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Verweigerung der Mängelbeseitigung bei Verschweigen eines optischen Mangels?

18.08.2015

von RA Michael Werner

Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 04.11.2014 – 21 U 23/14 – u. a. Folgendes entschieden:

• Bei Mängeln, die das bisherige Erscheinungsbild des gelieferten Werkes betreffen (optische Mängel) und mit denen keine Funktionsbeeinträchtigung einhergeht, ist im Rahmen der für den Unverhältnismäßigkeitseinwand nach § 635 Abs. 3 BGB erforderlichen Gesamtabwägung darauf abzustellen, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares (nicht nur unbedeutendes) Interesse an der (auch) optisch einwandfreien Herstellung des Werkes hat.

• Auch bei einem optischen Mangel ist der Einwand der Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn das Verhalten des Unternehmers in schwerwiegendem Maße treuwidrig ist.

Ein Auftraggeber (AG) beauftragte ein Zimmerei-Unternehmen (AN) damit, sowohl für einen Altbau als auch einen angebauten Neubau jeweils einen neuen Dachstuhl zu erstellen, wobei die Dachstühle nach der vorgegebenen Planung die gleiche Höhe aufweisen sollten. Der AN erkannte schon während der Bauphase, dass er ein falsches Maß genommen hatte und der First des Neubaus ca. 15 cm niedriger als der des Altbaus war. Der AN informierte über die sich daraus ergebenen Folgen den AG aber nicht und vertraute vielmehr darauf, dass der Dachdecker als Nachfolgeunternehmer die Höhendifferenz durch entsprechendes Eindecken des Daches ausgleichen werde; dies schlug jedoch fehl. Das erstinstanzliche Landgericht wies die Restwerklohnklage des AN ab, da sein Werk infolge des Mangels nicht abnahmereif sei. Der AN legte darauf Berufung ein, weil lediglich ein optischer Mangel vorliege, dessen Beseitigung nach § 635 Abs. 3 BGB unverhältnismäßig sei.

Das OLG weist wie das vorinstanzliche LG die Restwerklohnklage des AN ab. Auf die Abnahme komme es hier nicht mehr an, da keine Nacherfüllung mehr verlangt worden sei und damit ein Abrechnungsverhältnis vorliege. Die unterschiedliche Firsthöhe zwischen Alt- und Neubau sei unstreitig ein sog. „optischer Mangel“. Ob eine Beseitigung dieses Mangels einen unverhältnismäßigen Aufwand zu dessen Beseitigung erfordere, müsse gem. § 635 Abs. 3 BGB in einer Gesamtabwägung beurteilt werden. Ein unverhältnismäßiger Aufwand sei dann anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand (des AN) gegenüberstehe. Habe der Besteller objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages, könne ihm der Unternehmer regelmäßig die Nachbesserung wegen hoher Kosten der Mängelbeseitigung nicht verweigern.

Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit sei nur dann gerechtfertigt, wenn das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle. Von Bedeutung sei dabei auch, ob und in welchem Ausmaß der Unternehmer den Mangel verschuldet habe. Die Gesamtabwägung, insbesondere bei optischen Mängeln, sei darauf abzustellen, ob der AG ein nachvollziehbares (nicht nur unbedeutendes) Interesse an der (auch) optisch einwandfreien Herstellung des Werkes habe. Je höher dieses Leistungsinteresse des Bestellers an einem auch optisch makellosen Erscheinungsbild des bestellten Werkes sei, umso weniger könne der Werkunternehmer mit seinem Einwand aus § 635 Abs. 3 BGB gehört werden. Berühre der nur geringfügige Schönheitsfehler nur leicht das ästhetische Empfinden des Bestellers, ohne dass in objektivierbarer Form die „Wertschätzung“ gegenüber dem Werk beeinträchtigt werde, könne von einer Unverhältnismäßigkeit ausgegangen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH schließe auch ein Vorsatz des Unternehmers den Unverhältnismäßigkeitseinwand nicht generell aus.

Im vorliegenden Fall sei jedoch dem Unternehmer ein ganz erhebliches Verschulden anzulasten. Der AN habe sich hier grob schuldhaft, ja sogar rechtsmissbräuchlich verhalten. Denn ein Unternehmer, der die Beseitigung eines während der Bauphase erkannten Mangels absichtlich unterlasse, obwohl dies mit geringem Aufwand möglich gewesen wäre, handele rechtsmissbräuchlich, wenn es sich nach Vollendung des Werkes auf die Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung wegen zu hoher Kosten berufe. Die Tatsache, dass er trotz Erkennen dieses Fehlers nachfolgend nicht unmittelbar Maßnahmen ergriffen habe und diesen Fehler innerhalb des eigenen Gewerkes wieder ausgeglichen und von dem Messfehler und den sich hieraus ergebenden Folgen nicht den AG informierte habe, sondern vielmehr ersichtlich in der Hoffnung, der hieraus resultierende Versatz werde dem AG nicht auffallen, untätig blieb, rechtfertige es, das Verhalten des AN als in hohem Maße treuwidrig zu bewerten.

Sei aber das Verhalten des Unternehmers in derart schwerwiegenden Maße treuwidrig wie hier, sei ihm der Einwand der unverhältnismäßigen Kosten der Mängelbeseitigung regelmäßig abgeschnitten, soweit nicht eine Beeinträchtigung der Interessen des AG durch den Mangel ausgeschlossen sei. Bei optischen Mängeln könne dies in Betracht kommen, wenn dieser Mangel visuell überhaupt nicht wahrnehmbar oder sichtbar sei, z. B. weil das mit dem optischen Mangel behaftete Gewerk durch Nachfolgegewerke verdeckt werde. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Daher sei der Werklohn des AN nach Schätzung gem. § 634 Nr. 3, § 638 Abs. 3 BGB zu mindern.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Die Entscheidung ist deshalb von großer Bedeutung, da es in Zukunft Auftragnehmern schwerer fallen dürfte, den Einwand der Unverhältnismäßigkeit gem. § 635 Abs. 3 BGB bei Vorliegen optischer Mängel zu erheben. Das OLG weist ausdrücklich darauf hin, dass die o.g. Maßstäbe zum Unverhältnismäßigkeitseinwand nicht nur bei einer Minderung, sondern auch bei Schadenersatzansprüchen (gem. § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB und § 251 Abs. 2 BGB) Anwendung finden.

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