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Zu Nebenangeboten bei reinem Preisentscheid

07.07.2020

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Südbayern hat mit Beschluss vom 17.03.2020 – Z3-3-3194-1-47-11/19 – u.a. folgendes entschieden:

Die Festsetzung von ausreichend detaillierten, transparenten und widerspruchsfreien Mindestanforderungen ist auch bei einem reinem Preisentscheid Voraussetzung für die Zulassung von Nebenangeboten.

• Beachtet der Auftraggeber dies nicht, kann er die in den Vergabeunterlagen zugelassenen Nebenangebote nicht einfach unter Berufung auf die unzureichenden Mindestanforderungen ausschließen, sondern muss das Vergabeverfahren zurückversetzen, die Vergabeunterlagen korrigieren und zur Abgabe neuer Angebote auffordern.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte für den Neubau eines Schulzentrums den Abbruch von Gebäuden europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. In den Vergabeunterlagen fand sich u.a. folgender Passus: Nebenangebote/Pauschalangebote sind erwünscht, zugrunde zu legen ist, dass in beiden Fällen der Leistungsumfang aus dem Hauptangebot in allen Teilen und vollumfänglich enthalten ist.

Es werden Nebenangebote nur gewertet, wenn die komplette beschriebene Leistung aus dem Hauptangebot enthalten ist“. Zudem waren Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen. Bezüglich der Mindestanforderungen wurde auf das Leistungsverzeichnis verwiesen. Nicht zugelassen waren jedoch Nebenangebote, die ausschließlich Preisnachlässe mit Bedingungen beinhalteten. Weitere Ausführungen zu Mindestbedingungen hinsichtlich der Nebenangebote enthielten die Vergabeunterlagen nicht. Bieter A gab ein Hauptangebot und ein Nebenangebot ab. Letzteres unterschied sich vom Hauptangebot dadurch, dass für bestimmte Leistungsbereiche ein Pauschalpreis angeboten wurde. Nach Submission informierte der AG den A, dass der Zuschlag an Bieter B ergehen solle, sowie, dass sowohl das Haupt- wie das Nebenangebot des A aus formalen Gründen ausgeschlossen wurde. Darauf rügte A seinen Ausschluss und stellte Nachprüfungsantrag. Auf einen rechtlichen Hinweis der VK prüfte der AG das Angebot neu, mit dem Ergebnis, dass das Hauptangebot des A nicht das wirtschaftlichste war. Die Nebenangebote sämtlicher Bieter seien auszuschließen, da er selbst – der AG – die Mindestanforderungen nicht hinreichend bekannt gemacht habe. Dagegen wehrte sich A erneut.

Die VK gibt Bieter A Recht, da er durch den Ausschluss seines Nebenangebotes in seinen Rechten aus § 97 Abs. 2 GWB verletzt sei. Der AG habe gegen diese Norm, d. h. das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot, verstoßen, indem er zunächst unzureichende Mindestanforderungen für Nebenangebote formuliert und anschließend deswegen alle eingereichten Nebenangebote ausgeschlossen habe. Die Festsetzung von ausreichend detaillierten, transparenten und widerspruchsfreien Mindestanforderungen sei aber Voraussetzung für die Zulassung von Nebenangeboten bei einem reinen Preisentscheid. Aus § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 Satz 6 VOB/A sei nicht zu folgern, dass nunmehr Nebenangebote stets auch dann zulässig seien, wenn einziges Zuschlagskriterium der Preis sei. Der BGH habe bereits 2014 (Beschluss vom 07.01.2014 - X ZB 15/13) ausgeführt, dass die für Nebenangebote vorzugebenden Mindestanforderungen im Allgemeinen nicht alle Details der Ausführung zu erfassen bräuchten, sondern Spielraum für eine hinreichend große Variationsbreite in der Ausarbeitung von Alternativvorschlägen ließen und sich darauf beschränken dürften, den Bietern, abgesehen von technischen Spezifikationen, in allgemeinerer Form den Standard und die wesentlichen Merkmale zu vermitteln, die eine Alternativausführung aufweisen müsse.

