zurück

Wichtige Änderungen im Schweizer Mehrwertsteuerrecht

06.12.2017

für ausländische Unternehmen ab 2018/2019 (1/2)

Zum 01.01.2018 bzw. 01.01.2019 treten im Schweizer Mehrwertsteuerrecht weitreichende Änderungen für ausländische Unternehmen in Kraft.

Diese Änderungen führen dazu, dass eine grosse Anzahl von Unternehmen mit Sitz im Ausland neu in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig wird. Ausländischen Unternehmen wird daher dringend empfohlen, ihre Schweizer Geschäftsvorfälle im Hinblick auf die nachfolgenden Änderungen zu überprüfen.

Änderungen per 01.01.2018 bei der Steuerbefreiung aufgrund der Umsatzgrenze

a) Steuerbefreiung aufgrund der Umsatzgrenze
Neu sind unter anderem folgende Unternehmen von der Steuerpflicht befreit (Artikel 10 Absatz 2 nMWSTG):
Unternehmen, die innerhalb eines Jahres im In- und Ausland Umsätze von weniger als CHF 100.000,- aus Leistungen erzielen, die nicht von der Steuer ausgenommen sind Unternehmen, die Dienstleistungen nach dem Empfängerortsprinzip erbringen (dies gilt nicht für Telekommunikations- oder elektronische Dienstleistungen an nicht steuerpflichtige Empfänger)

Das geltende Recht kennt bereits eine Steuerbefreiung bei Umsätzen von weniger als CHF 100.000,-. Bis zum 31.12.2017 fliessen in die Bemessungsgrundlage der CHF 100.000,- jedoch nur die Umsätze ein, die in der Schweiz erzielt werden.

Mit der Neuregelung ändert sich die Bemessungsgrundlage der CHF 100.000,– dahingehend, dass nicht mehr nur die in der Schweiz ausgeführten Umsätze, sondern die Weltumsätze (und damit auch die deutschen Umsätze) eines Unternehmens berücksichtigt werden. Dies führt dazu, dass de facto die CHF 100.000-Grenze nur noch bei sehr wenigen Kleinstunternehmen eine Rolle spielen wird, d. h. nur noch bei den Unternehmen, die mit ihren Weltumsätzen unter CHF 100.000,- bleiben.

b) Ort der Lieferung und Dienstleistung
Weiterhin ist aber für eine mehrwertsteuerliche Registrierungspflicht Voraussetzung, dass das ausländische Unternehmen in der Schweiz steuerbare Umsätze ausführt. Dabei ist zu beachten, dass die Regelungen für die Bestimmungen des Ortes der Lieferung bzw. Dienstleistung durch die Gesetzesrevision nicht geändert werden.

In Erinnerung zu rufen ist in diesem Zusammenhang, dass die Abgrenzung zwischen Lieferungen und Dienstleistungen im Schweizer MWSTG sowohl vom deutschen Umsatzsteuerrecht als auch vom Sprachgebrauch abweicht. Beides führt vielfach zu einer fehlerhaften Beurteilung der Leistungsortsbestimmung und infolgedessen der MwSt.-Pflicht in der Schweiz. Das Schweizer MWSTG folgt einem weiten Lieferbegriff, der den Anwendungsbereich für eine Dienstleistung sehr stark verkleinert.

Wird ein Gegenstand durch den Lieferanten selbst oder für dessen Rechnung durch einen Dritten installiert, repariert, montiert oder sonst bearbeitet, beginnt die Lieferung – ungeachtet der Inbetriebnahme – mit der Aufnahme der Tätigkeit am Ort der Installation, der Reparatur oder der Montage. Die Lieferung gilt in der Folge als dort erbracht, wo die werkvertragliche Leistung vorgenommen beziehungsweise wo der Gegenstand abgeliefert wird. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Inbetriebnahme durch den Lieferanten oder den Abnehmer erfolgt.

c) Beispiel: Lieferung und Montage
Sachverhalt: Das in Deutschland ansässige Unternehmen A erhält einen Auftrag vom in der Schweiz ansässigen Unternehmen CH (alternativ: von einem in Deutschland ansässigen Auftraggeber DE) auf Lieferung und Montage einer Anlage in der Schweiz. Der Umsatz des Auftrages beträgt gesamthaft CHF 50.000,-, der Weltumsatz des Unternehmens liegt über CHF 100.000,-.

Lösung: In der Schweiz handelt es sich bei der Lieferung und Montage aufgrund des weiten Lieferbegriffs im Schweizer Recht um eine Lieferung.

Rechtslage bis 31.12.2017: Der Umsatz beträgt insgesamt nur CHF 50.000,-. Für A ist aufgrund des Umsatzes die Befreiung von der Steuerpflicht einschlägig. A stellt CH (alternativ: DE) eine Netto- Rechnung. A kann aber – auch nicht im Vergütungsverfahren – die Schweizer Vorsteuern geltend machen. Wenn er dies wollte, müsste er auf die Befreiung von der Steuerpflicht verzichten und sich in der Schweiz registrieren lassen.

