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Wirksamkeit eines Vertrages bei zu früh erteiltem Zuschlag?

17.11.2015

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 07.07.2015 – VK 2-49/15 – Folgendes entschieden:

• Erteilt der Auftraggeber den Zuschlag vor dem von ihm im Informationsschreiben angegebenen „frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses“, ist der Vertrag von Anfang an unwirksam.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte die Lieferung von „flammhemmender Funktionswäsche“ im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Zwei Unternehmen, Bieter A und B, gaben darauf Angebote ab. Mit Schreiben vom 12.05.2015 informierte der AG den A auf elektronischem Wege gem. § 101 a GWB über seine Absicht, den Zuschlag auf das Angebot des B zu erteilen. Als den frühesten Termin für die Zuschlagserteilung gab der AG den 08.06.2015 an; tatsächlich erteilte er den Zuschlag auf das Angebot des B schon am 26.05.2015. Nach Ablauf der Stillhaltefrist gem. § 101 a GWB informierte der AG am 27.05.2015 den A über die erfolgte Zuschlagserteilung an den B. Mit Schriftsatz vom 27.05.2015 beantragte darauf A die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel der Überprüfung der Wertungsentscheidung. Während der Nachprüfung – am 15.06.2015 – hob der AG das Vergabeverfahren auf. A beantragte nun die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages von Beginn an.

Die VK gibt hier Bieter A Recht. Der von ihm gestellte Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Es genüge, dass dieser Antrag innerhalb der 30-Tagesfrist des § 101 b GWB gestellt worden sei und ein Feststellungsinteresse bestehe; dies sei gegeben, denn der A könne sich im Rahmen der seitens des AG in Aussicht gestellten neuen Ausschreibung wieder um den Auftrag bemühen. Der Antrag sei auch begründet, da der Vertrag von Anfang an unwirksam sei. Hier habe der AG gegen § 101 a GWB verstoßen, indem er entgegen seiner Ankündigung, den Vertrag frühestens am 08.06.2015 schließen zu wollen, den Zuschlag tatsächlich bereits am 26.05.2015 erteilt habe. Gemäß § 101 a Abs. 1 S. 1 GWB habe der AG diejenigen Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, „über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses“ in Textform zu informieren. Sinn und Zweck der Regelung sei es, den Bieter vor einer überraschenden und nicht mehr angreifbaren Zuschlagserteilung zu schützen, während er die mitgeteilten Gründe für den Nichterhalt des Auftrags prüfen könne, um sich im Ergebnis für oder gegen die Stellung eines Nachprüfungsantrages zu entscheiden. Der „früheste Zeitpunkt des Vertragsschlusses“ könne, müsse aber nicht mit dem Ende der Stillhaltefrist des § 101 a Abs. 1 S. 3 bzw. S. 4 GWB zusammenfallen. Eine Verpflichtung des öffentlichen AG, den Zuschlag unmittelbar nach Ablauf der Wartefrist zu erteilen, bestehe nicht. Da der AG gegen § 101 a S. 1 GWB verstoßen habe, sei gem. § 101 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GWB Rechtsfolge des Verstosses, dass der Vertrag von Anfang an unwirksam sei.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
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E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Nach § 114 Abs. 2 GWB gilt der Grundsatz, dass ein wirksam erteilter Zuschlag nicht mehr aufgehoben werden kann. Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch § 101 b GWB. Danach ist der Vertrag von Anfang an unwirksam, wenn der Auftraggeber – wie hier – gegen § 101 a GWB verstoßen hat und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen ab Kenntnis des Verstoßes überprüft wird (§ 101 b Abs. 2 GWB). Auftraggebern ist daher zu empfehlen, sich an einen selbst aufgestellten Zeitplan zur Zuschlagserteilung unbedingt zu halten. Allen Bietern ist zu empfehlen, genau zu prüfen, ob entgegen der Ankündigung des AG im Informationsschreiben der Zuschlag tatsächlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt als angegeben erteilt wurde.

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