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Vorunternehmer ist nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn!

27.10.2022

Ein Bauherr haftet nicht anteilig mit, wenn Mängel eines Vorgewerkes dazu führen, dass die Leistungen des nachfolgenden Unternehmers mangelhaft sind, denn der Vorunternehmer ist nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn. Dies hat das OLG Schleswig mit Urteil vom 8. Juli 2022 (Az.: 1 U 97/21) entschieden.

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RA Michael Seitz

Der Fall:
AG und AN schließen einen Vertrag über Dachdeckerarbeiten bei einem Neubau. Zum Leistungssoll des AN gehörten auch Abdichtungsarbeiten an den Balkonen. Die Arbeiten werden abgenommen, später kommt es zu Feuchtigkeitser-scheinungen in den Wohnungen. AG rügt Mängel der Abdichtung. AN wendet ein, die Planung sei unzureichend gewesen. Zudem hätten die Vorgewerke nicht ord-nungsgemäß gearbeitet, weshalb sich die Betonplatte absenke und ein Gegengefälle vorhanden sei. AN begehrt Restwerklohn in Höhe von 30.000,00 EUR. AG rechnet mit 72.000,00 EUR als Kostenvorschuss für die Beseitigung der behaupteten Mängel auf und macht den übersteigenden Betrag im Wege der Widerklage geltend.

Das Urteil: AN verliert seine Klage, der Widerklage wird hingegen in Höhe von 15.000,00 EUR stattgegeben. Nach Auffassung des OLG Schleswig steht AG näm-lich ein Vorschussanspruch in Höhe von 45.000,00 EUR zu. Das OLG stellt - sach-verständig beratend - fest, dass der Mängelbeseitigungsaufwand insgesamt 60.000,00 EUR beträgt. Hiervon muss sich AG ein Mitverschulden in Höhe von 25 % für die fehlende Detailplanung seines Architekten anrechnen lassen. Dieser habe die erforderliche Anschlusshöhe der Bitumenbahn an der Hauswand nicht ordnungsgemäß geplant. Das vorhandene Gegengefälle und die Absenkung der Betonplatte, die von Vorunternehmern verursacht wurden, muss sich AG hingegen nicht anrechnen lassen. Anders als der planende Architekt, sei der Vorunternehmer nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn. Vielmehr hätte AN die Mängel der Vorgewerke erkennen und darauf hinweisen müssen.

Fazit:
Die Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH. Der Architekt ist Erfüllungsgehilfe des Bauherrn mit der Folge, dass der Bauherr sich dessen (Planungs-) Fehler zurechnen lassen muss. Der Vorunternehmer soll hingegen nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn sein mit der Folge, dass sich dieser die Fehler des immerhin von ihm beauftragten Unternehmers nicht zurechnen lassen muss, weshalb auch eine anteilige Mithaftung des Bauherrn für solche Fehler des Vorunternehmers ausscheidet. Diese Rechtsprechung ist von großem Nachteil für den Auftragnehmer. Für diese Rechtsprechung spricht allerdings, dass den AN eine Hinweispflicht trifft, allerdings nur dann, wenn er die Fehler des Vorunternehmers auch erkennen kann. Diese Hinweispflicht würde leerlaufen, wenn dem Bauherrn ohnehin Fehler des von ihm beauftragten Vorunternehmers als verschulden angerechnet würden. Sind allerdings die Fehler des Vorunternehmers für den Folgeunternehmer nicht erkennbar, so führt diese Rechtsprechung zu schwer vertretbaren, weil "ungerechten" Ergebnissen. Dies gilt umso mehr, als der Folgeunternehmer mit dem Vorunternehmer in keiner vertraglichen Beziehung steht und diesen daher allenfalls über das sehr komplizierte Konstrukt der Drittschadensliquidation in Regress nehmen kann.

  Quelle: RA Michael Seitz


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