Der BGH habe dabei darauf hingewiesen, dass § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 b VOB/A nicht von der Beachtung des gesetzlichen Grundsatzes entbinde, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird und sich das wirtschaftlichste Angebot nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bestimme (§ 127 Abs. 1 S. 1 und 3 GWB). Konkret bedeute dies, dass Nebenangebote nur dann nach dem Preis als einzigem Zuschlagskriterium gewertet werden könnten, wenn durch eine entsprechende Festlegung von Mindestanforderungen i.S.d. § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 b VOB/A sichergestellt sei, dass die Angebote qualitativ soweit vergleichbar seien, so dass der Zuschlag auf das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis erteilt werden könne. Es wäre mit dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar, wenn wesentlich ungleiche Angebote willkürlich gleich, nämlich nach dem einzigen Kriterium des niedrigsten Preises, das keine Qualitätsunterschiede abbilden könne, gewertet würden.

Wie auch der AG richtig erkannt habe, seien die o. g. Anforderungen an die Festlegung von Mindestanforderungen i.S.d. § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 b VOB/A vorliegend nicht ansatzweise erfüllt, zudem seien die vom AG getroffenen Regelungen uneindeutig und missverständlich: Bei den Vorgaben des AG sei bereits unklar, ob auch technische Nebenangebote oder nur kaufmännische Nebenangebote im Sinne von Pauschalen gestattet seien. Insbesondere sei nicht eindeutig, was unter der Vorgabe, dass der Leistungsumfang aus dem Hauptangebot enthalten sein müsse, zu verstehen sei. Auch mit der weiteren Erläuterung, dass Nebenangebote nur gewertet würden, "wenn die komplette beschriebene Leistung aus dem Hauptangebot enthalten sei", bleibe offen, ob nun alle Positionen des Leistungsverzeichnisses, das einem Hauptangebot zu Grunde liegen müsse, für ein Nebenangebot ebenfalls verbindlich sein sollten und somit ein technisches Nebenangebot nicht zulässig sein solle, oder ob aber die Formulierung so zu verstehen sei, dass lediglich der reine Leistungsumfang im Sinne des Leistungserfolgs mit allen notwendigen Teilschritten gefordert sei und hier technische oder organisatorische Abweichungen gestattet sein sollten.


Bei unzureichenden Mindestanforderungen an zugelassene Nebenangebote dürfe der Zuschlag nicht auf ein Nebenangebot erteilt werden. Eine Zuschlagserteilung auf ein Hauptangebot sei jedoch ebenfalls zu untersagen, da der Fehler des AG bei der Erstellung der Vergabeunterlagen nicht zu Lasten der Bieter gehen dürfe, solange keine Präklusion diesbezüglich vorliege. Die Behebung des Vergabeverstoßes erfordere daher eine Rückversetzung des Verfahrens in den Zustand vor Veröffentlichung der Vergabeunterlagen, damit der AG entweder in den Vergabeunterlagen neue Mindestanforderungen für Nebenangebote formulieren oder mit einer Änderungsbekanntmachung und einer Umformulierung der Vergabeunterlagen Nebenangebote als nicht zulässig deklarieren könne. Außerdem könne im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass die Zulassung eines Nebenangebots auf die Erstellung des Hauptangebotes Einfluss ausübe. Dies gelte insbesondere, wenn Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zulässig seien.

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Anmerkung:
Der BGH hatte in der zitierten Entscheidung von 2014 noch unmissverständlich festgestellt, dass Nebenangebote bei einer reinen Preiswertung vergaberechtlich unzulässig seien. Mit der Vergaberechtsreform 2016 wurde darauf durch Einfügung des § 8 Abs. 2 Nr. 3 Satz 6 EU VOB/A versucht, die Rechtsprechung des BGH zu korrigieren, allerdings ohne den Auftraggebern einen Hinweis zu geben, wie damit nun in der Praxis umgegangen werden sollte. Wie die Entscheidung der VK zeigt, ist es äußerst schwierig, Nebenangebote und reine Preiswertung unter einen Hut zu bringen. Zu raten ist daher folgendes: Entweder bei reiner Preiswertung Nebenangebote nicht zuzulassen oder diese zwar zuzulassen, aber dann eben keine reine Preiswertung, sondern weitere Wertungskriterien vorzusehen.

  Quelle:


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