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Zu den Vorgaben bei Einreichung von elektronischen Angeboten

22.08.2023

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 16.05.2023 – XIII ZR 14/21 – folgendes entschieden:


1. Der Auftraggeber kann gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 festlegen, welche elektronischen Mittel (§§ 11, 11a VOB/A 2016) bei der Einreichung von elektronischen Angeboten zu verwenden sind.
2. Werden vorgegebene elektronische Mittel bei der Einreichung des Angebots nicht verwendet, ist das Angebot nicht formgerecht übermittelt und gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 auszuschließen.

 

Anwalt Werner


Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Abbruch-und Sanierungsarbeiten nach VOB/A (1. Abschnitt) national öffentlich ausgeschrieben. In der Bekanntmachung hieß es: „Es werden elektronische Angebote akzeptiert: Ohne elektronische Signatur (Textform)…“. Gemäß der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes (Vergabeunterlagen) war u.a. im Angebotsschreiben das Leistungsverzeichnis (LV) als GAEB- Datei im Format X oder Y einzureichen. In Nr. 7 der Vergabeunterlagen war unter der Überschrift „Angebotsabgabe“ angekreuzt „elektronisch in Textform“. Bieter A gab das günstigste Angebot ab, wobei er die Angebotsunterlagen im PDF-Format, nicht aber als GAEB-Datei einreichte. Der AG schloss deshalb das Angebot des A aus und hob kurz darauf die Ausschreibung auf. Ohne A zu beteiligen, schrieb er die Leistungen im formlosen Verhandlungsverfahren neu aus und beauftragte einen Drittunternehmer. A forderte darauf Schadensersatz für den ihm entgangenen Auftrag. Das erstinstanzliche Landgericht wies die Klage ab, das OLG gab der Berufung des A statt. Mit Revision zum BGH verfolgte der AG die Abweisung der Klage weiter.


Der BGH gibt dem AG Recht und verneint einen Schadensersatzanspruch des A . Zwar sei nach der Rechtsprechung anerkannt, dass durch die Teilnahme des A an der Ausschreibung ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande gekommen sei, das die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichte und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründe, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen könne.
Hier habe der AG die sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Rücksichtnahmepflicht nicht verletzt. Denn entgegen der Ansicht des OLG könne der AG gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A festlegen, welche elektronischen Mittel (§§ 11, 11a VOB/A) bei der Einreichung von elektronischen Angeboten zu verwenden seien. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A lege der AG fest, in welcher Form die Angebote einzureichen seien. Elektronische Angebote seien nach Wahl des AG in Textform oder mit einer (fortgeschrittenen oder qualifizierten) Signatur zu übermitteln (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/A), wenn der AG gemäß § 11 Abs. 1 VOB/A die elektronische Kommunikation vorgegeben habe. In diesem Fall übermittelten die Unternehmen nach § 11 Abs. 4 VOB/A ihre Angebote in Textform mithilfe elektronischer Mittel und versähen sie ggf. mit der vorgegebenen Signatur (§ 11 Abs. 5 VOB/A). §§ 11, 11a VOB/A 2016 enthielten zwar für den Unterschwellenbereich keine Definition des Begriffs der elektronischen Mittel, sondern setzten diesen voraus. Zur Ausfüllung des Begriffs könne indes die in § 11 Abs. 1 VOB/A-EU enthaltene Definition herangezogen werden, weil nach dem Einführungserlass des zuständigen BMBau von 2016 für die Durchführung der elektronischen Kommunikation im Ober- und Unterschwellenbereich übereinstimmende Regelungen gelten sollten. Aus diesem Grund seien §§ 11, 11a VOB/A-EU 2016 mit wenigen Ausnahmen wörtlich in den 1. Abschnitt der VOB/A übernommen worden.
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A sei nach dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit §§ 11,11a VOB/A dahin auszulegen, dass die Festlegung des AG, in welcher Form die Angebote einzureichen seien, auch die dabei zu verwendenden elektronischen Mittel umfassen dürfe. Da der AG das Recht habe, die bei der Einreichung der Angebote zu verwendenden elektronischen Mittel zu bestimmen, könne er auch die Verwendung der dafür erforderlichen Dateiformate vorgeben. Formgerecht übermittelt beziehungsweise eingereicht sei ein Angebot deshalb nur dann, wenn dies mithilfe der vom AG vorgegebenen elektronischen Mittel erfolge.


