zurück

Voraussetzungen einer Behinderungsanzeige

09.04.2020

Von RA Michael Seitz

Eine Behinderungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B muss alle Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit und erschöpfend die dem Auftragnehmer bekannten Hinderungsgründe ergeben. Dabei müssen sich die Angaben auch darauf erstrecken, wann und warum die Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können.

Dies hat das OLG Oldenburg in einem Urteil vom 20.08.2019 (Az.: 2 U 81/19) entschieden. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH unter dem Az. VII ZR 192/19 anhängig.

Der Fall: AN führt für den öffentlichen Auftraggeber AG Straßenbauarbeiten aus, später fällt AN in Insolvenz. Der Insolvenzverwalter des AN verlangt von AG gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B Schadensersatz wegen vom AG verschuldeter Verzögerung der Bauzeit. AN habe seit dem Beginn der Arbeiten regelmäßig mündliche Behinderungsanzeigen erstattet, schließlich habe er am 30.06.2014 auch schriftlich Behinderung angezeigt.

Das Urteil: Das OLG Oldenburg weist die Klage ab! Es fehle bereits an einer ordnungsgemäßen Behinderungsanzeige. Zwar können Behinderungsanzeigen grundsätzlich auch mündlich erfolgen, sie müssen jedoch stets alle Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit und erschöpfend die dem Auftragnehmer bekannten Hinderungsgründe ergeben. Die Angaben in der Behinderungsanzeige müssen sich auch darauf erstrecken, ob und wann Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können. Das dies bei den mündlichen Behinderungsanzeigen der Fall war, hatte der Insolvenzverwalter des AN nicht vorgetragen. Ob die schließlich erteilte, schriftliche Behinderungsanzeige vom 30.06.2014 diese Voraussetzungen erfüllte, lässt das OLG offen, denn selbst wenn das der Fall sei, könnten daraus nach dem Sinn und Zweck der Behinderungsanzeige, den AG vor einer drohenden Inanspruchnahme zu warnen und ihm Gelegenheit zu geben, die Behinderung abzustellen, jedenfalls keine Schadensersatzansprüche für die Zeit vor der ordnungsgemäßen Behinderungsanzeige geltend gemacht werden.

Michael Seitz_1.jpg

Fazit: Gerade in Zeiten der Corona-Krise gewinnen Behinderungsanzeigen an Bedeutung. Eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige ist Voraussetzung für eine Vielzahl von Ansprüchen. Der wichtigste davon ist der Anspruch auf Bauzeitverlängerung. Aber auch der Anspruch auf Ersatz der mit der Behinderung verbundenen bauzeitabhängigen Mehrkosten setzt zunächst – wie der hiesige Fall anschaulich zeigt – eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige voraus. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn dem Auftraggeber die Tatsachen, die zu der Behinderung führen, offenkundig sind. Daran sind strenge Anforderungen zu stellen, die zudem vom Auftragnehmer zu beweisen sind. Daraus folgt für den Bauunternehmer: Eine Behinderungsanzeige sollte stets schriftlich erteilt werden, und zwar unverzüglich, sobald die Behinderung auftritt. Sie sollte sich auch nicht in Allgemeinplätzen erschöpfen, sondern konkret benennen, welcher Umstand zur Behinderung welcher Arbeiten führt.

  Quelle:


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare