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Wer trägt das „Baugrundrisiko“?

23.07.2015

von RA Michael Seitz

Die Auffassung, der Baugrund sei ein vom Auftraggeber zur Verfügung gestellter Baustoff, für den der Auftraggeber stets einzustehen habe, ist unzutreffend. Vielmehr sind die Hauptpflichten aus dem geschlossenen Werkvertrag maßgeblich. Deshalb sind auch öffentliche Auftraggeber nicht gehindert, dass „Baugrundrisiko“ auf den Auftragnehmer abzuwälzen.

Dies hat das OLG München in einem Urteil vom 10.12.2013 (Az.: 28 U 732/11 Bau) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Beschluss vom 23.04.2015 (Az.: VII ZR 49/14) zurückgewiesen.

Der Fall: AG, ein öffentlicher Auftraggeber, und AN schließen einen Bauvertrag über die Herstellung eines Trinkwasserbrunnens unter Einbeziehung der VOB/B. Später kündigt AG den Vertrag, nachdem AN wegen „nicht erkennbarer Anomalien“ im Baugrund Bohrrohre nicht ziehen kann, was zu einem Ölunfall bei den Bohrarbeiten führt. AN ist der Auffassung, die Verantwortung für den Baugrund trage AG. AG verlangt Rückzahlung von Werklohn sowie Mehrkosten, die ihm durch die Ersatzvornahme entstanden sind.

Das Urteil: Zwar weist das OLG die Klage des AG größtenteils ab. Es äußert sich jedoch interessanterweise, ohne dass es darauf für den hier zu entscheidenden Fall noch maßgeblich ankommt, auch zum so genannten „Baugrundrisiko“: Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH beurteilt das OLG die Auffassung des AN, Baugrund sei ein vom AG gestellter Baustoff, für dessen Beschaffenheit AG stets und unabhängig von den Regelungen des Werkvertrages einzustehen habe, als unzutreffend. Entscheidend seien vielmehr die Hauptpflichten aus dem Werkvertrag, und zwar selbst dann, wenn die erfolgreiche Durchführung der Arbeiten von ungeklärten Bodenverhältnissen abhängt. Ein spezifisches Baugrundrisiko, für dessen Verwirklichung stets der AG einzustehen habe, gibt es nach Auffassung des OLG München nicht. Vielmehr steht es den Parteien stets frei, jegliches Wagnis zu vereinbaren. Dies gelte auch für den öffentlichen Auftraggeber. Im vorliegenden Fall kommt das OLG allerdings zu dem Schluss, dass die Leistungsbeschreibung nicht so ausgelegt werden könne, dass AN verschuldensunabhängig für alle sich aus der Bodenbeschaffenheit ergebenden Risiken haften sollte. Im konkreten Fall war dem AN aber ein Verschulden trotz teilweise vertragswidriger Leistungserbringung nicht nachzuweisen. Demnach war die Kündigung unwirksam und es fehlte daher an einem Anspruch auf Rückzahlung von Werklohn und die Erstattung von Mehrkosten.

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Fazit: Der Bauunternehmern häufig vorgetragene Lehrsatz, das Baugrundrisiko trage der Auftraggeber, ist falsch! Vielmehr ist – wie immer – zunächst einmal der Inhalt des Werkvertrages zu prüfen und dabei festzustellen, wem das Baugrundrisiko nach diesem Vertrag zugewiesen ist. Soweit das OLG München im konkreten Fall feststellt, dass dem AN das Risiko, andere als die von ihm angenommenen Bodenverhältnisse vorzufinden, nur bei Vorliegen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit (Verschulden) zuzuweisen sei, so betrifft die hiesige Entscheidung einen Einzelfall, der sicher nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr hängt die Zuweisung des Risikos, dass der vorgefundene Baugrund nicht den angenommenen Verhältnissen entspricht, stets von der Auslegung des geschlossenen Vertrages ab. Soweit das OLG hier ausdrücklich betont, dass dies auch für den öffentlichen Auftraggeber gelte, kann man dies aus Sicht der Bauunternehmer sicherlich nicht begrüßen, es entspricht aber der BGH-Rechtsprechung. Dem Unternehmer ist also stets zu raten, den Vertrag genau zu lesen und – wenn das Risiko der vorgefundenen Bodenverhältnisse ihm zugewiesen ist – den Baugrund vorher genau zu untersuchen oder aber von einem Vertragsschluss ganz Abstand zu nehmen.

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