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Zulässigkeit einer Umstellung von detaillierter auf (teil)funktionale Ausschreibung?

26.01.2016

Von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Lüneburg hat mit Beschluss vom 07.10.2015 – VgK-31/2015 – u.a. Folgendes entschieden:

• Der Auftraggeber kann die Ausschreibungsbedingungen nachträglich noch ändern. Voraussetzung ist, dass dies für alle Bieter transparent und diskriminierungsfrei erfolgt.

• Die nachträgliche Umstellung einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (detaillierte Leistungsbeschreibung) in eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm (funktionale Leistungsbeschreibung) ist zulässig, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass zusammen mit der Bauausführung auch der Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb unterstellt wird.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte den Neubau einer Ortsumfahrung europaweit im offenen Verfahren in 4 Losen ausgeschrieben. Nebenangebote waren nicht zugelassen. Eines der Lose betraf die Herstellung eines Brückenbauwerks über Gleisanlagen. Das Leistungsverzeichnis (LV) sah in der Beschreibung zur Gründung die Herstellung von 1.500 Stück Sanddrains zur Bodenverbesserung vor. Der Rahmenterminplan gab für diese Leistung einen Zeitraum von 30 Tagen vor. Innerhalb der Angebotsphase sahen jedoch mehrere Bieter sowohl technische als auch zeitliche Probleme, die ausgeschriebenen 1.500 Sanddrains innerhalb der vorgegebenen Zeit herzustellen und schlugen dafür alternative Maßnahmen vor. Darauf entschied sich der AG noch vor der Submission, die konstruktive Beschreibung der Bodenverbesserungsmaßnahmen durch eine funktionale Beschreibung zu ersetzen und den Ausführungszeitraum auf 60 Tage zu erhöhen. Bieter A rügte diese Änderung als vergaberechtswidrig und stellte Nachprüfungsantrag.

Nach Ansicht der VK ist der Antrag des A unbegründet. A werde durch die von ihm beanstandeten Änderungen der Vergabeunterlagen nicht in seinen Bieterrechten aus § 97 Abs. 7 GWB i.V.m. § 7 Abs. 13 EG-VOB/A verletzt. Grundsätzlich solle eine Bauleistung gemäß § 7 Abs. 9 EG-VOB/A durch eine Baubeschreibung sowie durch ein in Teilleistungen gegliedertes LV ausgeschrieben werden. Ausnahmsweise dürfe abweichend davon neben der Bauausführung auch der Entwurf der Planung auf den Auftragnehmer übertragen werden, wenn dies nach Abwägung aller Umstände zweckmäßig sei. Es sei das Ziel eines Auftraggebers, das bestmögliche Ergebnis (technisch, wirtschaftlich und zeitlich) im Hinblick auf den Beschaffungsgegenstand zu erreichen. Offensichtlich sei dies dem AG mit der ursprünglichen konstruktiven Leistungsbeschreibung jedoch gerade nicht möglich gewesen. Aufgrund der verschiedenen Bieterhinweise habe der AG erkannt, dass auf Bieterseite weiteres Expertenwissen vorhanden sei, welches er sich zu Nutze machen könne, wenn er die erforderlichen Maßnahmen zur Bodenverbesserung nicht vorab festlege, sondern den Entwurf entsprechender Ausführungsplanungen den Bietern überlasse. Der Wechsel im laufenden Vergabeverfahren zur funktionalen Leistungsbeschreibung erfolge hier, um vom „Know-how“ der Bieter zu profitieren und nicht in erster Linie, um Risiken auf die Bieter zu verlagern. Dies sei legitim. Dass die Erwägungen des AG zur Umstellung auf eine funktionale Leistungsbeschreibung zweckmäßig gewesen seien, zeige sich auch daran, dass kein Bieter die ursprünglich vorgesehene Ausführung des Amtsentwurfs angeboten habe, nicht einmal der antragsstellende Bieter A. Es könne dem AG nicht verwehrt sein, ein offensichtlich nicht zielführendes Ausführungsvorgehen sehenden Auges beizubehalten. Im Übrigen erfolge die Änderung der Vergabeunterlagen in transparenter Weise und führe zu keiner Diskriminierung der Bieter. Mit dem Wechsel zu einer (teil)funktionalen Leistungsbeschreibung und der Übertragung bestimmter Planungsaufgaben werde den Bietern auch kein ungewöhnliches Wagnis auferlegt.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

 

Anmerkung:
Wie die Entscheidung zeigt, kann ein öffentlicher Auftraggeber vor der Submission durchaus Ausschreibungsbedingungen korrigieren bzw. nachträglich ändern, wenn er sich davon ein – insbesonders technisch – besseres Ausschreibungsergebnis verspricht. Wie der Tenor der Entscheidung zeigt, muss er dies für alle Bieter transparent und diskriminierungsfrei tun und darf den Bietern durch die Änderung auch kein ungewöhnliches Wagnis auferlegen.

  Quelle:


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