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Zum Angebotsausschluss wegen Änderung der Vergabeunterlagen

26.05.2023

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 04.01.2023 – VK 1-105/22 – folgendes entschieden:

 

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1. Ändert das Angebot des Bieters die Vergabeunterlagen ab, ist es zwingend auszuschließen. Eine solche Änderung an den Vergabeunterlagen liegt z. B. vor, wenn der Bieter durch handschriftliche Ergänzungen weitere Unterlagen zum Vertragsinhalt erklärt als der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen vorgesehen hat.
2. Auch wenn Angebote nicht unnötig aus formalen Gründen ausgeschlossen werden sollen - jedenfalls wenn es sich um an sich vermeidbare, nicht gravierende formale Mängel handelt -, gilt dies nur dann, wenn das Angebot durch bloßes Streichen der von den ausgeschriebenen Vorgaben abweichenden Bieterangaben auf den maßgeblichen Inhalt der Vergabeunterlagen "zurückgeführt" werden kann.
3. Bei "manipulativen Eingriffen" in die Vergabeunterlagen, also in den Fällen, in denen ein Angebot inhaltlich von den ausgeschriebenen Vorgaben abweicht und kein vollständiges, sondern ein lückenhaftes Angebot vorliegt, wenn man die Abweichungen des Bieters hinwegdenkt, ist das Angebot auszuschließen.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte den Ersatzneubau von Ufereinfassungen im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Zuschlagskriterien waren zu je 50 Prozent der Preis und der Technische Wert. Die Vergabeunterlagen enthielten u.a. das Formular „Angebotsschreiben“, das als „Anlagen, die Vertragsbestandteil werden“ das „Leistungsverzeichnis (LV) mit den Preisen sowie den geforderten Angaben und Erklärungen“ auswies. In der Baubeschreibung war u.a. folgendes vorgesehen: "Mit Angebotsabgabe hat der AN unter Beachtung aller Randbedingungen einen schlüssigen Bauablaufplan vorzulegen. Dieser ist während der Baumaßnahme fortzuschreiben." Mehrere Bieter gaben Angebote ab, so auch Bieter A. In seinem „Angebotsschreiben“ hatte A die vom AG voreingetragenen Zeilen bzgl. der „Anlagen, die Vertragsbestandteil werden“ handschriftlich um neun weitere, dort vom AG nicht genannte Unterlagen ergänzt wie ein Gerätekonzept und den Bauzeitenplan. Der AG schloss darauf das Angebot des A wegen Änderungen aus, wogegen sich der A mit Nachprüfungsantrag wehrte.

Die VK gibt dem AG Recht, da das Angebot des A wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen gemäß § 16 EU Nr. 2 i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5, Satz 2 VOB/A zwingend auszuschließen war. Nach der Rechtsprechung liege eine solche Änderung immer dann vor, wenn ein Bieter etwas Anderes anbiete als ausgeschrieben worden sei (siehe z.B. OLG Düsseldorf, B. v. 27. 10. 2021 - Verg 24/21).

Das Formular "Angebotsschreiben" weise aufgrund des vom AG gesetzten Kreuzchens als "Anlagen, die Vertragsbestandteil werden", das "Leistungsverzeichnis/Leistungsprogramm (...) mit den Preisen sowie den geforderten Angaben und Erklärungen" aus. Anders als A meine, ergebe sich hier aus den Vergabeunterlagen für einen objektiven Bieter auch hinreichend eindeutig, was Vertragsbestandteil werde. Denn das Angebotsschreiben sei die einzige Unterlage, aus der abschließend hervorgehe, welche Anlagen Vertragsbestandteil werden sollten.

A habe diese Liste handschriftlich ergänzt durch den Zusatz weiterer Unterlagen wie u.a. das Gerätekonzept und den Bauablaufplan. Damit habe A in seinem Angebot die Vergabeunterlagen geändert. Denn er habe durch seine handschriftlichen Ergänzungen weitere Unterlagen zum Vertragsinhalt erklärt als der AG dies in den Vergabeunterlagen vorgesehen habe.

