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Widersprüche im LV: Risiko des Auftraggebers!

10.12.2020

von RA Michael Seitz

Sind die Vertragsunterlagen eines Bauvertrages widersprüchlich und haben die Parteien daher keine Einigung über die auszuführende Leistung getroffen, so umfasst die vereinbarte Vergütung nur die preiswertere Variante. Für die höherwertige Leistung schuldet der AG dann eine gesonderte Vergütung, denn die Widersprüche im Leistungsverzeichnis gehen zu seinen Lasten.

Dies hat das OLG Dresden in einem Urteil vom 19.06.2018 (Az.: 6 U 1233/17) entschieden. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgenommen.

Der Fall: AN errichtet für AG zu einem Pauschalpreis von 10,8 Mio. Euro eine schlüsselfertige Tiefgarage. Zu dieser Garage gehört unter anderem auch eine Aufzugsanlage. AN will eine Stahl-Glaskonstruktion ausführen. AG fordert hingegen eine vollverglaste und rahmenlose Ausführung. Die Vertragsunterlagen hierzu sind widersprüchlich. Unter Ziffer 3.4.3.4 ist geregelt, dass „alle Aufzüge als vollverglaste Fahrkörbe und Aufzugschächte zu konzipieren“ sind.

Unter Ziffer 7.16 werden dazu im Widerspruch stehende Vorgaben gemacht. So sollen nach der dortigen Leistungsbeschreibung die Aufzugstüren zwar vollverglast sein, die Wandverkleidung jedoch aus Stahl sowie die Innenseiten verspiegelt. AG besteht auf einer Vollverglasung, hierfür fordert AN eine Mehr-
vergütung in Höhe von rund 121.000,00 Euro.

Die Entscheidung: AN erhält die Nachtragsvergütung! Eine Einigung auf vollverglaste Aufzüge liegt nicht vor. Finden sich in den Vertragsunterlagen, die AG erstellt hat, widersprüchliche Angaben, so muss er das Risiko tragen, dass es hinsichtlich der Frage, die im Vertrag widersprüchlich geregelt ist, zu keiner Einigung gekommen ist und AN daher als verpreiste Leistung nur die kostengünstigere Variante schuldet.

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Fazit: Widersprüche in der vom AG erstellten Leistungsbeschreibung gehen nicht zu Lasten des AN, und zwar selbst dann nicht, wenn AG versucht, durch entsprechende Vertragsklausel (etwa durch die in vielen Verträgen anzutreffende Festlegung einer Reihenfolge der einzelne Vertragsbestandteile), das Risiko auf AN zu verlagern. Zunächst einmal muss aber festgestellt werden, ob überhaupt ein Widerspruch in den Vertragsunterlagen vorliegt, und zwar durch Vertragsauslegung. Bei einer solchen Auslegung geht die konkretere Vorschrift der allgemeineren Beschreibung vor, und zwar selbst dann, wenn im Vertrag eine Rangfolge vereinbart ist. Erst wenn nach einer solchen Auslegung noch immer ein Widerspruch verbleibt, schuldet AN nur die für ihn günstigere Variante. Besteht – wie hier – der Bauherr auf der teureren Variante, löst dies dann dem Grunde nach einen Anspruch auf Nachtragsvergütung aus.

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