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Vorschuss ohne Fristsetzung?

23.02.2023

Verlangt der Auftraggeber einen Vorschuss, so kann auf eine vorherige Fristsetzung zur Mängelbeseitigung nur dann verzichtet werden, wenn der Unternehmer die erforderliche Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert oder eine Nachbesserung durch den Unternehmer wegen Unzuverlässigkeit unzumutbar ist.

Dies hat das Kammergericht mit Urteil vom 25.02.2022 (Az.: 21 U 1099/20) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 16.11.2022 (Az.: VII ZR 69/22) zurückgewiesen.

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RA Michael Seitz


Der Fall:

AN stellt für AG auf Basis eines VOB-Vertrages ein Wärmedämmverbundsystem her. Nach Fertigstellung und Abnahme verlangt AG die Zahlung eines Kostenvorschusses für die Beseitigung aufgetretener Mängel. AN meint, AG müsse ihm zunächst Gelegenheit zur Mängelbeseitigung einräumen, welcher AN in Form einer sogenannten Aufdopplung vornehmen will. AG hingegen meint, AN sei unzuverlässig, da er eine Vielzahl von schwerwiegenden Mängeln an dem WDVS verursacht habe. Nachdem AN nicht zahlt, klagt AG den Vorschuss ein.

Das Urteil:

Und hat damit Erfolg. Das Kammergericht stellt fest, dass zwar grundsätzlich für das Verlangen eines Vorschusses eine Mängelbeseitigungsaufforderung unter Fristsetzung erforderlich sei, denn der AN habe nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht, eigene Mängel selbst zu beseitigen. Im vorliegenden Fall sei eine solche Fristsetzung jedoch entbehrlich, da AG die Nachbesserung durch AN nicht zumutbar sei. Sachverständig beraten stellt das Gericht fest, AN habe ein bauaufsichtlich nicht zugelassenes WDVS-System verwendet und dabei auch noch eine Vielzahl von ganz erheblichen Ausführungsfehlern verursacht. Nur ein vollständiger Rückbau und eine Erneuerung des WDVS könne die Mängel beseitigen. In der Zwischenzeit bestehe zudem die Gefahr von herabfallenden Bauteilen! Schließlich verstoße auch die von AN beabsichtigte Nachbesserung durch "Aufdopplung" wiederum gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik.

Fazit:

Grundsätzlich hat der AN nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein Recht, die Mängel selbst zu beseitigen. Dieses Recht zur Nachbesserung geht erst unter, wenn ihm erfolglos eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt wurde. Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen, von denen zwei besonders relevant sind: Zum einen ist eine Fristsetzung dann entbehrlich, wenn der AN die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert, zum anderen dann, wenn dem AG die Weiterarbeit mit dem AN unzumutbar ist. In beiden Fällen reicht nicht das bloße Vorliegen eines Mangels. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten. Im Falle der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung bedarf es einer klaren Erklärung des AN. Deswegen ist jedem Bauunternehmer abzuraten, etwaige Mängelbeseitigungen ohne weiteres kategorisch abzulehnen. Von Unzumutbarkeit auf Seiten des AG ist dann auszugehen, wenn etwa der AN eine unberechtigte Zuschusszahlung fordern oder - wie hier - zur Mängelbeseitigung eine erkennbar ungeeignete Maßnahme vornehmen will. Für den Regelfall gilt aber, auch und gerade gegenüber Nachunternehmern: Frist zur Mängelbeseitigung setzen und erst danach Vorschuss, Schadensersatz o. ä. in Geld verlangen!

  Quelle: RA Michael Seitz


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