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Wie wird ein Nachtrag berechnet?

22.10.2013

Gehen die Vertragsparteien übereinstimmend davon aus, dass die Berechnung des neuen Preises im Wege der Fortschreibung der dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation des Auftragnehmers zu erfolgen hat, so ist das Gericht daran gebunden. In diesem Fall erfolgt die Ermittlung der Vergütung für die geänderte Leistung soweit wie möglich in Anlehnung an die Kostenelemente der Auftragskalkulation, wobei grundsätzlich auf die Auftragskalkulation der geänderten Position abzustellen ist.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 14. März 2013 (Az.: VII ZR 142/12) entschieden.

Der Fall: AG, ein öffentlicher Auftraggeber, beauftragt AN mit Straßenbauarbeiten im Rahmen eines Einheitspreisvertrages unter Einbeziehung der VOB/B. Nach dem Vertrag soll auf bestimmten Strecken ein grundhafter Neuausbau, auf anderen Strecken nur eine Deckenerneuerung erfolgen. Das Leistungsverzeichnis beinhaltet für die Deckenerneuerung ebenso wie für den Neuausbau jeweils den Einbau einer Asphaltbinder- und einer Asphalttragschicht. Die Schichtdicken für den Neubau sind allerdings deutlich höher als die für die Deckenerneuerung. Trotzdem bietet AN die Leistungen für die Deckenerneuerung zu deutlich höheren Preisen an als für den Neubau. Später fordert AG für ein Teilstück statt der dort im LV vorgesehenen Deckenerneuerung einen vollständigen Neuausbau. Der Neuausbau erfolgt dabei mit veränderten Stärken der Asphalttrag- und Binderschicht und teilweise auch mit einer anderen Körnung. AG vergütet die Leistung nach den für den Neubau angebotenen Einheitspreisen. AN beansprucht hingegen die Vergütung für die Asphaltbinder- und Asphalttragschicht zu den (höheren) Preisen für die Deckenerneuerung.

Das Urteil: Nach Auffassung des BGH kann AN ein Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 VOB/B zustehen. AG und AN gingen nämlich übereinstimmend davon aus, dass die Berechnung des neuen Preises im Wege der Fortschreibung der dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation des AN (und nicht etwa anhand tatsächlicher oder üblicher Kosten) zu erfolgen habe. Daran seien die Gerichte gebunden. Streitig ist demnach lediglich, aus welchen Positionen des Leistungsverzeichnisses der Preis zu entwickeln ist. Dabei ist nach Auffassung des BGH grundsätzlich auf die Kalkulation der geänderten Position (hier also der Position Asphaltbinder- und Asphalttragschicht für Deckenerneuerung) abzustellen. Darüber hinaus können sich Mehr- oder Minderkosten infolge einer Leistungsänderung aber auch aus anderen Positionen ergeben. Für den neu zu bildenden Einheitspreis sind grundsätzlich die Kalkulationsansätze zu wählen, die der AN der Auftragskalkulation zugrunde gelegt hat. Ist dies nicht möglich, muß nach einer vergleichbaren Position in der gesamten Auftragskalkulation gesucht und die Position anhand dieser Kalkulation „analog“ fortgeschrieben werden.

Hat AN im Wesentlichen gleichartige Positionen in unterschiedlicher Weise einmal für ihn günstig (hier: Deckenerneuerung) und einmal für ihn ungünstig (hier: Neuausbau) kalkuliert, so muss in einer Gesamtschau sichergestellt werden, da AN keine Nachteile durch die geänderte Leistung erleidet. Daher müssen AN jedenfalls die Deckungsbeiträge für den Gewinn aus dem ursprünglich geschlossenen Vertrag erhalten bleiben. Mit dieser Maßgabe verweist weist der BGH die Entscheidung an das OLG zurück. Dieses hatte ohne weiteres die Position für den Neuausbau für die Bildung des neuen Preises herangezogen.

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Fazit: Grundsätzlich gilt bei Nachträgen stets: „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ oder anders ausgedrückt: Dem AN dürfen durch die geänderten Positionen weder Vorteile noch Nachteile entstehen. Daher sind die Kalkulationsansätze für die geänderten Positionen fortzuschreiben. Ist dies nicht möglich, ist nach Vergleichspositionen zu suchen. All dies ist beim Einheitspreisvertrag noch relativ einfach, doch gerade bei Pauschalierungsabreden häufig außerordentlich schwierig. Dies ändert indes nichts daran, dass die Parteien in der Regel - wenn sie nämlich nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben - die Fortschreibung der Kalkulationspreise in den Nachträgen vereinbart haben und dass daher diese Kalkulationsfortschreibung zur Feststellung der Höhe des Nachtragspreises stets durchzuführen ist.


  Quelle: RA Michael Seitz


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