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Was und wie gebaut wird, legt der Auftraggeber fest!

08.12.2020

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Nordbayern hat mit Beschluss vom 16.09.2020 – RMF – SG21-3194-5-34 – folgendes entschieden:

• Nach § 7 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2019 ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreicheVorarbeiten berechnen können. Die Leistungsbeschreibung muss für alle Bieter in gleicher Weise zu verstehen sein, d. h. Vorgaben dürfen keinen Spielraum für unterschiedliche Auslegungen zulassen.

• Der Auftraggeber kann frei entscheiden, wie er Bauleistungen verwirklichen lassen will, so dass er grundsätzlich die Leistung nach Art und Umfang in der Leistungsbeschreibung definieren kann. Es ist nicht die Aufgabe der Nachprüfungsinstanzen, zu überprüfen, ob der Bedarf sinnvoll definiert wurde oder ob andere Varianten vorteilhafter bzw. wirtschaftlicher wären.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte für einen Neubau Aushub- und Erdbewegungsarbeiten im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Zur Bestimmung der Bodenbeschaffenheit hatte er der Leistungsbeschreibung ein Gutachten eines Ingenieurbüros beigefügt, aus dem hervorging, dass die vorgefundenen Böden gemäß LAGA bis Z1.2 einzustufen waren.

Bieter A verlangte darauf präzisere Angaben zur Bodenbelastung, worauf der AG auf das beigefügte Bodengutachten verwies. Damit gab sich Bieter A aber nicht zufrieden. Er rügte die Angaben im LV als zu unbestimmt und erkannte darin einen Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (§ 7 Abs. 1 EU VOB/A); ohne eine genaue Angabe der einzelnen Schadstoffklassen seien bestimmte Positionen nicht kalkulierbar. Nachdem der AG der Rüge nicht abhalf, stellte A Antrag auf Nachprüfung, in dem er geltend machte, dass die Leistungsbeschreibung ihm ein ungewöhnliches Wagnis gem. § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A aufbürden würde.

Die VK gibt hier dem AG Recht. Entgegen der Ansicht des Bieters A sei ein Verstoß gegen § 7 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A nicht festzustellen. Nach dieser Vorschrift sei die Leistung so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass die Vorgaben keinen Spielraum für unterschiedliche Auslegungen zulassen dürfe (siehe Entscheidungs-Tenor Nr. 1). Diesen Vorgaben genügten hier die Positionen im LV. Dort sei die Schadstoffklasse für den Bodenaushub mit „bis Z1.2 LAGA“ festgelegt. Daraus müsse ein kundiger Bieter lesen, dass er die Entsorgung von Böden der Schadstoffklasse bis Z1.2 zu kalkulieren habe, d.h. auch die Zuordnungswerte mit geringerem Schadstoffgehalt (= Z0 und Z1.1). Es obliege dem Aufgabenbereich des AG, bei Erstellung des Leistungsverzeichnisses den Anteil der Schadstoffklassen des Bodenaushubs festzulegen. Es ist nicht zu beanstanden, dass der AG den Schadstoffgehalt des Bodens bis Z1.2 LAGA festgelegt habe. Bieter A könne nicht wirksam fordern, der AG hätte den Bodenaushub in weitere Schadstoffklassen differenzieren müssen. Der Auftraggeber könne frei entscheiden, wie er Bauleistungen verwirklichen lassen wolle, so dass er grundsätzlich die Leistung nach Art und Umfang in der Leistungsbe-schreibung definieren könne. Es sei nicht die Aufgabe der Nachprüfungsinstanzen, zu überprüfen, ob der Bedarf sinnvoll definiert worden sei oder ob andere Varianten vorteilhafter bzw. wirtschaftlicher gewesen wären. Nach Einschätzung der Vergabekammer werde den Bietern hier auch kein ungewöhnliches Wagnis gem. § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auferlegt. Der Vorwurf des A, ein Aktenvermerk des AG würde zusätzliche Erkenntnisse beinhalten, die für die Kalkulation maßgeblich und den Bietern vergaberechtswidrig vorenthalten worden seien, sei unzutreffend. Auch die Berücksichtigung dieses Aktenvermerks würde nämlich zu keinem anderen Ergebnis führen. In diesem Vermerk habe der AG auf der Grundlage der Ergebnisse aus einem Bodengutachten und der örtlichen Gegebenheiten festgestellt, wie der vorgefundene Boden nach seiner Auffassung einzustufen sei. Es handele sich somit lediglich um eine Einschätzung des AG auf der Grundlage eines Bodengutachtens, das den Vergabeunterlagen beigelegen habe. Der AG habe keine zusätzlichen Erkenntnisse gehabt, die er den Bietern zur Kalkulation ihres Angebotes hätte mitteilen müssen. Dies bedeute, dass die Bieter entsprechend der beigefügten Gutachten auch selbst die Schadstoffklasse des Bodens einschätzen hätten können.

Es liege auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vor. Alle Bieter und der AG hätten die gleichen Erkenntnisse gehabt. Die tatsächlichen Zuordnungswerte des zu entsorgenden Materials stünden vielmehr erst nach der Beprobung des ausgebauten Materials fest.

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Anmerkung:
Nach ständiger Rechtsprechung hat der AG im Rahmen der Vergabegrundsätze (z. B. § 7 EU VOB/A) bei der Bestimmung seines Beschaffungsbedarfs und damit der Leistungsbeschreibung einen relativ weiten Beurteilungsspielraum, der auch von den Nachprüfungsinstanzen nur begrenzt überprüfbar ist (s.o. Tenor Nr. 2). Zwar muss der AG seinen Beschaffungsbedarf vollständig und zutreffend ermitteln, wobei es sich auch nicht von sachwidrigen Erwägungsgründen leiten lassen darf. Allerdings muss er die geforderte Leistung auch nicht bis ins kleinste Detail ausdifferenziert beschreiben. Vielmehr kann er erwarten, dass sich Bieter – die in aller Regel auch fachlich spezialisiert sind – intensiv mit der Leistungsbeschreibung auseinandersetzen und mit den diesem beigefügten fachlichen Gutachten bei der Angebotserstellung arbeiten können.

  Quelle:


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