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Zum Ausschluss wegen abgestimmter Verhaltensweisen

26.01.2021

von RA Michael Werner

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 12.10.2020 – VK 2-77/20 – folgendes entschieden:

• Die Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB erfasst neben den abgestimmten Verhaltensweisen auch Vereinbarungen, die ein Unternehmen zu wettbewerbsbeschränkenden Zwecken mit anderen Unternehmen abschließt.

• Eine strafbare Submissionsabsprache erfüllt zugleich auch den Tatbestand der wettbewerbseinschränkenden Vereinbarung einer Kartellordnungswidrigkeit.

• Hinreichende Anhaltspunkte für eine Submissionsabsprache bestehen auch dann, wenn ein Bußgeldbescheid des Bundeskartellsamts wegen einer Submissionsabsprache noch nicht rechtskräftig ist, weil der betroffene Bieter hiergegen Beschwerde eingelegt hat.

• Sind etwaige Selbstreinigungsmaßnahmen auf gesonderter Anlage mit dem Angebot darzulegen und nachzuweisen, muss der Auftraggeber dem Bieter vor einem Ausschluss keine Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen, wenn die Offenlegung zweieinhalb Wochen nach Ablauf der Angebots- bzw. Teilnahmefrist erfolgt ist.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte TGA-Leistungen in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit ausgeschrieben. Zu den Unterlagen, welche die Teilnehmer mit dem Teilnahmeantrag einzureichen hatten, gehörte eine vorformulierte „Eigenerklärung über das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen gem. §§ 123 und 124 GWB“, die versehen war mit dem Hinweis: „Etwaige Selbstreinigungsmaßnahmen im Sinne des § 125 GWB sind auf gesonderter Anlage mit dem Angebot darzulegen und nachzuweisen.“ Bieter A unterschrieb die Eigenerklärung und reichte die Teilnahmeunterlagen fristgerecht ein. Gut zwei Wochen nach Fristablauf erklärte A ergänzend zu seinem Teilnahmeantrag, dass seitens des Bundeskartellamts – bereits vor Ablauf der Teilnahmefrist – ein Bußgeldbescheid in Millionenhöhe gegen ihn wegen des Verdachts der Beteiligung an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Bereich der TGA ergangen sei, gegen den er Rechtsmittel eingelegt habe. Nach Bekanntgabe des Verdachts in 2015 habe er umfangreiche Selbstreinigungsmaßnahmen durchgeführt; so seien auch die vom Ermittlungsverfahren beteiligten Mitarbeiter heute im Unternehmen nicht mehr beschäftigt. Der AG schloss daraufhin den A gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB aus, wogegen sich A nach Rüge mit seinem Nachprüfungsantrag wehrte.

Die VK gibt hier dem AG Recht; die Entscheidung, die Eignung des A zu verneinen sei nicht zu beanstanden. Der Anwendungsbereich des fakultativen Ausschlussgrundes des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB sei eröffnet, auch dessen Voraussetzungen lägen vor. Neben den abgestimmten Verhaltensweisen erfasse § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB Vereinbarungen, die ein Unternehmen zu wettbewerbsbeschränkenden Zwecken mit anderen Unternehmen abschließe. Auch eine Submissionsabsprache als Straftat i.S.d. § 298 Abs. 1 StGB erfülle zugleich – als besonderer Fall – den Tatbestand der wettbewerbseinschränkenden Vereinbarung. Nach der Systematik der gesetzlichen Ausschlusstatbestände knüpften die Fallgruppen der zwingenden Ausschlussgründe des § 123 GWB an das Vorliegen von rechtskräftigen Entscheidungen an. Der Gesetzgeber habe sich dabei bewusst entschieden, die Straftat des § 298 StGB nicht als Katalogtat in § 123 Abs. 1 GWB aufzunehmen. Bei den fakultativen Ausschlussgründen des § 124 GWB werde dagegen nicht das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung verlangt. Für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB sei vielmehr der Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts maßgeblich. Dieser Bescheid sei zwar nicht rechtskräftig, da A hiergegen Beschwerde eingelegt habe. Es sei damit noch nicht sicher, ob dem A wirklich ein Verstoß gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB) zur Last zu legen sei. Einer solchen abschließenden Sicherheit im Sinne eines feststehenden und unumstößlichen Ergebnisses bedürfe es aber nicht, denn der Anwendungsbereich von § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB würde zu weit eingeschränkt, wenn man die „hinreichenden Anhaltspunkte“ in einem solch engen Sinn verstehen würde. Liege eine Entscheidung des Bundeskartellamts vor, so sei es nicht zu beanstanden, wenn ein Auftraggeber hieran anknüpfe und daraus die hinreichenden Anhaltspunkte ableite.

