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Zukunftsorientiertes Bauen erfordert Umdenken

21.10.2015

Hybridbauweise löst konventionelle Herangehensweise an Projektierung und Projektabwicklung ab

Der Begriff „Hybrid“ steht spätestens seit der Einführung des Toyota Prius im Jahr 1997 im öffentlichen Fokus. Das damalige Ziel des japanischen Unternehmens: ein niedriger Benzinverbrauch durch die intelligente Kombination eines Benzinmotors mit zwei Elektromotoren – in Verbindung mit einer strömungsgünstigen Karosserieform. Heute sind Hybridbauweisen auch für das Bauhauptgewerbe nichts gänzlich Neues mehr. So wird etwa im Ingenieurbau bereits seit Jahren mit Stahlbetonverbundtechnologien gearbeitet – unter anderem bei Brückenbauwerken. Auch im Hochbau ist die Hybridbauweise immer häufiger der Schlüssel zur Lösung vielfältiger Bauaufgaben. Denn oftmals bewältigen diese intelligenten Bauweisen komplexe Herausforderungen hinsichtlich der Aspekte „Nachhaltigkeit“, „Effizienz“ und „Ablaufgeschwindigkeit der Baustelle“.

Durch die gezielte Kombination unterschiedlicher Materialien lassen sich – hinsichtlich eines speziellen Anforderungsprofils – Werkstoffeigenschaften erzielen, die durch den schlichten Einsatz einzelner Werkstoffe so unerreichbar wären. Hybridbauweisen werden daher sowohl auf Bauteil-, als auch Materialebene betrachtet. Im Fokus steht auf Bauteilebene dabei die werkstoffgerechte Produktionstechnologie – sowohl zwischen verschiedenen Materialien als auch zwischen den erforderlichen Verbundbauteilen. Dies wird unter anderem durch intelligente Kombinationen von mehreren Verfahren realisiert. Die Perspektive, dass mindestens zwei Materialien in einem bestimmten Verfahren Systemeigenschaften bekommen, die einen einzelnen Werkstoff ersetzen können, vergrößert die Möglichkeit aus Sicht von Architekten und Statikern, sich auch von Reinsystemen nicht mehr abhängig machen zu müssen.

Insbesondere den gängigen am Bau verwendeten Materialien für Primär- und Sekundärkonstruktionen wie Holz, Beton, Stahl und Aluminium – in den unterschiedlichen Qualitätsstufen – kommt in diesem Kontext eine besondere Bedeutung zu. Denn mit diesen vier Materialien können unterschiedliche Bauteilpaarungen entstehen und in der Folge individuelle, moderne Systeme entwickelt, konstruiert und gefertigt werden. Dabei ist es von Vorteil, wenn besagte Systeme nicht auf der Baustelle, sondern in der stationären Fertigung produziert werden.

Es gibt bereits einige erprobte Ansätze von Hybridbauweisen mit serieller Vorfertigung – zum Beispiel der Life Cycle Tower (LCT One) im österreichischen Dornbirn oder das Objekt H7 im westfälischen Münster, welches sich aktuell in der Umsetzungsphase befindet.

Eine intelligente Hybridbauweise unterscheidet sich im direkten Vergleich zu konventionellen Bauweisen dadurch, dass sich mit ihr Prozesse und bekannte Bauverfahren verändern. Zudem müssen diese neuen Systeme in der Lage sein, in den Herstellkosten eines Bauvorhabens vergleichbar zu bekannten, konventionellen Bauverfahren zu sein.

Der Einsatz hybrider Fertigteile kann in diesem Zusammenhang ganz flexibel gestaltet werden. Ein Bauvorhaben, das die Anwendung von Hybridbauweisen erforderlich macht, müsste idealerweise folgende Ausgangsparameter vorweisen:
- Bauort: innerstädtisch, Nachverdichtung, (Gewerbegebiet – steht in Abhängigkeit zur Masse)
- Bauart: Neubau, Bauen im Bestand, Sanierung
- Konstruktionen: Primärkonstruktion und/oder Sekundärkonstruktionen, Fassadenkonstruktionen
- Gründung: kostenintensiv bei konventioneller Bauweise
- Baustellenumgebung: eng
- Baustellenabwicklungszeit: kurz
- Aspekte des Auftraggebers: nachhaltig, emissionsfrei (Staub, Lärm)

Einfluss auf Prozesse, Effizienz und Nachhaltigkeit
Die Projektierung von Hybridbauweisen macht es erforderlich, sich mit den Hauptprozessen entlang der Prozesskette sowohl auf Seiten des Kunden als auch auf Seiten des ausführenden Unternehmens auseinanderzusetzen. Dabei kommt den Übergängen vom Kundenprozess zum Prozess beim ausführenden Unternehmen eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere die integrale Betrachtung der Eigenleistungen von Fremdleistungen (design-prefabrication-realization) (rote Umrandung i. d. Grafik) ist daher für die intelligente Hybridbauweise elementar.

