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Zum Angebotsausschluss in einem VOF-Verfahren

15.12.2015

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Sachsen hat mit Beschluss vom 10.09.2015 – 1/SVK/022-15 – u.a. Folgendes entschieden:

• Für ein Verhandlungsverfahren nach der VOF ergibt sich aus den übergeordneten Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz des Vergabeverfahrens, dass Angebote, die Angebotsbedingungen nicht einhalten, vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen sind.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Planungsleistungen für die Erweiterung eines denkmalgeschützten Schulkomplexes in einem nichtoffenen, hochbaulichen Planungswettbewerb nach der VOF ausgeschrieben. Das Architekturbüro A ging dabei als erster Preisträger hervor.

In der Aufforderung zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren war in vorgedruckten Vertragskonditionen u.a. auf Folgendes hingewiesen:
„Für das Vorhaben gibt es eine Kostenobergrenze, welche in den KGR 300 – 400 bei xx,x Mio. Euro brutto und bei den KGR 500 bei ca. xx,x Mio. Euro brutto liegt. Eine sich im Verlauf der Planung abzeichnende Unmöglichkeit der Einhaltung des Baukostenlimits ist vom Auftragnehmer unverzüglich anzuzeigen und die Zustimmung für eine Erhöhung bzw. Veränderung der Aufteilung schriftlich vom Auftraggeber einzuholen.“

Im folgenden Verhandlungsgespräch mit A waren insbesondere die Kosten strittig, die mit dem preisgekrönten Entwurf verbunden waren. Der AG forderte von A, die Kostenobergrenze einzuhalten, was aus Sicht des A nicht möglich war. A machte dafür Kostenelemente verantwortlich, die auf besonderem Wunsch des AG beruhten und zu den Kosten für seinen Entwurf hinzuaddiert werden müssten. Nachdem eine Einigung über diese Kosten nicht gelang, schloss der AG das Angebot des A mit der Begründung aus, dass A nicht bereit sei, die Auftragsbedingungen mit der Kostenobergrenze uneingeschränkt zu akzeptieren. Dagegen wehrte sich A mit Nachprüfungsantrag.

Die VK ist der Ansicht, dass das Angebot des A nicht auszuschließen sei. Richtig sei zunächst, dass im Anwendungsbereich der VOF – im Gegensatz zu VOB/A und VOL/A – grundsätzlich keine Regelung existiere, nach der Angebote, die Änderungen an den Vergabeunterlagen enthielten, von der weiteren Wertung auszuschließen seien. Allerdings ergebe sich auch für ein Verhandlungsverfahren nach VOF aus den übergeordneten Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz des Vergabeverfahrens, dass Angebote, die Angebotsbedingungen nicht einhielten, vom weiteren Verfahren auszuschließen seien. Diese Grundsätze seien Ausdruck des § 97 Abs. 1 und 2 GWB, die als höherrangigeres Recht den Vorschriften der VOF vorgingen und damit unmittelbare Geltung auch in der VOF beanspruchten. Verzichte ein Auftraggeber gegenüber einzelnen Bietern auf die Einhaltung bestimmter bekanntgemachter Standards, ohne die Anforderungen an alle Angebote in transparenter und diskriminierungsfreier Weise geändert zu haben, verstoße er gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB. Dabei gehörten verbindliche Baukostenobergrenzen durchaus zur Definition des Auftragsgegenstandes, d.h. des bekanntgemachten Standards, denn sie beträfen die Voraussetzungen, die ein Angebot erfüllen müsse, um den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers zu entsprechen. Voraussetzung für einen derartigen Ausschluss sei allerdings, dass sich eine zwingend einzuhaltende Baukostenobergrenze tatsächlich aus den Vergabeunterlagen ergebe, was hier aber nicht der Fall sei. Denn die im ursprünglichen Vertragsentwurf vorgesehene Regelung zur Baukostenobergrenze enthielt die Klausel, wonach der Architekt den AG informieren müsse, wenn sich im Verlauf der Planung abzeichne, dass die Baukostenobergrenze nicht eingehalten werden könne. Das Szenario der Unmöglichkeit der Einhaltung des Baukostenlimits war also von Anfang an in die Ausgestaltung des Verhandlungsverfahrens mit einbezogen worden. Insoweit sei die Kostenobergrenze nicht als statisch und unverrückbar anzusehen; vielmehr sei sie von der ermessensgebundenen Zustimmung des AG abhängig.

Allerdings könne die Frage, ob der Entwurf des A in finanzieller Hinsicht umgesetzt werden könne, im Rahmen der Zuschlagsentscheidung nach § 17 Abs. 1 VOF berücksichtigt werden. Die Verpflichtung des Auslobers zur Übertragung weiterer Planungsleistungen bestehe nach § 17 VOF gegenüber allen Preisträgern; der AG sei also nicht an eine vom Preisgericht festgelegte Rangfolge gebunden. Die Verpflichtung des Auslobers zur Übertragung weiterer Planungsleistungen gegenüber den Preisträgern entfalle, wenn dieser ein wichtiger Grund entgegenstehe. Für das Vorliegen eines solchen „wichtigen Grunds“ reiche es aus, dass ein Auslober hinreichend sachliche Gründe habe, die es angesichts der beschränkten Bindung durch seine Zusage im Architektenwettbewerb unzumutbar erscheinen lasse, ihn an dieser Verpflichtungserklärung festzuhalten. Dabei müsse es sich um einen außerordentlichen, erst nach der Auslobung aufgetretenen oder bekannt gewordenen Umstand handeln, damit der Auslober den durch den Wettbewerb und das Preisgericht begründenden Status der Preisträger nicht umgehen bzw. beseitigen könne. Hier könne von einem solch wichtigen Grund ausgegangen werden. Denn nach Abschluss des Verhandlungsverfahrens sei offen zu Tage getreten, dass sich die Realisierung des Wettbewerbsentwurfs des A unter Einhaltung der Kostenobergrenze bei gleichzeitiger Erfüllung des vorgegebenen Raumprogramms nicht werde realisieren lassen. Eine solche Nichteinhaltung eines vorgegebenen, dem AG zur Verfügung stehenden Kostenrahmens durch eine vom Preisträger mehrfach überarbeiteten Planungsentwurfs sei ein solcher „sonstiger wichtiger Grund“ im Sinne des § 17 Abs. 1 VOF, der zur Nichtberücksichtigung des Angebotes berechtige.

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RA Michael Werner

Partner in der Kanzlei
ZIRNGIBL LANGWIESER
Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Haus Cumberland
Kurfürstendamm 194
D - 10707 Berlin
E-Mail: M.Werner@zl-legal.de
www.zl-legal.de

Anmerkung:
Hier hat das Architekturbüro A auf den ersten Blick obsiegt, da die Vertragsklausel des AG so formuliert war, dass eine zwingend einzuhaltende Baukostenobergrenze aus den Vergabeunterlagen nicht zu entnehmen war. Letztlich weist die VK jedoch darauf hin, dass die Tatsache, dass A hier erklärt hat, den Kostenrahmen nicht einhalten zu können, durchaus im Rahmen der Auftragserteilung gemäß § 17 Abs. 1 VOF vom AG berücksichtigt werden kann.

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