A habe in seinem Schreiben, in welchem er den AG erstmals über die kartellrechtlichen Ermittlungen und über das Vorhandensein des Bußgeldbescheids informierte, auch Selbstreinigungsmaßnahmen angeführt (§ 125 GWB). Diesen Vortrag habe der AG ausweislich der Stellungnahme, welche seiner Ausschlussentscheidung angefügt gewesen sei, auch zur Kenntnis genommen und gewürdigt, die Maßnahmen jedoch als nicht belegt und im Ergebnis als nicht ausreichend angesehen. Mit Übersendung der Stellungnahme habe der AG dem A gem. § 125 Abs. 2 S. 2 GWB zwar mitgeteilt, warum er die Maßnahmen als unzureichend bewerte. Allerdings sei der AG grundsätzlich nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen gehalten gewesen, dem A vor dem Ausschluss rechtliches Gehör in diesem Punkt zu geben, indem A vor dem Ausschluss die Möglichkeit einer Stellungnahme zur Auffassung des AG eingeräumt werde. Denn mit der Entscheidung, die Eignung nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB zu verneinen, seien für A schwerwiegende Konsequenzen verbunden; er werde von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen und habe entsprechende Nachteile auch für Vergabeverfahren anderer öffentlicher Auftraggeber zu befürchten. Allerdings liege hier ein vorangehendes Defizit des A darin, dass er dem AG nicht schon binnen der Teilnahmefrist den Kartellsachverhalt nebst Selbstreinigungsmaßnahmen mitgeteilt habe, zumal der AG mit der „Eigenerklärung über das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach § 123 und § 124 GWB“, die Teil der Teilnahmeunterlagen gewesen sei, ausdrücklich den Hinweis gegeben habe, dass ggfs. Selbstreinigungsmaßnahmen darzulegen seien. Eine Offenlegung der Selbstreinigung sei aber erst mit Schreiben des A ca. zweieinhalb Wochen nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Teilnahmeanträge erfolgt, ohne dass ein erklärender oder rechtfertigender Grund für die Verspätung erkennbar gewesen sei.

Der AG sei daher bei diesem Sachverhalt nicht gehalten gewesen, seinerseits noch exakt das Verfahren durchzuführen, welches bei fristgerechter Offenlegung des Sachverhalts geboten gewesen wäre. Ohnehin sei das rechtliche Gehör nach dem Ausschluss über die Rüge und die Rügeantwort nachgeholt worden, so dass das Verfahren letztendlich und angesichts des konkreten Sachverhalts nicht zu beanstanden sei.

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Anmerkung:
Folgende Aussagen dieser Entscheidung sind wesentlich und festzuhalten: Im Falle einer Submissionsabsprache i.S.v. § 298 StGB ist nicht der zwingende Ausschlussgrund des § 123 GWB einschlägig, sondern der fakultative des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Dieser eröffnet dem AG einerseits ein Ermessen, andererseits bedarf es für den Ausschluss keiner rechtskräftigen Verurteilung, d.h. ein Bußgeldbescheid z. B. einer Kartellbehörde ist danach ausreichend. Verweist ein Bieter auf von ihm durchgeführte Selbstreinigungsmaßnahmen gem. § 125 GWB, muss er dies VOR Ablauf der Teilnahme- bzw. Angebotsfrist tun.

In diesem Fall hat der AG dann vor einem Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB dem Bieter Gelegenheit zu rechtlichem Gehör zu geben. Ist die Frist dagegen bereits abgelaufen, braucht er dieses rechtliche Gehör nicht mehr zu gewähren.

  Quelle:


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