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Vom Tiefbau zum Glasfaserbau

28.09.2022

Einem einheitlichen Glasfasernetz in Deutschland stellen sich viele Faktoren in den Weg – diese lassen sich jedoch mit etwas Zuversicht und guter Arbeit leicht bewältigen


Die Zahl der Glasfaser-Anschlüsse in Deutschland soll Ende 2022 die 12-Millionen-Schwelle überschreiten. Dies erfreut zwar Millionen Menschen vor allem in ländlichen Gebieten, stellt viele kommunale Bauämter aber auch vor große Probleme. Denn die Vorstellung zahlloser Breitbandbaustellen bereitet ihnen Sorgen.
Um das Tempo des Ausbaus der digitalen Infrastruktur in Deutschland zu halten oder gar noch weiter zu beschleunigen, müssen nämlich zunächst zahlreiche Herausforderungen gemeistert werden. Es gilt, Defizite bei der Verwaltungsdigitalisierung aufzuholen, die Überförderung des Glasfaserausbaus zu vermeiden, den Fachkräftemangel zu beheben und nicht zuletzt die Engpässe bei den erforderlichen Tiefbauarbeiten zu bewältigen. Letztere machen etwa 80 Prozent der Investitionskosten aus und erhöhen diese stark in einem generell überhitzten Markt.


Alternativen zu konventionellem Tiefbau notwendig


Würde man Deutschland allein mit konventionellem Tiefbau, also in offener Grabenbauweise mit einer Tiefe von mindestens 60 Zentimetern erschließen wollen, wären die Ziele der Bundesregierung bis zum Jahr 2030 ein flächendeckendes Glasfasernetz bis zum Haus zu erreichen um etliche Jahre verfehlt. Die dringend notwendige Digitalisierung in allen Bereichen funktioniert nur mit einer leistungsfähigen und allen gleichermaßen zur Verfügung stehenden Infrastruktur. Die Lösung ist der konsequentere Rückgriff auf sogenannte alternative Verlegetechniken – so will es auch die Bundesregierung in besagter Gigabitstrategie.


Konkret gemeint sind damit etwa das Kabelpflugverfahren, grabenlose Verlegemethoden wie Erdraketen und Spülbohrungen, diverse Säge-, Schleif- und Fräsverfahren (Trenching) und nicht zuletzt die oberirdische Verlegung der Glasfaserleitungen über Masten. Geht es nach der Regierung, müssten diese Verfahren viel häufiger in der Praxis eingesetzt werden.
Allen Methoden ist gemein, dass sie den Glasfaserausbau deutlich beschleunigen können. In gleicher Zeit kann ein Vielfaches an Strecke bei bis zu 80 Prozent geringeren Kosten zurückgelegt werden. Im Vergleich zum konventionellen Tiefbau werden Feinstaub und Lärm vermieden, Beeinträchtigungen für Verkehr, Anwohner und Umwelt sowie die CO2-Emissionen sind in der Bauphase geringer. Zudem braucht es bei alternativen Verlegemethoden oft nur ein Viertel der Arbeitskräfte.


Die skeptische Einstellung der Baubranche


Ein relativ kleiner Teil der Baubranche engagiert sich beim Glasfaserausbau und verfügt über die notwendige Erfahrung. Die vielen lokalen Einzelbaustellen sind für die großen Baukonzerne häufig uninteressant. Darüber hinaus lehnen viele Kommunen simple Lösungen wie den Anschluss entlegener Gehöfte über oberirdische Masten kategorisch ab. Stattdessen bemühen sie sich aus Gründen der Landschaftsästhetik und Wartungsfreiheit darum, solche oberirdischen Leitungen rückzubauen.


Innovative Verlegetechniken erfordern auch, sich mit neuer Ausrüstung auseinanderzusetzen. Der jahrzehntelange Fokus auf konventionellen Tiefbau lässt so manches Bauunternehmen zweifeln, ob diese Investitionen notwendig sind – zumal Fachkräfte weiterhin Mangelware und Aufträge aus anderen Branchen genügend vorhanden sind. Viele Vertreter der Bauindustrie zweifeln an den neuen Verfahren und sagen etwa dem Trenching eine vermeintlich höhere Mängelanfälligkeit nach. Auch deswegen scheinen sich viele Ordnungsbehörden und Bauämter gegen alternative Verlegetechniken zu sträuben. Häufig ist das Erdreich allerdings schlichtweg voll mit Gas-, Wasser- und Stromleitungen. Denn die öffentliche Hand hat es früher versäumt, dezidierte Trassen für eine zukunftsfähige Digitalinfrastruktur vorzusehen und will nun keine Glasfaserleitungen darüberlegen lassen.


Regelungen des TKG bleiben oft unbefolgt


Nicht zu vergessen ist aber: Durch das Ende 2021 überarbeitete Telekommunikationsgesetz (TKG) wurden die Möglichkeiten des Einsatzes alternativer Verlegetechniken vom Gesetzgeber abermals ausgebaut. Wohlwissend um die Vorbehalte, die in den Amtsstuben diesen gegenüber herrschen. So ist bei den oben genannten Freileitungen der Kostenvorteil und Beschleunigungsaspekt bei einer Ermessensentscheidung der Kommune zwingend zu berücksichtigen.


Diese Regeln kommen aber vor Ort häufig nicht an – wie zahlreiche weitere Vorgaben, die so manche Kommune wiederum mangels Ressourcen in der Umsetzung schlichtweg überfordern. Niemand braucht sich aber vor ausländischen Bautrupps und einem qualitativ minderwertigen Ausbau sorgen. Die Arbeiter haben viel Erfahrung beim Glasfaserausbau in ihren Heimatmärkten gesammelt und bedienen hochtechnisierte Gerätschaften. Damit ist der Einsatz alternativer Techniken auch kein „Neuland“, sondern für Millionen Anschlüsse im Ausland die bewährte Regelbauweise. Diese Erkenntnisse und die ganz überwiegend guten Erfahrungen sollten entscheidend sein. Es bedarf jetzt eines Rucks bis runter in die kommunalen Verwaltungen, um die Herkulesaufgabe Glasfaserausbau in der gebotenen Geschwindigkeit zu bewältigen. Nur mit dem Willen der Akteure vor Ort kann dieses Vorhaben gelingen.

  Quelle: www.tagesspiegel.de


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