Rechtslage ab 01.01.2018: A muss sich in der Schweiz registrieren lassen, da er die Befreiung von der Steuerpflicht aufgrund der Umsatzgrenze nicht geltend machen kann. Er muss einen Fiskalvertreter bestimmen (z. B. die Handelskammer Deutschland-Schweiz) und seine Rechnung an CH (alternativ: DE) mit Schweizer MwSt. fakturieren.

Gleichzeitig kann er Schweizer Vorsteuern geltend machen.

 

Änderungen – Teil (2/2)

Änderungen per 01.01.2018 bei der Bezugsteuer
Wichtig für ausländische Unternehmen ist auch die Neuordnung der Bezugsteuer in den Artikeln 45 ff. nMWSTG. Die Bezugsteuer bedeutet, dass nicht das leistende Unternehmen die Versteuerung des Umsatzes vorzunehmen hat, sondern unter bestimmten Voraussetzungen der Schweizer Leistungsempfänger (Unternehmer wie auch Privatperson). Ausländische Unternehmen, die die Bezugsteuer anwenden können, haben den Vorteil, dass sie sich nicht in der Schweiz mehrwertsteuerlich registrieren lassen müssen. Der Bezugsteuer unterliegen neu folgende Fälle (exemplarisch):

a) Dienstleistungen nach dem Empfängerortsprinzip
Dienstleistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland, die nicht im Schweizer MwSt.-Register eingetragen sind, unterliegen der Bezugsteuer, sofern sich der Ort der Leistung nach der Grundregel des Empfängerortsprinzips (Artikel 8 Absatz 1 nMWSTG) in der Schweiz befindet. Dies gilt nicht für Telekommunikations- oder elektronische Dienstleistungen an nicht steuerpflichtige Empfänger.
Beispiel: Der in Deutschland ansässige Rechtsanwalt D erbringt Rechtsberatung an einen in der Schweiz ansässigen Klienten CH.

Lösung: Für diese Beratungsleistung ist nach dem Empfängerortsprinzip der Ort der Dienstleistung in der Schweiz. D wird allerdings durch diese Leistung nicht steuerp ichtig. Vielmehr muss CH den Bezug der Dienstleistung versteuern, sofern er bei der Inlandsteuer steuerpflichtig ist oder im Kalenderjahr für mehr als CHF 10.000,- solche Leistungen bezieht. D kann Vorsteuern aus Eingangsrechnungen mit Schweizer MwSt. im Vergütungsverfahren bis zum 30.06. des Folgejahres via Fiskalvertreter (z. B. Handelskammer Deutschland-Schweiz) geltend machen.

b) Lieferungen von unbeweglichen Gegenständen durch ausländische Unternehmen
Ein Fall der Bezugsteuer liegt auch vor bei
• Lieferungen von unbeweglichen Gegenständen im Inland
• Lieferung durch ein im Ausland ansässiges Unternehmen
• Das ausländische Unternehmen ist nicht im Schweizer MwSt.-Register eingetragen
• Die Lieferungen unterliegen nicht der Einfuhrsteuer
• Es handelt sich nicht um ein Überlassen des Gegenstandes zum Gebrauch oder zur Nutzung

Als Lieferungen von unbeweglichen Gegenständen sind insbesondere die Leistungen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes anzusehen, wie sie in Artikel 5 der Verordnung vom 21. Mai 2003 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (EntsV) umschrieben werden.

Nach dieser Verordnung sind dies Tätigkeiten im Zusammenhang mit Bauten, namentlich: Aushub- und Erdarbeiten, eigentliche Bauarbeiten, Errichtung und Abbau von Fertigbauelementen, Einrichtung oder Ausstattung, Umbau, Renovierung, Reparatur, Abbauarbeiten, Abbrucharbeiten, Wartung, Instandhaltung (Maler- und Reinigungsarbeiten) und Sanierung.

c) Beispiel: reine Montage (Auftraggeber mit Sitz in Deutschland)
Beispiel: Der in Deutschland ansässige Handwerksbetrieb A verlegt im Auftrag des in Deutschland ansässigen Auftraggebers DE Fliesen. DE verfügt über eine Schweizer MwSt.-Nummer. Die Fliesen und sämtliches Material stellt DE bereit. A nimmt keinerlei Gegenstände in die Schweiz mit, die der Einfuhrsteuer unterliegen. A ist nicht im Schweizer MwSt.-Register eingetragen. Der Umsatz des Auftrages beträgt CHF 3.000,-, der Weltumsatz von A liegt bei CHF 90.000,- (Alternative: Weltumsatz des A über CHF 100.000,-).