Die Vorgabe der bei der Einreichung von Angeboten zu verwendenden elektronischen Mittel diene in besonderem Maße der Vergleichbarkeit der Angebote und der Effizienz des Vergabeverfahrens. Die Verwendung einheitlicher Dateiformate durch alle Bieter stelle eine Vergleichbarkeit sicher und verhindere beim AG zusätzlichen Aufwand, der durch die ggf. erforderliche Umwandlung und Überprüfung von Angeboten anfalle, bei deren Einreichung andere elektronische Mittel und Dateiformate verwendet worden seien. §§ 11,11a VOB/A könnten ihren Sinn und Zweck, wonach der AG die Kommunikationsmittel im Interesse der Effizienz und Transparenz festlege, daher nicht erfüllen, wenn eine Verletzung entsprechender Vorgaben keinen Ausschluss des Angebots gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A zur Folge hätte.


Der AG habe hier in den Vergabeunterlagen festgelegt, dass das LV unter Verwendung des dort genannten Softwareprogramms einzureichen sei. Etwas Anderes folge nicht daraus, dass die Bekanntmachung und Ziff. 7 der Vergabeunterlagen die elektronische Abgabe des Angebots in Textform vorsähen. Die Vergabeunterlagen seien nach dem objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, auf den bei der Auslegung abzustellen sei, eindeutig dahin zu verstehen, dass das Leistungsverzeichnis als GAEB-Datei im Format X oder Y eingereicht werden musste. Das ergebe sich zweifelsfrei aus den an das Angebotsschreiben gestellten Anforderungen. Dass das Angebot im Übrigen nach der im Formular unter Ziff. 7 angekreuzten Vorgabe und nach der Bekanntmachung elektronisch in Textform einzureichen gewesen sei, stehe dem nicht entgegen. Unklarheiten ergäben sich daraus nicht. Die Angaben in der Bekanntmachung und unter Ziffer 7 der Vergabeunterlagen beträfen allgemein die elektronische Abgabe der Angebote in Textform und ohne Signatur. Das stehe der spezielleren für das LV geltenden Vorgabe zur Verwendung eines Programms nicht entgegen.


Im Ergebnis sei das Angebot daher gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Satz 1 VOB/A auszuschließen. Dem Einwand des A, der AG hätte sein Angebot nicht ausschließen dürfen, sondern die fehlende Unterlage gemäß § 16a VOB/A nachfordern müssen, sei abzulehnen. Denn gemäß § 16a Satz 1 VOB/A setze die Möglichkeit zur Nachforderung von Unterlagen voraus, dass ein Ausschluss nach § 16 Abs. 1 oder Abs. 2 VOB/A nicht erfolgt sei. Das ergebe sich bereits aus dem klaren Wortlaut der Regelung. Danach verlange der AG die fehlenden Erklärungen oder Nachweise nach, wenn das Angebot nicht entsprechend § 16 Abs. 1 oder 2 VOB/A ausgeschlossen werde, was hier aber der Fall sei.

Anmerkung:

Eine eigentlich sehr harte Entscheidung, da das Angebot an sich inhaltlich korrekt vorlag, aber eben nur als pdf-Datei. Andererseits ist die Entscheidung insofern konsequent, da das Vergaberecht eine extreme Formstrenge aufweist. Daher sollten Bieter nicht darauf vertrauen, bei formellen Angebotsmängeln eine zweite Chance durch Nachforderung des Auftraggebers zu erhalten. Deshalb der Rat: unbedingte Sorgfalt bei der Angebotsbearbeitung, und zwar nicht nur inhaltlich, sondern auch formal.

  Quelle: Anwalt Werner


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