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Zahlungsverweigerung trotz Verjährung?

21.01.2016

Von RA Michael Seitz

Der Besteller kann gemäß § 215 BGB wegen eines Mangels der Werkleistung ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Unternehmer nach Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche geltend machen, wenn dieser Mangel bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist in Erscheinung getreten ist und daher ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht in nicht verjährter Zeit geltend gemacht werden konnte.

Dies hat der BGH in einem Urteil vom 05.11.2015 (Az.: VII ZR 144/14) entschieden.

Der Fall: Im Jahre 2008 beauftragt AG AN mit Rohbauarbeiten für einen Neubau. Die Abnahme erfolgt am 16.10.2008 unter Vorbehalt zahlreicher Mängel. AN verlangt restlichen Werklohn von gut 187.000,00 €. AG rechnet mit Ersatzvornahmekosten von knapp 5.000,00 € auf. Die übrige Zahlung verweigert er unter Hinweis auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen angeblicher Mängel. Das OLG Düsseldorf verurteilt den Unternehmer zur Zahlung von gut 124.000,00 € sowie weiterer 52.000,00 € Zug-um-Zug gegen Beseitigung der festgestellten Mängel. Erstmals im Berufungsverfahren vor dem OLG macht AG am 11.11.2013 – und damit erst nach Ablauf der Mängelgewährleistungsfrist, die fünf Jahre nach Abnahme am 16.10.2013 endete – einen neuen Mangel, nämlich eine „Wölbung des Pflasters“ geltend. Nach Auffassung des OLG Düsseldorf kommt es darauf wegen Verjährung nicht an. AG legt Revision ein.

Das Urteil: Und bekommt vor dem BGH im Grundsatz Recht! Entscheidend ist die Vorschrift des § 215 BGB, die durch die Schuldrechtsreform neu eingeführt wurde. Danach kann sich AG auch nach Eintritt der Verjährung auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln berufen, sofern der Mangel bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist in Erscheinung getreten ist und daher das Zurückbehaltungsrecht in nicht verjährter Zeit geltend gemacht werden konnte. Entgegen dem OLG Düsseldorf legt der BGH diese Vorschrift (entsprechend ihrem Wortlaut) dahin aus, dass nicht erforderlich sei, dass AG sein Leistungsverweigerungsrecht bereits in unverjährter Zeit geltend gemacht hat. Die Vorschrift setze vielmehr nur voraus, dass der Mangel, auf den AG seine Zahlungsverweigerung stützt, bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist in Erscheinung trat und er daher ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht geltend machen konnte (nicht: geltend gemacht hat!). Das Argument der Vorinstanz, durch diese Auslegung werde der Auftraggeber besser gestellt, der die Zahlung grundlos verweigert, verwirft der BGH unter Hinweis auf den Wortlaut des § 215 BGB und verweist die Sache an das OLG zurück, das nunmehr Feststellungen dazu treffen muss, ob der Mangel bereits in unverjährter Zeit in Erscheinung getreten war.

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Fazit: Die Frage der Auslegung von § 215 BGB war bisher in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Hier schafft der BGH nun Klarheit, allerdings leider zu Lasten des Auftragnehmers. Die Entscheidung des BGH entspricht dem klaren Wortlaut des § 215 BGB und lässt sich daher nur schwer angreifen. Das Argument der Vorinstanz, so werde der grundlos die Zahlung verweigernde Auftraggeber besser gestellt, ist jedoch ebenfalls kaum von der Hand zu weisen. Außerdem steht zu befürchten, dass zahlungsunwillige Bauherren nunmehr auch nach Ablauf der Verjährungsfrist noch Mängel „erfinden“, um die Zahlung zu verzögern. Insoweit wäre hier wohl der Gesetzgeber gefordert.

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