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Wirtschaftlichkeitsverstoß bei Wertung des Angebotspreises mit 50 %?

14.09.2012

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat mit Beschluss vom 21. Mai 2012 - Verg 3/12 - folgendes entschieden:

Einem (potenziellen) Bieter steht gegen den öffentlichen Auftraggeber kein aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften (§ 241 Abs. 2 BGB) herzuleitender Anspruch
darauf zu, die Verwendung bestimmter als vergaberechtswidrig erachteter Vergabebedingungen in etwaigen zukünftigen Vergabeverfahren zu unterlassen.

Der Preis stellt ein gewichtiges Merkmal dar, das beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots nicht am Rande der Wertung stehen darf, sondern vom Auftraggeber in ein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Wertungskriterien zu bringen ist. Eine Festlegung und Gewichtung von Zuschlagskriterien, bei denen Wirtschaftlichkeitskriterien neben dem Angebotspreis nur eine marginale Rolle spielen oder der Preis eine übermäßige Bedeutung einnimmt, kann demnach gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip nach § 97 Abs. 5 GWB, § 16 Abs. 8 VOL/A, § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A verstoßen.

Im Februar 2011 hatte das Auswärtige Amt in einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb Leistungen zur Förderung des Deutschlandbildes im Ausland ausgeschrieben. Dabei hatte es angegeben, den Preis mit 30 % zu gewichten. In einem ersten Nachprüfungsverfahren war dies angegriffen worden. Danach änderte der AG das Gefüge der bisherigen Angebotswertung, u. a. entfiel eine gesonderte Angebotspräsentation und der Angebotspreis gewann ein vermehrtes Gewicht (50 % zu bislang 30 %). Ein Bieter hatte dies in einem zweiten Nachprüfungsverfahren angegriffen, da nun eine nivellierende Überbewertung des Preises zu Lasten der Angebotsqualität vorliege, so dass ein ungewöhnlich niedriges Preisangebot eines anderen Bieters bezuschlagt werden sollte. Nachdem die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen hatte, verfolgte der Bieter sein Vorbringen in Bezug auf die fehlerhafte Angebotswertung mit der sofortigen Beschwerde zum OLG weiter.
Das OLG weist die sofortige Beschwerde als unbegründet zurück. Eine übermäßige Bewertung des Angebotspreises in den berichtigten Ausschreibungsunterlagen (50 % statt bisher 30 %) werde ohne Erfolg behauptet. Beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichen Angebots sei dem öffentlichen Auftraggeber hinsichtlich der – vorher bekannt gegebenen – Unterkriterien und ihrer Bewertung aufgrund seines diesbezüglichen Bestimmungsrechts ein von den Nachprüfungsbehörden nur begrenzt, insbesondere auf Vertretbarkeit, kontrollierbarer Festlegungsspielraum zuzuerkennen. Bestimmungen des AG müssten bei diesem Kriterium anderen Wirtschaftlichkeitsmerkmalen neben dem Preis jedoch einen angemessenen Raum zur Bewertung einräumen. Der Preis dürfe weder unter- noch überbewertet werden. Er stelle ein gewichtiges Merkmal dar, das beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots nicht am Rande der Wertung stehen dürfe, sondern vom AG in ein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Wertungskriterien zu bringen sei. Eine Festlegung und Gewichtung von Zuschlagskriterien, bei denen Wirtschaftlichkeitskriterien neben dem Angebotspreis nur eine marginale Rolle spielten oder der Preis eine übermäßige Bedeutung einnehme, könne demnach gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip nach § 97 Abs. 5 GWB, § 16 Abs. 8 VOL/A bzw. § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A verstoßen.
Im vorliegenden Falle sei der Angebotspreis mit 50 % weder zu hoch noch zu niedrig, sondern in akzeptabler Weise festgelegt worden. Die an den angebrachten konzeptionellen Vorstellungen der Bieter festgemachte Qualitätsbewertung sollte daneben mit weiteren 50 % zum Tragen kommen. Darin sei im Rahmen des dem AG zustehenden Bestimmungsrechts bei den Zuschlagskriterien weder eine unzulässige Marginalisierung der übrigen Wirtschaftlichkeitskriterien noch eine nivellierende Wirkung des Preiskriteriums zu erkennen.

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Anmerkung:
Die Entscheidung zeigt sehr klar, welchen Gestaltungsspielraum der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Wertung der Angebote hat. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass im Falle einer Gewichtung von 50 % Preis und 50 % qualitativer Kriterien kein unangemessenes Verhältnis angenommen werden kann. Insoweit eine Entscheidung, die sowohl für öffentliche Auftraggeber wie für Auftragnehmer von Interesse ist.

  Quelle: RA Michael Werner


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