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Was ist eine „rechtsverbindliche“ Unterschrift in einem Angebot?

08.02.2013

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20. November 2012 – X ZR 108/10 – Folgendes entschieden:

Der Erklärungswert der vom öffentlichen Auftraggeber vorformulierten Vergabeunterlagen ist gemäß den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden, auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter abstellenden Grundsätzen zu ermitteln.

Der gestellten Vergabebedingung einer „rechtsverbindlichen“ Unterzeichnung des Angebots kommt lediglich der Erklärungsgehalt zu, dass der Unterzeichner bei Angebotsabgabe über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt haben muss.

Eine Gemeinde hatte Bauleistungen für eine Friedhofserweiterung öffentlich ausgeschrieben. Den Vergabeunterlagen lag ein Vordruck bei, der ein Feld für eine „rechtsverbindliche Unterschrift“ und einen Stempel des Bieters enthielt mit dem daneben zu findenden Hinweis: „Wird das Angebotsschreiben nicht an dieser Stelle rechtsverbindlich unterschrieben, gilt das Angebot als nicht abgegeben.“

Der klagende Bieter hatte ein Angebot abgegeben, das von einer Angestellten ohne einen Vertretungszusatz unterzeichnet und mit dem Firmenstempel des Bieters versehen war. Die Angestellte war intern zur Unterschrift berechtigt. Dieses Angebot des Bieters war letztlich das preisgünstigste. Die Gemeinde hob darauf das Verfahren wegen nicht gesicherter Finanzierung auf und beauftragte nach Beschränkter Ausschreibung, an der sie den Bieter nicht beteiligte, das Angebot eines Wettbewerbers. Darauf machte der Bieter sein positives Interesse als Schaden gerichtlich geltend und legte gegen das abweisende Urteil des OLG Revision beim BGH ein.

Der BGH gibt der Klage des Bieters Recht. Es liege ein wirksames Angebot vor. Mit der Unterschriftsklausel habe die Gemeinde als Vergabestelle eine vorformulierte Vergabebedingung gestellt. Welcher Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukomme, sei nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung des Umstandes zu ermitteln, dass die Vergabeunterlagen von der Vergabestelle vorformuliert seien. Maßgeblich für das Verständnis sei dabei der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter. Nach dem Verständnis des angesprochenen Bieterkreises sei der Unterschriftsklausel der Erklärungsgehalt beizumessen, dass der Unterzeichner bei Angebotsabgabe über die erforderliche Vertretungsmacht verfügen müsse. Das sei hier jedoch der Fall. Es wäre mit dem Gebot der klaren und der eindeutigen Abfassung von Vergabeunterlagen unvereinbar, der Klausel aufgrund der Hinzufügung des Begriffes „rechtsverbindlich“ den Erklärungsgehalt zuzumessen, zusammen mit dem Angebot müsse die Bevollmächtigung des Unterzeichners dokumentiert werden, wenn es sich nicht um gesetzliche Vertreter oder Prokuristen handele.

Das Angebot eines sog. „Formkaufmanns“ sei im Sinne der Unterschriftsklausel nicht nur dann „rechtsverbindlich“ unterschrieben, wenn es die Unterschrift des gesetzlichen Vertreters oder eines Prokuristen aufweise, oder ein Dritter seiner Unterschrift zumindest einen Vertretungszusatz hinzugefügt habe. Das Gesetz sehe nämlich bei „Formkaufleuten“ eine „rechtswirksame“, nicht aus dem Handelsregister ersichtliche Vertretung durch andere Personen als die gesetzlichen Vertreter und Prokuristen vor (§ 54 Abs. 1 HGB) und unterscheide generell zwischen dem Bestehen von Vertretungsmacht und deren Nachweis. Im vorliegenden Falle sei daher das Angebot rechtsverbindlich unterschrieben und daher wirksam.

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Anmerkung:

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Auch trotz der über § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A hinausgehenden Anforderungen bedarf es keiner besonderen Darlegung der Vertretungsbefugnisse der unterzeichnenden Person. Bekanntlich kann die Vollmacht nach BGB auch mündlich wirksam erteilt werden (§ 167 BGB). Auch ist es nicht entscheidend, ob die Vollmacht aus dem Handelsregister zu ersehen ist, denn auch Handlungsbevollmächtigte sind gemäß § 54 HGB zur Vornahme bestimmter Geschäfte befugt, ohne dass die Handlungsvollmacht im Register eingetragen werden kann.

  Quelle: RA Michael Werner


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