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Was sind Referenzen zu „vergleichbaren Leistungen“?

10.11.2020

von RA Michael Werner

Das OLG Celle hat mit – erst jetzt veröffentlichtem – Urteil vom 23.05.2019 – 13 U 72/17 – u. a. folgendes entschieden:

• Referenzen zu „vergleichbaren Leistungen“ erfordern nicht gleiche oder gar identische Leistungen. Die Leistungen müssen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad haben.

• Referenzlisten besagen wenig über die Eignung als solche, sondern versetzen die Vergabestelle erst in die Lage, sich bei früheren Auftraggebern über die Qualitäten eines Bieters zu erkundigen.

• Eine Erkundigungspflicht der Vergabestelle besteht jedenfalls dann, wenn sie die Eignung des Bieters gerade unter Hinweis auf den vermeintlich nicht
vergleichbaren Inhalt der Referenzleistungen ohne weitere Aufklärung verneint.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Bauleistungen zur Betonsanierung national öffentlich ausgeschrieben. Zum Nachweis ihrer Eignung hatten die Bieter das Formblatt „Eigen-erklärung zur Eignung“ (Formblatt 124) vorzulegen. Erst auf gesondertes Verlangen des AG waren u. a. drei Referenzen über vergleichbare Leistungen zu übergeben. Bieter A gab bereits mit seinem Angebot 3 bestätigte sowie 17 weitere Referenzen ab. Nach Submission lag sein Angebot auf Platz eins. Der AG schloss in der Folge das Angebot des A wegen nicht nachgewiesener Eignung aus und erteilte den Zuschlag an einen anderen Bieter. Begründet wurde der Ausschluss damit, dass die Referenzen keine Betonsanierung betreffen würden. A machte darauf erfolglos vor dem Landgericht Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns geltend und legte Berufung zum OLG ein.

Das OLG gibt Bieter A Recht und erkennt ihm einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 und § 241 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis zu, da der AG den A zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen habe. Es habe weder ein Ausschlussgrund wegen fehlenden Eignungsnachweises gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A noch ein solcher wegen Unauskömmlichkeit des Angebots gem. § 16 Abs. 6 VOB/A vorgelegen. Zwar stehe dem AG bei der Eignungsprüfung eines Bieters grundsätzlich ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Überprüfung der Vergleichbarkeit sei deshalb darauf beschränkt, ob der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und bei der Eignungsprüfung berücksichtigt worden sei sowie allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden seien. A habe zunächst in der beigefügten Eigenerklärung versichert, in den letzten drei Jahren „vergleichbare Leistungen“ ausgeführt zu haben. Mehr als diese Erklärung habe der AG für die erstmalige Angebotsabgabe nicht gefordert. Der AG habe in der Ausschreibung nur zur Voraussetzung gemacht, dass der Bieter Erfahrungen mit vergleichbaren Aufträgen nachweise. Anforderungen zu den Leistungen, die mit der zu vergebenden Leistung „vergleichbar“ seien, habe der AG in der Ausschreibung nicht näher definiert. Bei dem Begriff „vergleichbare Leistung“ handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen sei. Dabei bedeute die Formulierung „vergleichbar“ nicht „gleich“ oder gar „identisch“, sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hätten. Die Referenzen für die Ausführung vergleichbarer Leistungen seien Teil einer Prognosegrundlage für die (spätere) Phase der Leistungserbringung. Deshalb gehe es nicht um einen „1:1-Vergleich“ bereits abgearbeiteter Aufträge mit dem zu vergebenden Auftrag, sondern allein darum, ob im Hinblick auf bereits durchgeführte Aufträge die Prognose gerechtfertigt sei, dass die fachliche und technische Leistungsfähigkeit auch im Hinblick auf den zu vergebenden Auftrag gegeben sei. Diese Auslegung des Begriffs der „Vergleichbarkeit“ werde auch regelmäßig dem Sinn des Vergabeverfahrens und dem Wettbewerb gerecht, da anderenfalls alle Bewerber, die die ausgeschriebene Leistung bisher nicht oder nicht so in ihrem Programm hätten, von vornherein ausgeschlossen wären. Nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, aber auch ausreichend sei deshalb die Vorlage solcher Referenzleistungen, die der ausgeschriebenen Leistung soweit ähnelten, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters auch für die ausgeschriebene Leistung ermöglichten. Referenzlisten besagten dagegen wenig über die Eignung als solche, sondern versetzten einen AG erst in die Lage, sich bei früheren Auftraggebern über die Qualitäten eines Bieters zu erkundigen. Zwar folge aus der Forderung nach einer Liste mit vergleichbaren Referenzobjekten nicht ohne weiteres die Verpflichtung eines AG, zu allen Referenzobjekten Erkundigungen einzuholen. Im vorliegenden Fall sei jedoch von einer Erkundigungspflicht des AG auszugehen, bevor er die materielle Eignung des A gerade unter Hinweis auf den vermeintlich nicht vergleichbaren Inhalt der Referenzleistungen ohne weitere Aufklärung verneint habe.

Der AG hätte ferner im Wege der Aufklärung nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A von A die Erläuterung seiner vorgelegten Referenzen verlangen können und sich nähere Einzelheiten zum Inhalt und zur Ausführung der aufgeführten Aufträge darlegen lassen können. Beides habe der AG hier nicht getan. Insbesondere hätte der AG, bevor er die Eignung des Klägers für „Betonsanierungsarbeiten“ verneinte, bei A nachfragen können, ob und in welchem Umfang solche Arbeiten in den Referenzleistungen enthalten seien bzw. ob die ausgeführten Arbeiten einen vergleichbaren technischen Schwierigkeitsgrad hätten wie die ausgeschriebenen Leistungen. Auf eine solche Nachfrage hätte A hier jedenfalls die Auftragsbestätigungen mit einer detaillierten Leistungsbeschreibung vorlegen können. Diese hätten hier sehr wohl teilweise Positionen für „Betonsanierung“ bzw. „Betonrisse sanieren“ enthalten. Zwar sei der AG wegen des ihm in § 15 VOB/A eingeräumten Ermessens nicht grundsätzlich zur Aufklärung verpflichtet. Er dürfe seine Wertungsentscheidung aber nicht – wie hier – auf einen unvollständig aufgeklärten Sachverhalt stützen, der einseitig zu Lasten des Bieters gehe.

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Anmerkung:
Für Auftraggeber ist die Entscheidung deshalb von Interesse, da sie Anhaltspunkte zur Definition von „vergleichbaren Leistungen“ und der Aufklärung zu den seitens der Bieter vorgelegten Referenzen gibt. Bietern ist dagegen zu raten, jeweils bei jeder Referenz die Kontaktdaten des früheren Auftraggebers bzw. Referenzgebers anzugeben, um es dem aktuellen Auftraggeber zu ermöglichen, die Referenz zu überprüfen. Fehlen solche Angaben mit der Folge, dass der AG die Referenz nicht überprüfen kann, kann der AG im Zweifel von einem nicht erbrachten Eignungsnachweis ausgehen.

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