Dem Angebotsausschluss stehe auch nicht entgegen, dass A durch seine handschriftlichen Ergänzungen lediglich etwas nachgeholt habe, das der AG seinerseits zu Unrecht versäumt habe (so Meinung von A). Denn selbst wenn man das Argument des A als zutreffend unterstellen würde, dass alle Angebotsunterlagen eines Bieters, die für die Wertung anhand der Zuschlagskriterien herangezogen würden, Vertragsbestandteil werden müssten, dann würde dies hier lediglich für den Bauablaufplan und das Gerätekonzept gelten. Denn nur diese beiden vom Bieter zu erstellenden Anlagen zu seinem Angebot seien gemäß des LV solche im Vergabeverfahren vorzulegende Unterlagen. In seinen handschriftlichen Ergänzungen des Angebotsschreibens habe A jedoch sieben weitere Angebotsunterlagen aufgezählt, die nicht einmal nach seiner eigenen Argumentation Vertragsbestandteil sein müssten (das Entsorgungskonzept, die Erklärung IT-Sicherheit u.v.m.).

Dass es sich bei den von A ergänzten Leistungspositionen um Arbeiten in einem sehr geringen Umfang handele, stehe dem Angebotsausschluss ebenfalls nicht entgegen. Ein Angebot sei nämlich nur dann zuschlagsfähig, wenn es in allen seinen Teilen den ausgeschriebenen Vorgaben entspreche. Denn ein Bieter sei ohne Einschränkung an die in den Vergabeunterlagen im Einzelnen präzisierte Nachfrage des Auftraggebers gebunden, alle diese Vorgaben würden im Fall des Zuschlags insgesamt Vertragsinhalt. Denn abgesehen davon wären die Angebote sonst nicht miteinander vergleichbar.

Auch wenn die Auffassung vertreten werde, dass Angebote nicht unnötig aus formalen Gründen ausgeschlossen werden sollten, jedenfalls wenn es sich um an sich vermeidbare, nicht gravierende formale Mängel handele, gelte dies allerdings auch nach der von A zitierten Entscheidung des BGH vom 18. Juni 2019 (Az. X ZR 86/17) nur dann, wenn das Angebot durch bloßes Streichen der von den ausgeschriebenen Vorgaben abweichenden Bieterangaben auf den maßgeblichen Inhalt der Vergabeunterlagen "zurückgeführt" werden könne. Bei "manipulativen Eingriffen" in die Vergabeunterlagen, also in den Fällen, in denen ein Angebot inhaltlich von den ausgeschriebenen Vorgaben abweiche und kein vollständiges, sondern ein lückenhaftes Angebot vorliege, wenn man die Abweichungen des Bieters hinwegdenke, sei das Angebot jedoch auch nach dieser Auffassung auszuschließen.

Anmerkung:

Auch wenn das strikte Verbot von Änderungen der Vergabeunterlagen eine gewisse Aufweichung erfahren hat – siehe Tenor Nr. 2 der Entscheidung – ist weiterhin absolut übergeordnetes Ziel, die Vergleichbarkeit der Angebote zu gewährleisten. Daher spielt es auch keine Rolle, ob die vom Bieter vorgenommenen Änderungen wichtige oder eher unwichtige Positionen betreffen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob ein Bieter die Vorgaben der Vergabeunterlagen für falsch oder unzweckmäßig hält oder ob die Abweichungen letztlich irgendeinen Einfluss auf das Wettbewerbsergebnis haben können.

Entspricht die angebotene nicht der ausgeschriebenen Leistung, darf sie aus Gründen des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung auch dann nicht gewertet werden, wenn sie gleich- oder sogar höherwertig ist.

  Quelle: RA Werner


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