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Wie detailliert muss eine Mängelrüge sein?

22.11.2018

von RA Michael Seitz

Eine Mängelrüge muss grundsätzlich so abgefasst sein, dass AN erkennen kann, was ihm vorgeworfen wird und das von ihm Abhilfe erwartet wird. Eine lediglich allgemein gehaltene Mängelrüge genügt dem jedoch nicht, vielmehr kann der Auftragnehmer erwarten, eine präzise Beschreibung der Mängel zu erhalten, soweit dem Auftraggeber hierzu tatsächlich Erkenntnisse vorliegen. Genügt die Mängelrüge diesen Anforderungen nicht, wird auch der „Quasi-Neubeginn“ der Verjährung gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B nicht ausgelöst.

Dies hat das OLG Frankfurt in einem Urteil vom 27. April 2016 (Az.: 17 U 190/15) entschieden.

Der Fall: AG beauftragt AN im Jahre 2007 mit Kanalisationsarbeiten unter Einbeziehung der VOB/B. Vertragsgemäß erhält AG eine Gewährleistungsbürgschaft. Der Ablauf der Gewährleistungsfrist wird auf den 10. November 2014 festgelegt. Am 05. November 2014 rügt AG Mängel wie folgt: „Bei der TV-Befahrung vor Ablauf der Gewährleistung ... wurden verschiedene Undichtigkeiten im Hauptkanal sowie an den Hausanschlüssen festgestellt. Die detaillierten Unterlagen gehen Ihnen in Kürze zu.“ Erst am 26. November 2014 übersendet das von AG beauftragte Ingenieurbüro die Unterlagen. In dem Prozess fordert AN die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde; die Gewährleistungsansprüche seien verjährt.

Das Urteil: Gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B wird durch eine rechtzeitige, schriftliche Mängelrüge die Gewährleistungsfrist für den gerügten Mangel um zwei Jahre verlängert. Hierfür ist es grundsätzlich erforderlich, dass AG die Mängel so bezeichnet, dass AN erkennen kann, was ihm vorgeworfen wird und das von ihm Abhilfe erwartet wird. Nach Auffassung des OLG Frankfurt genügt die Mängelrüge des AG vom 05. November 2014 diesen Anforderungen nicht. AG beschränkt sich nämlich auf einen bloßen Hinweis auf „verschiedene Undichtigkeiten“ sowie die Ankündigung der Übersendung von Unterlagen, aus denen sich die Details ergeben sollen. AG war also über die aufgetretenen Mängel bereits im Detail informiert, teilte diese jedoch dem AN nicht (rechtzeitig) mit. Kennt der AG das konkrete Ausmaß der im Einzelnen bestehenden Undichtigkeiten, darf er sich nicht auf eine bloß allgemeine Beschreibung der Mangelerscheinungen beschränken, sondern muss die angeblich mangelhaften Leistungen – hier Hausanschlüsse – im Einzelnen benennen.

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Fazit: Die Sache hätte auch durchaus anders ausgehen können. Nach der Symptomtheorie des BGH sind nämlich an die Darlegung des Mangels durch den AG keine sehr hohen Anforderungen zu stellen, denn die Symptomtheorie soll ihm die Mängelrüge erleichtern. So hat der BGH etwa eine Mängelrüge, die sämtliche Leistungen als mangelhaft rügte, obwohl dem nur eine stichprobenartige Überprüfung zugrunde lag, ausreichen lassen. Der hiesige Fall liegt etwas anders. Hier hatte AG konkrete Kenntnisse über die Mängel im Einzelnen, teilte diese vor Ablauf der Verjährungsfrist jedoch nicht mit. Dies hält das OLG Frankfurt nicht für eine ausreichende Mängelrüge. Die Entscheidung sollte aber Bauunternehmer keineswegs dazu verleiten, unpräzise Mängelrügen zu ignorieren. In der vorliegenden Entscheidung dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass AG selbst sachkundig war, seine konkreten Erkenntnisse aber gleichwohl für sich behielt. Ein Auftraggeber aber, der nicht selbst sachkundig ist, wird regelmäßig die Mängel nicht etwa im Einzelnen und präzise, sondern nur sehr allgemein beschreiben können. Dies dürfte dann für eine wirksame Mängelrüge auch ausreichend sein.

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