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Prozesslandschaft aus Sicht Kunde und ausführendes Unternehmen.
Grafik: Brüninghoff

Integration bedeutet immer auch das „Wir-Gefühl“ zu stärken. Innerhalb des Eigenleistungs-Clusters tragen integrierende Ansätze zur effizienten Projektentstehung und -abwicklung daher maßgeblich sowohl zur Veränderung der Unternehmens- als auch der Baukultur bei. Bedeutende Punkte des integralen Ansatzes, die sich nicht selten auch von konventionellen Herangehensweisen, die in der Projektierung und Projektabwicklung von Bauvorhaben bis heute gängig sind, ablösen sind:

- Building Information Modeling
- Integrale Produktion
- Modellorientierte Logistik
- Nachhaltigkeit

Building Information Modeling (BIM)
Insbesondere im Zusammenhang mit intelligenten Hybridbauweisen wird die Methode BIM heute bereits sehr umfassend angewendet. Sie bezieht sich in diesem Kontext nicht nur auf die physikalischen und funktionalen Eigenschaften eines Gebäudes, die mittels eines Modells verwaltet werden. Vielmehr ist das effiziente Handling von möglichst allen projektrelevanten das erklärte BIM-Ziel. Dazu gehören beispielsweise auch die Verweise auf Ressourcen, Prozesse, schriftliche Dokumentationen, Kontakte, Plandokumentationen sowie auf weitere Informationen, die zum Projekterfolg beitragen und mit anderen Werkzeugen gebündelt werden. Durch die stationäre Vorfertigung von Hybrid-Systemen sind produktionsnahe Unternehmen bereits seit Jahren in der Lage, eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches BIM in der Praxis umzusetzen: modellorientiertes Arbeiten. Es hat den wesentlichen Nutzen, Informationen zwischen den einzelnen Teilprozessen und Aufgabengebieten wiederzuverwenden und somit Synergieeffekte zur Standardisierung effizient zu nutzen. Für die Hybridbauweise bedeutet dies: Durch die Anwendung der Methode BIM mit den Eigenschaften von Materialien und Bauweisen können ganze Bauteile und Systeme zu einem Produkt in einem einzigen Datenmodell aufgebaut werden. Die hybride Bauweise trägt daher maßgeblich dazu bei, die grundsätzlichen Philosophien des BIM – wie Transparenz, Effizienz und Sicherheit – erfolgreich in die Praxis umzusetzen.

Integrale Produktion
Die integrale Produktion begleitet das Bauvorhaben von der Projektidee bis zum fertigen Produkt. Entlang des integralen Produktionsansatzes liegen die Prozesse „Entwickeln“, „Konstruieren“, „Produzieren“ und „Montieren“ in einer Hand. Ein Maximum an Effizienz erlangt dieses System, wenn die Produktion hybrider Elemente an einem zentralen Standort erfolgt.

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Integrale Produktion innerhalb der Brüninghoff Gruppe am Standort Heiden.
Foto: Brüninghoff

Für die Hybridbauweise bedeutet eine integrale Produktion erhebliche Vorteile, um auch eine anspruchsvolle, individuelle Architektur zu realisieren. Eine solche Produktion lässt gerade in der Konzeptionsphase neuer Produkte den Prototypenbau zu. Von einer Null-Serien- bis zur Serien-Produktion werden verschiedene Varianten wertanalytisch betrachtet. Sie geben bereits frühzeitig wertvolle Informationen darüber, welche Materialien und Verfahren bei Bedarf zu optimieren sind.