Lösung: In der Schweiz handelt es sich bei der reinen Montage aufgrund des weiten Lieferbegriffs im Schweizer Recht um eine Lieferung.

Rechtslage bis 31.12.2017 (Grundfall und Alternative gleich): Der Umsatz in der Schweiz beträgt insgesamt CHF 3.000,-. Für A ist aufgrund der Umsatzhöhe die Befreiung von der Steuerpflicht aufgrund der Umsatzgrenze einschlägig. A stellt DE eine Netto-Rechnung. A kann aber – auch nicht im Vergütungsverfahren – die Vorsteuern geltend machen. Wenn er dies wollte, müsste er auf die Befreiung von der Steuerpflicht verzichten und sich in der Schweiz registrieren lassen.

Lässt sich A nicht auf freiwilliger Basis mehrwertsteuerlich registrieren, liegt ein Fall der Bezugsteuer vor. DE müsste die Bezugsteuer in seiner MwSt.-Abrechnung deklarieren.

Rechtslage ab 01.01.2018: Im Grundfall tritt durch das neue Recht keine Änderung ein, da der Weltumsatz unter CHF 100.000,- verbleibt.

Alternative: Wenn nun der Weltumsatz des A über CHF 100.000,- liegt, muss A sich in der Schweiz registrieren lassen, da er die Befreiung von der Steuerpflicht aufgrund der Umsatzgrenze nicht geltend machen kann. Er muss einen Fiskalvertreter bestimmen (z. B. die Handelskammer Deutschland-Schweiz) und seine Rechnung an DE mit Schweizer MwSt. fakturieren. Gleichzeitig kann er Schweizer Vorsteuern geltend machen.

d) Beispiel: reine Montage (Auftraggeber mit Sitz in der Schweiz)
Beispiel: Der in Deutschland ansässige Metallbauer A repariert beim in der Schweiz ansässigen CH ein in ein Gebäude eingebautes Metalltor. A nimmt keinerlei Gegenstände in die Schweiz mit, die der Einfuhrsteuer unterliegen. A ist nicht im Schweizer MwSt.-Register eingetragen. Der Umsatz des Auftrages beträgt CHF 13.000,-, der Weltumsatz von A liegt bei CHF 90.000,- (Alternative: Weltumsatz des A über CHF 100.000,-).

Lösung: In der Schweiz handelt es sich bei einer Reparatur aufgrund des weiten Lieferbegriffs im Schweizer Recht um eine Lieferung.

Rechtslage bis 31.12.2017 (Grundfall und Alternative gleich): Der Umsatz in der Schweiz beträgt insgesamt CHF 13.000,-. Für A ist aufgrund der Umsatzhöhe die Befreiung von der Steuerpflicht aufgrund der Umsatzgrenze einschlägig. A stellt CH eine Netto-Rechnung. A kann aber – auch nicht im Vergütungsverfahren – die Vorsteuern geltend machen. Wenn er dies wollte, müsste er auf die Befreiung von der Steuerpflicht verzichten und sich in der Schweiz mit den oben genannten Folgen registrieren lassen.

Lässt sich A nicht auf freiwilliger Basis mehrwertsteuerlich registrieren, liegt ein Fall der Bezugsteuer vor. CH muss die Versteuerung vornehmen, sofern er bei der Inlandsteuer steuerpflichtig ist oder im Kalenderjahr für mehr als CHF 10.000,- solche Leistungen bezieht.

Rechtslage ab 01.01.2018: Im Grundfall tritt durch das neue Recht keine Änderung ein, da der Weltumsatz unter CHF 100.000,- verbleibt.

Alternative: Wenn nun der Weltumsatz des A über CHF 100.000,- liegt, muss A sich in der Schweiz registrieren lassen, da er die Befreiung von der Steuerpflicht aufgrund der Umsatzgrenze nicht geltend machen kann. Er muss einen Fiskalvertreter bestimmen (z. B. die Handelskammer Deutschland-Schweiz) und seine Rechnung an CH mit Schweizer MwSt. fakturieren. Gleichzeitig kann er Schweizer Vorsteuern geltend machen.

Änderungen per 01.01.2019
Ab 01.01.2019 werden neu Unternehmen in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig, die für mindestens CHF 100.000,- pro Jahr von der Einfuhrsteuer befreite Kleinsendungen (d. h. die Einfuhrsteuer beträgt nicht mehr als CHF 5,-) vom Ausland in die Schweiz senden. Diese Neuerung wird vor allem ausländische Online-Händler betreffen.

Bei Fragen steht Ihnen die Rechts- und Steuerabteilung der Handelskammer Deutschland-Schweiz gerne zur Verfügung.

  Quelle: www.handelskammerjournal.ch/de - www.handelskammer-d-ch.ch


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare