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Zum Unterschied zwischen Eignungsleihe und Nachunternehmereinsatz

23.08.2022

 

Die Vergabekammer (VK) Sachsen hat mit erst jetzt veröffentlichtem Beschluss vom 24.11.2021 u.a. folgendes entschieden:

1. Die Eignungsleihe nach § 6d EU VOB/A ist vom Nachunternehmereinsatz nach § 36 VgV zu unterscheiden. Im Rahmen der Eignungsleihe bedient sich ein Bieter der Kapazitäten dritter Unternehmen, um seine für die Ausschreibung geforderte Eignung nachzuweisen. Unterauftragsvergabe bedeutet, dass ein Unternehmen ein drittes Unternehmen mit der Ausführung des gesamten Auftrags oder von Teilen davon betraut.
2. Der Bieter hat im Angebot ausdrücklich oder zumindest konkludent, aber vom Empfängerhorizont her unmissverständlich geltend zu machen, dass er sich zum Nachweis der Eignung einer Eignungsleihe bedienen will. Hieran sind keine hohen Anforderungen zu stellen; der Bieter muss nur irgendwie kenntlich machen, dass er die Eignungsleihe zur Nachweisführung seiner Eignung beabsichtigt, damit der Auftraggeber diesem Aspekt im Rahmen seiner Aufklärungspflichten, hier gem. § 15 EU VOB/A, nachgehen kann.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Tiefbauarbeiten im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Neben anderen Eignungskriterien forderte er zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit einen bestimmten Mindestumsatz in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren sowie eine Mindestanzahl von 35 Mitarbeitern. Bieter A gab im entsprechenden Formblatt 235 an, dass er sich in den Leistungsbereichen X und Y anderer Unternehmer bedienen wolle. Der AG teilte darauf mit, dass das Angebot des A wegen Nichterfüllung der Mindestkriterien an Umsatz und Mitarbeiter ausgeschlossen werde. A rügte dies und verwies auf die Möglichkeit der Eignungsleihe gemäß § 6d Abs. 1 EU VOB/A für den Nachweis der Eignung. Er beabsichtige den Einsatz des Nachunternehmers K; gemeinsam mit K wären die geforderten Mindestkriterien erfüllt. Zwar habe er den K im Formblatt 235 nicht namentlich benannt, dies sei aber auch nicht gefordert gewesen. Nach Nichtabhilfe der Rüge beantragte A Nachprüfung.
Die VK gibt hier dem AG Recht; der Ausschluss des Angebotes des A sei nach § 16b EU Abs. 1 VOB/A rechtmäßig. Bieter A habe seine Eignung weder in eigener Person noch im Wege der Eignungsleihe nachgewiesen. A habe hier im Formblatt 235 angegeben, dass und in welchen Leistungsbereichen er sich zur Ausführung der im Angebot enthaltenen Leistungen anderer Unternehmer als Nachunternehmer (NU) bedienen werde. Aus dieser bloßen Benennung des beabsichtigten NU - Einsatzes sei aber nicht ableitbar, dass eine Eignungsleihe beabsichtigt sei, da dies zwei unterschiedliche Formen der Inanspruchnahme anderer Unternehmen seien.
Gemäß § 6 d EU VOB/A EU (i. V. m. Formblatt 212) wäre A verpflichtet gewesen, im Angebot ausdrücklich oder zumindest konkludent, aber vom Empfängerhorizont her unmissverständlich geltend zu machen, dass er sich - ggf. zusätzlich zum beabsichtigten NU-Einsatz - zum Nachweis der Eignung einer Eignungsleihe bedienen wolle. Dabei seien keine hohen Anforderungen an die diesbezüglichen Angaben des Bieters im Angebot zu stellen. Der Bieter müsse nur irgendwie kenntlich machen, dass er die Eignungsleihe zur Nachweisführung seiner Eignung beabsichtige, damit der Auftraggeber diesem Aspekt im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nach § 15 EU VOB/A nachgehen könne.
Eine solche Kenntlichmachung der Eignungsleihe sei durch A jedoch im Angebot nicht erfolgt. Ein auf Formblatt 235 irgendwie getätigter (zufälliger) Eintrag, der für den Auftraggeber erkennbar an dieser Stelle fehlerhaft sei, weil er ganz klar keinen Bezug zu einer beabsichtigten Eignungsleihe habe, könne dann aber nicht dazu führen, hieraus im Nachgang eine Eignungsleihe zu konstruieren oder den Auftraggeber zu verpflichten, das Angebot im Hinblick auf eine Eignungsleihe aufzuklären. Damit nämlich könnte sich ein Bieter rechtsmissbräuchlich einen Vorteil dadurch schaffen, dass er sich eine im Zeitpunkt der Angebotserstellung noch nicht beabsichtigte Eignungsleihe durch einen bloßen Eintrag in die untere Tabelle des Formblattes 235 für einen späteren Zeitpunkt vorbehalte.
Hinzu tritt, dass K, auf deren eignungsleihende Funktion sich A nunmehr berufen möchte, weder im Formblatt 235, noch sonst im Angebot des A namentlich benannt sei. Wäre, wie vorgetragen, eine Eignungsleihe in Bezug auf die notwendige Mitarbeiterzahl beabsichtigt gewesen, so hätte A die Inanspruchnahme dieser Kapazitäten unschwer auf der Liste erwähnen können, in der er seine eigenen (zahlenmäßig nicht ausreichenden) Mitarbeiter aufgeführt hatte. Auch dieser Umstand spricht gegen die Auslegung, A habe bereits bei Angebotsabgabe eine Eignungsleihe bei K beabsichtigt.
Auch aus den sonstigen Unterlagen und Umständen des Angebotes, insbesondere aus der von A im Verfahren vorgetragenen Tatsache, die Absicht zur Eignungsleihe ergebe sich daraus, dass er überhaupt ein Angebot abgegeben habe, könne die Eignungsleihe nicht geschlussfolgert werden. Wollte man allein die Angebotsabgabe eines an sich nicht geeigneten Bewerbers als Beleg dafür werten, dass eine Eignungsleihe beabsichtigt sei, käme ein Ausschluss nach § 16 b VOB/A EU ohne die Verpflichtung der Vergabestelle zur Aufklärung praktisch nicht mehr in Betracht.
Der AG sei vor dem Hintergrund, dass die Eignungsleihe im Angebot nicht erkennbar war, auch nicht verpflichtet, das Angebot des A vor dem Ausschluss im Hinblick auf eine möglicherweise beabsichtigte Eignungsleihe weiter aufzuklären, § 15 Abs. 1 VOB/A EU und fehlende Unterlagen nachzufordern, § 16a VOB/A EU.

