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Zu den Voraussetzungen für eine Gesamt- statt Losvergabe

10.08.2012

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 25. April 2012 – Verg 100/11 - folgendes entschieden:

Der öffentliche Auftraggeber ist nicht verpflichtet, eine Ausschreibung
so zuzuschneiden, dass bestimmte Wirtschaftsteilnehmer und deren
einzelwirtschaftliche Interessen bedient werden.


Eine Gesamtvergabe ist gerechtfertigt, sofern wirtschaftliche oder
technische Gründe dies erfordern. Bei der Entscheidung für eine Gesamtvergabe
kommt dem Auftraggeber wegen der dabei anzustellenden prognostischen
Überlegungen ein nur beschränkt zu kontrollierender Einschätzungsspielraum zu.
Die Entscheidung des Auftraggebers ist lediglich darauf zu prüfen, ob sie auf
einer vollständigen und zutreffenden Tatsachengrundlage beruht sowie aus
vernünftigen Erwägungen heraus und im Ergebnis vertretbar getroffen wurde.

Im Mai 2011 hatte ein kommunaler Zweckverband die Beschaffung von EDV-Hard- und Software im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Auf eine Aufteilung in Lose war verzichtet worden. Von 19 Unternehmen, die die Vergabeunterlagen angefordert hatten, reichten nur zwei Bieter Angebote ein. Einer der beiden Bieter rügte die unterbliebene Los-Aufteilung und eine auf Produkte des anderen Bieters zugeschnittene Leistungsbeschreibung. Nach erfolgloser Rüge reichte der Bieter einen Nachprüfungsantrag ein. Die Vergabekammer hatte darauf den Nachprüfungsantrag teilweise als unzulässig, teilweise als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen legte der Bieter sofortige Beschwerde zum OLG ein.

Nach Auffassung des OLG hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg, weil der Nachprüfungsantrag unbegründet sei. Die Beschwerde beanstande zu Unrecht, dass die Ausschreibung in Teillose hätte aufgeteilt werden müssen. Bezüglich des Auftragswerts von ca. 570.000 Euro sei der Zuschlag auch in seiner Gesamtheit für mittelständische Unternehmen erreichbar gewesen. Durch den Verzicht auf eine Einzellosbildung sei die Fähigkeit des antragstellenden Bieters, sich als mittelständisches Unternehmen an der Gesamtausschreibung mit einem Angebot zu beteiligen, nicht beeinträchtigt worden. Davon abgesehen lägen hier hinreichende Gründe für eine Gesamtvergabe i. S. des § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB vor, die gerechtfertigt sei, sofern wirtschaftliche oder technische Gründe dies erforderten. Dabei komme dem Auftraggeber bei der Entscheidung für eine Gesamtvergabe wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegung eine von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur beschränkt zu kontrollierende Einschätzungsprärogative zu. Die Entscheidung des Auftraggebers sei lediglich darauf zu prüfen, ob sie auf einer vollständigen und zutreffenden Tatsachengrundlage beruhe sowie aus vernünftigen Erwägungen heraus im Ergebnis vertretbar getroffen geworden sei. Dies sei hier zu bejahen. Der AG habe hier alle Systembestandteile über eine einheitliche Bildschirmoberfläche steuern wollen. Deswegen habe er auch die Lieferung einer einheitlichen Software ausgeschrieben. Die technischen Gründe, die hier für eine Gesamtvergabe sprächen, seien vernünftig und nachvollziehbar. Ebenfalls könne kein Verstoß gegen das Gebot der produktoffenen Ausschreibung festgestellt werden. Hier sei faktisch auszuschließen, dass der Bieter infolge von Produktspezifikation in der Ausschreibung bei seiner Chance, den Auftrag zu erlangen, einen Nachteil erlitten habe. Aus diesen Gründen sei die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

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Anmerkung:
Neben den Ausführungen des OLG zu den Voraussetzungen einer Gesamtvergabe gemäß § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB ist insbesondere interessant, dass das OLG - im Gegensatz zur Vergabekammer – nicht von einer Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags wegen Verfristung ausgeht. Die Vergabekammer hatte moniert, dass der Bieter nicht schon die Bekanntmachung, in der eine Losaufteilung ausgeschlossen wurde, zum Anlass für eine Rüge genommen habe. Nach Ansicht des OLG setze der Rügetatbestand eine erforderliche Tatsachenkenntnis des Bieters voraus. Hierzu reiche es jedoch nicht aus, dass für den Bieter erkennbar sei, dass keine Losaufteilung erfolge. Erst wenn der Bieter auch die tatsächlichen Gründe für eine Losaufteilung kenne, könne er beurteilen, ob hierin ein Verstoß gegen § 97 Abs. 3 GWB liege, den
er dann rügen müsse.

  Quelle: RA Michael Werner


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