dass der BGH hier nicht zu wesentlich anderen Erkenntnissen gelangt.

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