zurück

Zum Nachweis der Gleichwertigkeit mit einem Leitfabrikat

10.05.2013

Die Vergabekammer (VK) Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 17. Januar 2013 – 1 VK 44/12 – u. a. folgendes entschieden:

Wird in einem Leistungsverzeichnis ausnahmsweise auf ein Leitprodukt /-fabrikat verwiesen, muss der Bieter, der ein gleichwertiges Produkt anbietet, der Vergabestelle prüffähige Unterlagen oder Hinweise auf die technischen Anforderungen einreichen, die sein Alternativprodukt erfüllt. Nur so kann die Vergabestelle eine Gleichwertigkeitsprüfung durchführen.

Bei einem bestehenden Krankenhaus soll durch einen Umbau der Schallschutz verbessert werden. Die Schallschutzwerte, die in der Leistungsbeschreibung genannt werden, sollen u. a. durch ein neues Fenstersystem eingehalten werden, dessen Ausführung durch Baupläne festgelegt und für das ein Leitfabrikat angegeben war. Die Einhaltung dieser Schallschutzwerte musste vom Bieter in Zusammenarbeit mit dem Fabrikathersteller mittels eines Prüfzeugnisses bestätigt werden. Andere Fabrikate waren nur zugelassen worden, wenn Bieter den Nachweis der Gleichwertigkeit in Bezug auf die in der Leistungsbeschreibung angegebenen Anforderungen erbringen würden. Der Bieter A bot hierauf ein anderes als das Leitfabrikat an und wich zur Einhaltung der Schallschutzwerte von den Bauplänen ab. Trotz Nachforderung legte er ein Prüfzeugnis zur Gleichwertigkeit nicht vor – mit der Folge, dass sein Angebot ausgeschlossen wurde. A leitete darauf ein Nachprüfungsverfahren ein, in dem er u. a. geltend macht, dass auch mit dem Leitfabrikat die Schallschutzwerte nicht ohne Änderung der Baupläne eingehalten werden könnten und dass es weder für das von ihm angebotene Fabrikat noch für das Leitfabrikat das geforderte Prüfzeugnis überhaupt gebe. Die VK hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Das Angebot des A sei zu Recht ausgeschlossen worden, da er keine prüffähigen Nachweise geliefert habe, dass sein Produkt gleichwertig mit dem genannten Leitfabrikat sei und die geforderten Schallschutzwerte einhalte. Die nachträgliche Abänderung des Angebots des A sei gemäß § 15 EG Abs. 3 VOB/A unzulässig. Die mögliche Tatsache, dass auch bei Verwendung des Leitfabrikats die vorgegebenen Schallschutzwerte nur bei Abweichung von den Bauplänen eingehalten werden könnten, d. h., dass beide Fabrikate gleichwertig seien und mit beiden die Anforderungen der insoweit widersprüchlichen Leistungsbeschreibung nicht eingehalten werden könnten, habe der Bieter A hier verspätet gerügt. Deshalb sei dieser Einwand ebenso wenig entscheidungserheblich wie die Behauptung, dass es das geforderte Prüfzeugnis auch für das Leitfabrikat gar nicht gebe. Allerdings hätte bei rechtzeitiger Rüge der AG die behauptete Widersprüchlichkeit der Leistungsbeschreibung überprüfen müssen, z. B. durch ein Sachverständigengutachten. Im Weiteren gibt die Vergabekammer wertvolle Hinweise zum Nachweis der Gleichwertigkeit mit einem Leitfabrikat. Ein Verweis auf ein Leitprodukt /-fabrikat sei gemäß § 7 EG Abs. 8 Satz 2 VOB/A ausnahmsweise dann zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden könne. Solche Verweise seien mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen. Allerdings bestimme § 7 EG Abs. 8 Satz 2 VOB/A grundsätzlich nicht, dass der Bieter den Nachweis der Gleichwertigkeit mit dem Leitfabrikat erbringen müsse. Vielmehr reiche es aus, wenn der Bieter in seinem Angebot die Gleichwertigkeit des angebotenen Alternativprodukts mit dem Leitfabrikat behaupte und die Vergabestelle dies im Rahmen ihrer technischen Angebotsprüfung untersuche, aber auch untersuchen könne. Demzufolge müsse eine Vergabestelle vom Bieter prüffähige Unterlagen oder Hinweise auf die technischen Anforderungen bekommen, die sein Alternativprodukt erfülle. Nur so werde ein AG in die Lage versetzt, eine Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen. Diese könne auch mitunter komplexer und tatsächlich umfangreicher sein als zuvor genau den Bietern in der Leistungsbeschreibung darzulegen, worauf es hinsichtlich des Beschaffungsgegenstands eigentlich ankomme.

RA_Werner_online.jpg

Anmerkung:
Insbesondere die zuletzt genannten Hinweise zum Nachweis der Gleichwertigkeit mit dem Leitfabrikat sind von großem Interesse. Bieter sollten sich daher bei einem Nachweis der Gleichwertigkeit mit einem angebotenen Leitfabrikat genau überlegen, ob sie den Auftraggeber in die Lage versetzen können, auf Basis prüfbarer Unterlagen bzw. technischer Anforderungen die Gleichwertigkeitsprüfung tatsächlich durchführen zu können.

  Quelle: RA Michael Werner


Gratis Gastzugang

Submissions-Anzeiger | Tageszeitung-Ad

Aktuelles
Seminarangebot

Baurecht- und Vergabeseminare