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Verstoß gegen Herstellerrichtlinien: Mangel?

20.11.2014

Zwar stellt ein Verstoß gegen die Herstellerrichtlinien nicht in jedem Fall einen Mangel dar. Sie sind jedoch zu beachten, wenn sie der Risikominimierung dienen und nicht auszuschließen ist, dass sich bei einem Verstoß gerade dasjenige Risiko realisiert, das der Hersteller mit seiner Richtlinie vermeiden wollte. In diesem Fall begründet der Verstoß die Vermutung der Mangelhaftigkeit.

Dies hat das OLG Frankfurt in einem Urteil vom 05.06.2012 (Az.: 2 U 205/11) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 06.03.2014 (Az.: VII ZR 196/12) zurückgewiesen.

Der Fall: AN führt für AG ein Wärmedämmverbundsystem an einer Sporthalle aus. Im Vertrag ist die VOB/B vereinbart. Das Leistungsverzeichnis verlangt eine Armierung der Dämmplatten mit einer Dicke von mindestens 5 mm. Als Oberputz sieht das LV Filzputz mit einer zusätzlichen, 5 mm dicken Armierungsschicht vor. AN brachte nicht den Filzputz, sondern einen Scheibenputz auf. Die zusätzlich für den Filzputz vorgesehene Armierung nahm er ebenfalls nicht vor. Noch während der Bauphase rügt AG dies unter Fristsetzung und ent-zieht AN nach Ablauf der Frist den Auftrag. Ein Sachverständiger stellt neben dem Fehlen der zusätzlichen Armierungsschicht fest, dass die durchschnittliche Dicke des Oberputzes und der Armierungsschicht sowohl die vertraglich vereinbarten Schichtdicken als auch die nach den Herstellervorgaben einzuhaltenden Werte unterschreitet. Hierdurch werde die Gebrauchstauglichkeit, nämlich die Stoßfestigkeit und Rissüberbrückungsfähigkeit des Wärmedämmverbundsystems beeinträchtigt. Das Landgericht verurteilt AN dem Grunde nach, Kostenvorschuss für die Neuherstellung des Wärmedämmverbundsystems zu leisten. Hiergegen wendet sich AN mit seiner Berufung.

Das Urteil: Damit hat AN keinen Erfolg! Das OLG bestätigt die Auffassung des Landgerichts, dass AG einen Anspruch auf Vorschuss für die Mängelbeseitigung gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B hat. Das Werk sei mangelhaft. Die vertraglich vereinbarte zweite Armierungsschicht fehle, auch die vorhandene Armierungsschicht unterschreite die vereinbarte Mindestdicke von 5 mm deutlich. Das Verlangen des AG nach vollständiger Erneuerung des Wärmedämmverbundsystems sei auch nicht unverhältnismäßig gemäß § 13 Nr. 6 VOB/B. Das Fehlen der zweiten Armierungsschicht und die unzureichende Dicke der vorhandenen Armierung widerspreche nämlich nicht nur den vertraglichen Vereinbarungen, sondern auch den Herstellerempfehlungen. Diese stehen zwar den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht gleich, dennoch sind sie zu beachten, wenn sie der Risikominimierung dienen und bei einem Verstoß nicht auszuschließen ist, dass sich hierdurch gerade das durch die Herstellervorgabe zu vermeidende Risiko realisiert. Zudem habe AN die zweite Armierungsschicht entgegen den vertraglichen Vereinbarungen eigenmächtig und vorsätzlich nicht aufgebracht. AN muss daher den Kostenvorschuss für die komplette Erneuerung des Wärmedämmverbundsystems bezahlen.

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Fazit: Letztlich hätte man hier wohl auch ohne die Erwägungen zu den Herstellerangaben zur Mangelhaftigkeit des Werkes kommen müssen. Dies folgt bereits aus § 13 Nr. 1 Satz 2 VOB/B, denn die Leistung des AN entspricht nicht der nach dem Vertrag vereinbarte Beschaffenheit. Weder wurde der Filzputz noch die zweite Armierungsschicht aufgebracht.

Dies minderte auch - wie der Sachverständige feststellte - die Gebrauchstauglichkeit des Wärmedämmverbundsystems dauerhaft, da seine Stoß- und Rissüberbrückungsfestigkeit beeinträchtigt war. Da schon aus diesem Grunde auch die Unzumutbarkeit der Mängelbeseitigung nicht gegeben war (sie kommt grundsätzlich nur bei einem Mangel in Betracht, der die Funktionalität des Bauwerks nicht beeinträchtigt), kommt es auf die Herstellerrichtlinien nicht entscheidend an. Gleichwohl sind die Ausführungen des OLG interessant, besagen sie doch, dass Herstellerrichtlinien im Zweifel wie anerkannte Regeln der Technik zu beachten sind, jedenfalls dann, wenn sie der Risikominimierung dienen, was regelmäßig der Fall sein dürfte.

  Quelle: RA Michael Seitz


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