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Vorsicht vor Festlegungen bei produktneutraler Ausschreibung!

08.09.2020

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit – erst jetzt veröffentlichtem – Beschluss vom 24.06.2019 – VK 1-31/19 – folgendes entschieden:

Der Bieter verspricht in einer produktneutralen Ausschreibung noch nicht die Lieferung eines konkreten Produkts, sondern nur, ein ausschreibungskonformes Produkt mittlerer Art und Güte zu liefern. Etwas anderes gilt jedoch, wenn er sich bereits vor der Zuschlagserteilung in seinem Angebot auf ein konkretes Produkt festlegt. In diesem Fall ist der Bieter an dieses Produkt gebunden.

Ein Produktdatenblatt, in dem mehrere technische Daten eines konkreten Produkts aufgezählt werden, ist so zu verstehen, dass der Bieter dieses Produkt mit sämtlichen darin genannten Daten anbietet.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Sanierung von Befeuerungsanlagen für einen Flugplatz als Bauleistung nach der EU VOB/A europaweit ausgeschrieben. Dabei hatte er die konkreten Anforderungen an die technischen Anlagen im LV beschrieben. In den beigefügten Allgemeinen Technischen Anforderungen hatte er die Bieter zur Bemusterung der Anlagen aufgefordert, wobei dem Angebot Darstellungen und technische Angaben als Unterlagen zur Bemusterung der im LV enthaltenen Bahnen – Befeuerung, Transformatoren, Primärkabel und Steckverbinder für Primärkabel – beizufügen waren. Bieter A gab ein Angebot ab und fügte seinem Angebot zahlreiche Datenblätter bei. Bei Prüfung des Angebots stellte der AG fest, dass einige Datenblätter von den Vorgaben der Leistungsbeschreibung abwichen. Er forderte A daher zur Aufklärung auf. A legte daraufhin modifizierte, geänderte Datenblätter vor. Der AG hatte A daraufhin mitgeteilt, dass die technischen Parameter der vorgelegten Datenblätter von denen des LV abwichen und schloss das Angebot aus. Nach erfolgloser Rüge stellte A darauf einen Nachprüfungsantrag, da nach seiner Ansicht sein Angebot nicht von der Leistungsbeschreibung abweiche. Die Datenblätter sollten nach seiner Auffassung lediglich einzelne bestimmte Werte des LV belegen und nicht auch für weitere Werte gelten.

Die VK gibt hier dem AG Recht. Dieser habe das Angebot zu Recht gemäß § 16 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 EU VOB/A wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen, weil das von A angebotene Produkt nicht die Anforderungen des LV erfülle. Die Vorgaben des LV seien hier nicht nur objektiv erfüllbar, sondern auch hinreichend eindeutig und deshalb von den Bietern verbindlich zu beachten gewesen. A habe im Rahmen der entsprechenden Positionen des LV ein Produkt angeboten. Dies ergebe sich aus dem von ihm zu dieser Leistungsposition mit dem Angebot vorgelegten Datenblatt für das Produkt [...]. Diese Angaben seien eindeutig, so dass das Angebot schon aus diesem Grund gar nicht auslegungsfähig sei. Doch selbst wenn man die von A mit dem Angebot abgegebenen Erklärungen gleichwohl auslegen wolle, ergebe sich zugunsten des A kein anderer Angebotsinhalt.
A trage im Nachprüfungsverfahren vor, dass er mit den von ihm vorgelegten Datenblättern lediglich die Erfüllung der geforderten lichttechnischen Werte belegen wollte und verweise auf die entsprechende Anforderung des AG unter Ziffer 3.1 des LV. Er meine, das Datenblatt zur Pos. 3.1.10 bis 30 des LV sei daher eingeschränkt nur hinsichtlich seiner Ausführungen zu lichttechnischen Werten zu lesen, nicht jedoch hinsichtlich der weiteren darin enthaltenen Angaben. In der mündlichen Verhandlung trage A vor, das Datenblatt [...] sei nur bezüglich der darin getroffenen Aussage relevant und daher von ihm vorgelegt worden, um nachzuweisen, dass „die geforderte Lichtstärke (...) eingehalten“ werde.

Maßgeblich bei der Auslegung von Willenserklärungen sei jedoch nicht die Sicht des Erklärenden, sondern die objektive Sicht eines sachkundigen, mit der konkreten Ausschreibung vertrauten Empfängers (vgl. §§ 133,157 BGB). Danach sei ein Produktdatenblatt, in dem mehrere technische Daten eines konkreten Produkts aufgezählt würden, grundsätzlich so zu verstehen, dass der Erklärende dieses Produkt mit sämtlichen darin genannten Daten anbiete. Auch sonst habe es für einen objektiven Empfänger keinen nachvollziehbaren Grund gegeben, das vorgelegte Datenblatt nur teilweise zur Kenntnis zu nehmen bzw. nehmen zu müssen. Vor allem gebe es keinen allgemeinen Erfahrungs- und damit Auslegungsgrundsatz, dass ein Bieter stets (nur) das anbiete, was den ausgeschriebenen Vorgaben entspreche, so dass sämtliche seiner Ausführungen ausschließlich unter dieser Prämisse zu lesen wären.

Gegen dieses Auslegungsergebnis spreche ebenfalls nicht, dass es sich vorliegend um eine Ausschreibung handele, in der die Bieter zumindest bei der Ausfüllung des Leistungsverzeichnisses keine konkreten Produkte benennen mussten. Dass die Bieter ihr Angebot auch in einem solchen Vergabeverfahren auf bestimmte Produkte konkretisierten, sei weder ungewöhnlich noch in rechtlicher Hinsicht unmöglich. Zwar sei dem A zuzugeben, dass ein Bieter in einer produktneutralen Ausschreibung noch nicht die Lieferung eines konkreten Produkts verspreche, sondern mangels weitergehender Angaben regelmäßig nur, ein ausschreibungskonformes Produkt mittlerer Art und Güte zu liefern (§ 243 BGB). Etwas anderes gelte jedoch, wenn sich der Bieter – wie hier – bereits vor der Zuschlagserteilung in seinem Angebot auf ein konkretes Produkt festlege. In diesem Fall sei der Bieter an das genannte Produkt gebunden und sein Angebot auszuschließen, wenn es dem Leistungsverzeichnis nicht entspreche. Da hier Bieter A etwas anderes angeboten habe als ausgeschrieben, sei sein Angebot gemäß § 16 Nr. 2 i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen auszuschließen.

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Anmerkung:
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass Bieter in einem Vergabeverfahren sehr sorgfältig agieren müssen. Hier hat der Bieter Datenblätter ohne vorherige sorgfältige Prüfung seinem Angebot beigelegt und sich damit letztlich „einen Bärendienst erwiesen“. Will man als Bieter daher nicht einen unnötigen Ausschluss aus dem Vergabeverfahren riskieren, sollte man sämtliche Angaben in beizufügenden Datenblättern sorgfältig auf ihre inhaltliche Übereinstimmung mit den Vergabeunterlagen kontrollieren. Passen diese Datenblätter dann nicht uneingeschränkt zu der vom AG ausgeschriebenen Leistung, sollte dies gegenüber dem AG im Angebot besonders angegeben bzw. deutlich kenntlich gemacht werden.

  Quelle:


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