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Zugang einer E-Mail

08.12.2022

Wird im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine E-Mail innerhalb der üblichen Geschäftszeit auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt, ist sie dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen; der Abruf oder die Kenntnisnahme von der Mail ist nicht erforderlich.

Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 06.10.2022 (AZ.: VII ZR 895/21) entschieden.

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RA Michael Seitz

Der Fall:
AN führt für AG Bauarbeiten durch. Die Schlussrechnung des AN kürzt AG um rund 14.300,00 € auf rund 14.500,00 €. AN widerspricht und verlangt die Zahlung weiterer 14.300,00 €. Um die Angelegenheit endgültig zu erledigen, bietet AG dem AN am 13.12.2018 genau diese Summe zur Zahlung an. Mit Schreiben vom 14.12.2018, 09:19 Uhr, antwortet der Rechtsanwalt des AN, die Forderung belaufe sich auf diese Höhe und weitere Forderungen würden nicht erhoben. Um 09:56 Uhr schickt der Anwalt eine weitere Mail, in der er erklärt, eine abschließende Prüfung der Forderungshöhe sei noch nicht erfolgt, die E-Mail von 09:19 Uhr müsse unberücksichtigt bleiben. Am 17.12.2018 legt AN eine neue Schlussrechnung vor, die mit einer Restforderung von rund 22.000,00 € endet. Am 21.12.2018 überweist AG die 14.300,00 €. Die Differenz von rund 7.800,00 € klagt AN ein.

Das Urteil:
In allen drei Instanzen ohne Erfolg. Mit einer E-Mail vom 13.12.18 hat AG dem AN ein Angebot zum Abschluss eines Vergleichs unterbreitet. Wenn AN die 14.300,00 € zahle, würden weitere Forderungen nicht erhoben. Dieses Angebot ist AG auch wirksam zugegangen. Wann eine E-Mail wirksam zugeht, war bisher sehr streitig. Teilweise wurde die Ansicht vertreten, die E-Mail sei bereits zugegangen, wenn sie abrufbereit im Postfach liegt. Andere Stimmen gingen davon aus, der Abruf sei spätestens bis zum Ende der Geschäftszeit zu erwarten. Jedenfalls für den Fall, dass die E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird, hat der BGH diese Streitfrage nunmehr entschieden. Die E-Mail gilt mit diesem Zeitpunkt als zugegangen! Die E-Mail sei in den Machtbereich des AG gelangt, ob er diese abruft oder zur Kenntnis nimmt, sei für den Zugang unerheblich. Der Widerruf der E-Mail am 14.12.18 um 09.56 Uhr war daher verspätetet und mit seiner Zahlung vom 21.12.18 habe AG die Zahlung auch stillschweigend angenommen.

Fazit:
Über den Zugang von E-Mails gibt es immer wieder einmal Streit. Dieser Streit dürfte jedenfalls für den kaufmännischen Geschäftsverkehr jetzt beendet sein. Wer ein E-Mail-Postfach vorhält, dem geht eine als E-Mail abgegebene Willenserklärung in dem Augenblick zu, in dem sie abrufbereit auf seinem Server vorhanden ist. Darauf, ob der Empfänger diese E-Mail tatsächlich abruft oder zur Kenntnis nimmt, kommt es nicht an. Ist also nach dieser Rechtsprechung die E-Mail zugegangen, so kann sie auch nicht mehr widerrufen werden, denn § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt, dass eine Willenserklärung gegenüber Abwesenden nur dann widerrufen werden kann, wenn der Widerruf vorher oder gleichzeitig zugeht. Hier ging er aber später als die Willenserklärung ein. Dies wird bei E-Mails oder Faxen praktisch immer so sein. Wird die Willenserklärung hingegen per Post verschickt, ist es durchaus denkbar, dass ein Widerruf vorher oder zeitgleich (z. B. per Fax oder E-Mail!) zugeht. Bemerkenswert ist im Übrigen, dass der BGH die Annahme des Angebots des AN zum Abschluss eines Vergleichs (stillschweigend) in der Zahlung des AG am 21.12.2018, also immerhin eine Woche später, noch für rechtzeitig hält.


  Quelle: RA Michael Seitz


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