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Wann wird ein Nachtrag stillschweigend anerkannt?

09.07.2013

Streicht ein Auftraggeber bei der Schlussrechnungsprüfung eine Leistungsposition, die aus einem Nachtrag herrührt, nicht insgesamt, sondern lediglich hinsichtlich des Preises, so kann darin ein nachträgliches Anerkenntnis des Nachtrages „dem Grunde nach“ gesehen werden.

Dies hat das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 22.03.2013 (Az.: 22 U 94/11) entschieden.

Der Fall: AG (ein Generalunternehmer) und AN schließen einen Vertrag über die Durchführung von Fliesenarbeiten. Nachträglich ändern die Parteien den Vertrag dahingehend, dass die Fliesen in einem Teilbereich in geänderter Form verlegt werden sollen. Dabei ist ein Rundschnitt an den betroffenen Fliesen vorzunehmen. AG und AN vereinbaren außerdem, dass dieser Rundschnitt mittels eines Wasserstrahls durchgeführt werden soll. Tatsächlich werden die Schnitte aber manuell vor Ort vorgenommen. Obwohl der Vertrag eine Schriftformklausel enthält, wird dies nicht schriftlich vereinbart. Der Bauleiter des AG behält sich jedoch vor, dass die Fliesen bei mangelhaftem optischen Eindruck zu erneuern seien. Nachdem AG nicht freiwillig zahlt, begehrt AN mit seiner Klage eine angemessene Zulage für die durch AG geänderte Leistung. AG habe bei der Schlussrechnungsprüfung nur die Höhe des Preises, nicht jedoch die Zulage als solche gestrichen. Überdies habe der Bauleiter vor Ort die Leistung gebilligt.

Das Urteil: Das OLG Düsseldorf gibt dem AN Recht. AG habe die Leistung gemäß § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B nachträglich anerkannt. Dies könne auch stillschweigend geschehen. Maßgeblich sei allein, dass der Auftraggeber zu erkennen gebe, dass er die erbrachte Leistung als vertragliche Leistung anerkennt. Dafür reiche allerdings nicht die bloße Hinnahme. AG müsse vielmehr zum Ausdruck bringen, dass er mit der Leistung letztlich doch einverstanden sei, sie also als vertragliche Leistung billige. Solch eine Billigung sieht das OLG Düsseldorf im vorliegenden Fall darin, dass AG die abgerechnete Zulage nicht gänzlich aus der Schlussrechnung gestrichen, sondern nur der Höhe nach gekürzt und zudem mit dem Vermerk „vor Ort geschnitten“ versehen habe. Auch die von AN angegebene Menge habe AG akzeptiert. Damit habe AN auch die Art der Ausführung (manuelle Schnitte vor Ort) grundsätzlich als vergütungspflichtig anerkannt, denn er hat nur die Höhe der Vergütung in Abrede gestellt. Ist die Vergütung nur der Höhe nach streitig, kann darin das Anerkenntnis eines Vergütungsanspruches dem Grunde nach liegen.

AG kann sich auch nicht darauf berufen, dass entgegen der entsprechenden Vertragsklausel der Nachtrag nicht schriftlich beauftragt wurde. Auf das Schriftformerfordernis habe AG durch das nachträgliche Anerkenntnis stillschweigend verzichtet. Dafür spricht auch das Verhalten des Bauleiters, der zum Ausdruck gebracht habe, dass manuell geschnittene Fliesen nur dann erneuert werden müssten, wenn der optische Eindruck nicht einwandfrei sei. Damit habe sich AG mit diese Ausführungsart unter dem Vorbehalt einverstanden erklärt, dass der optische Eindruck „stimme“.

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Fazit: Die Entscheidung ist sehr zu begrüßen, stellt sie doch - im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH - noch einmal klar, dass trotz entsprechender Schriftformklauseln ein stillschweigendes Anerkenntnis von Nachtragsleistungen möglich ist. Allerdings sollte sich ein Handwerker darauf niemals verlassen. Die Abgrenzung zwischen der bloßen Hinnahme der Leistung durch den Auftraggeber und seiner aktiven, wenn auch stillschweigenden Zustimmung ist ein schmaler Grat, bei dem der entscheidende Richter viel Beurteilungsspielraum hat. Zudem steht zu befürchten, dass Bauherren streitige Nachträge nun lieber gleich ganz streichen, um einem Anerkenntnis zu entgehen.


  Quelle: RA Michael Seitz


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