Anmerkung:
Wie die Entscheidung zeigt, sind bei einer beabsichtigten Eignungsleihe bestimmte Vorsichtsmaßnahmen zu beachten:
Einmal muss aus dem Angebot eindeutig hervorgehen, ob lediglich ein NU für bestimmte Leistungen eingesetzt werden soll oder ein Unternehmen, dessen Eignung sich der Bieter ausleiht. Während nach der Rechtsprechung bei einem (einfachen) NU-Einsatz lediglich die vorgesehenen NU im Angebot zu benennen sind, muss bei einer Eignungsleihe (d.h. der Bieter hat die geforderte Eignung selbst nicht und „leiht“ sie sich deshalb von einem Dritten) der leihende Dritte (z .B. ein Nachunternehmer) nicht nur benannt werden; in diesem Falle ist dafür vielmehr bereits im Angebot eine Verpflichtungserklärung des NU vorzulegen, mit der der Bieter nachweist, dass der NU, dessen Eignung er sich ausleiht, tatsächlich für ihn tätig wird. Der Auftraggeber muss aus dem Angebot unschwer entnehmen können, ob der Bieter über die Eignung selbst verfügt und lediglich NU einzusetzen gedenkt oder, ob er die Eignung selbst nicht nachweisen kann und dafür einen NU einsetzt, der die geforderte Eignung hat.

  Quelle: RA Michael Werner


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