Modellorientierte Logistik
Das Arbeiten im BIM-Verfahren sowie die integrale Produktion sind die Grundpfeiler einer bauteilbezogenen Termin- und Statusplanung. Auf Basis der physikalischen und funktionalen Eigenschaften des Gebäudemodells werden pro Bauteil oder Bauteilgruppe ein angepasster Status und ein Endtermin gepflegt. Dadurch bekommt das gesamte Gebäudemodell sowohl einen visualisierten als auch berechneten Teil- und Gesamtstatus – zu vergleichen mit dem Sendestatus eines Paketversenders.

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Bauteilbezogene Statusmeldung im BIM-Modell für ein Bürogebäude in Hybridbauweise.
Grafik: Brüninghoff

Unter dem Gesichtspunkt der modellorientierten Logistiksteuerung trägt dieses Verfahren maßgeblich dazu bei, die Wege und Prozesse auf dem Weg zur Baustelle sowie das Arbeiten später vor Ort effizienter zu gestalten. Insbesondere bei hybriden Fertigteilen ist der Umgang mit transparenten und schnell verfügbaren Termininformationen ein nachhaltiges und effizientes Vorgehen.

Nachhaltigkeit
Die Hybridbauweise hat einen gesteigerten Anspruch an eine hohe Qualität von der Planung bis zur Ausführung. Die integralen Ansätze für eine Null-Fehler-Toleranz tragen dazu bei, verstärkt Nachhaltigkeitsaspekte in die Realität umzusetzen. Letztere treffen für intelligente Hybridbauweisen wie folgt zu:
- Die Verschiedenartigkeit von Material- und Bauteilpaarungen trägt dazu bei, ressourcenschonender mit einzelnen Rohstoffen umzugehen.
- Mit Hilfe der integralen Produktion an einem zentralen Standort können entstehende Abfälle – zum Beispiel aus der Holzverarbeitung und Systemproduktion – zur Energieerzeugung wiederverwendet werden. Abfälle werden so einem alternativen Kreislauf zugeführt.
- Die serielle Vorfertigung von qualitativ hochwertigen, aber kosteneffektiven Bauteilen und Tragwerken zu hybriden Fertigteilen, beeinflusst auch Transport- und Baustellenabläufe in erheblichen Maß. Denn die wasser-, staub- und emissionsreduzierte Bauweise senkt den gesamten Energieeinsatz für ein Bauvorhaben signifikant.
- Der Baustoff Holz aus einer nachhaltig betriebenen Waldwirtschaft trägt als natürlicher Klimaschützer dazu bei, CO2-Belastungen zu begrenzen: So würde – nach aktuellen Berechnungsstandards der CO2-Bank – bei der Realisierung eines achtgeschossigen Bürogebäude in Hybridbauweise (nach aktueller Landesbauordnung Nordrhein-Westfalens) allein die Verwendung des Baustoffes Holz eine CO2-Einsparung von 264 Tonnen bewirken.

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264 Tonnen CO2 entsprechen 42 Flügen von Frankfurt nach Sydney.
Grafik: Brüninghoff

Veränderungen durch intelligente hybride Bauweisen
Der integrale Ansatz, den intelligente Hybridbauweisen einfordern, trägt dazu bei, dass sich Baukulturen und Unternehmensphilosophien einem erheblichen Veränderungsprozess stellen müssen. Kunden- und Nutzerbedürfnisse wie
- transparente Wirtschaftlichkeit
- individuelles Nutzerverhalten
- Wohlbefinden durch natürliches Raumklima
- nachhaltige Lebenszyklen
verändern Gebäudewelten in besonderem Maße: Immobilienprodukte müssen sich zukünftig zu individuellen Produktlösungen mit System und hoher Anpassungsfähigkeit entwickeln. Nicht zuletzt sind intelligente Gebäude im sozialen und kulturellen Denken und Handeln Kommunikations-Mittelpunkt. Sie müssen daher verstärkt den Menschen und seine Wertvorstellungen im Fokus haben. Intelligente Hybridbauweisen stehen bereits gegenwärtig für Beständigkeit. Es handelt sich bei ihnen um eine ausgereifte und zuverlässige Produktions- und Bautechnologie, die genügend Spielraum für Veränderung und Fortschritt bietet. In diesem teils emotionalen Wechselspiel muss die Faszination Hybridbauweise nachhaltig auch in Zukunft weitergeführt werden.


  Quelle: Dipl. Wirt. Ing. (Bau) (FH) Frank Steffens, Geschäftsführer der Brüninghoff GmbH & Co. KG, Heiden (Münsterland)


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