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Zum Verfahrensausschluss wegen Mängeln bei früherem Auftrag

24.10.2023

Die Vergabekammer (VK) Bund hat mit Beschluss vom 17.08.2023 – VK 2-56/23 – folgendes entschieden:

1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Bieterunternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn es eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies u. a. zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat.
2. Eine wesentliche Anforderung wird u. a. bei Nichtleistung sowie bei erheblichen Mängeln der ausgeführten Bauleistung, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen, nicht erfüllt.


Portrait des Anwalt Werner

 

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte Wärmedämmarbeiten an mehreren Wohngebäuden in zwei separaten Verfahren ausgeschrieben und beide Aufträge an Bieter A vergeben. Diese Verträge wurden im März und Mai 2023 vom AG außerordentlich gekündigt, nämlich Vertrag 1 betr. Wärmedämmverbundsysteme wegen Leistungsverzug und Vertrag 2 betr. Innenputzarbeiten wegen mangelhafter/vertragswidriger Leistung des A. Beiden Kündigungen widersprach A, die Parteien streiten weiter unter Hinzuziehung von Gutachtern.

Die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB), die den Vergabeunterlagen dieser Aufträge zugrunde lagen, enthielten u.a. folgende Regelung: "Der Auftragnehmer hat zu den Baustellenbesprechungen, die der Auftraggeber regelmäßig durchführt, einen geeigneten Vertreter zu entsenden. Die Besprechungen finden jeweils wöchentlich und nach Bedarf statt." Infolge der Kündigungen schrieb der AG die Leistungen im offenen Verfahren erneut europaweit aus. Da nach Submission Bieter A erneut günstigster Bieter war, schloss ihn der AG nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A vom Verfahren aus und teilte mit, den Zuschlag dem Angebot des Bieters B zu erteilen. A beantragte nach erfolgloser Rüge des Angebotsausschlusses Nachprüfung.

Die VK Bund gibt dem AG Recht, da dieser den A zu Recht gemäß § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A von der Teilnahme am Verfahren ausgeschlossen habe, da A die beiden vorausgegangenen Aufträge betreffend die Wärmedämmung bzw. den Innenputz mangelhaft erfüllt habe. Hinsichtlich des Vertrages zur Anbringung des Wärmedämmverbundsystems sei die Schlechtleistung zum einen darin zu sehen, dass A die Dämmarbeiten nicht fristgerecht durchgeführt habe. Dabei müsse nicht entscheidend darauf abgestellt werden, ob die angemeldeten Bedenken des A gegen die Art der vom AG vorgesehenen Anbindung der Wärmedämmung berechtigt gewesen seien. Nach der mündlichen Verhandlung sei letztlich unstreitig, dass es technisch möglich gewesen wäre, unter Außenvorlassen der von A monierten Bereiche jedenfalls die übrigen auftragsgegenständlichen Flächen zu dämmen. Denn rund 65 % der ursprünglich beauftragten Dämmarbeiten seien nicht von der Behinderungsanzeige des A betroffen gewesen und hätten somit durchgeführt werden können. A habe diese Arbeiten jedoch nicht vorgenommen, sondern unter Berufung auf die streitigen Punkte letztlich fast keine Leistungen, in jedem Fall deutlich weniger als die beschriebenen möglichen Leistungen erbracht. Da A somit einen Gutteil der Gesamtarbeiten nicht ausgeführt habe, obwohl er insoweit keine Behinderungsanzeigen geltend gemacht habe, liege schon darin eine Pflichtverletzung.

Ein weiterer Mangel der Leistungen, diesmal bezogen sowohl auf den Auftrag zur Anbringung des Wärmedämmverbundsystems als auch des Innenputzes, sei darin zu sehen, dass A die überwiegende Anzahl der Jour fixe-Termine nicht wahrgenommen habe. Gemäß der vom AG erstellten, unstreitig gestellten Übersicht seien Vertreter des A nur bei 9 von insgesamt 31 Terminen anwesend gewesen. Eine Schlechtleistung i. S. d. § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A könne nicht nur bei Verletzung einer direkt den Vertragsgegenstand ausmachenden Pflicht vorliegen, auch ein Verstoß gegen den kaufmännischen Teil des Vertrages könne als Schlechtleistung in diesem Sinne eingestuft werden (vgl. EuGH v. 3. 10. 2019 – C 267/80 zum ungenehmigten Nachunternehmereinsatz). Vorliegend sei die Teilnahme an den wöchentlichen Jour fixe-Besprechungen in den BVB ausdrücklich vereinbart gewesen. Die Nichtteilnahme an diesen Veranstaltungen stelle damit einen Mangel der Leistung dar. Die Einschätzung des AG, die dargestellte Mangelhaftigkeit der Leistungen habe sich auf wesentliche Anforderungen bezogen und sei sowohl erheblich als auch fortdauernd gewesen, sei nicht zu beanstanden. Bei den unterbliebenen Wärmedämmarbeiten handele es sich um Hauptleistungspflichten aus dem vorangegangenen Auftrag, was für die Wesentlichkeit der Anforderung spreche. Diese wesentliche Anforderung sei auch erheblich und fortdauernd verletzt worden. Der AG lege insoweit nachvollziehbar dar, dass es nicht nur zu Verzögerungen dieser unmittelbaren Dämmarbeiten gekommen sei, sondern auch weitere Gewerke auf der Baustelle mit betroffen gewesen seien.

Bei der Teilnahme an den Jour fixe-Terminen handele es sich auch um eine wesentliche Anforderung beider Voraufträge. Ausschlaggebend für das Kriterium der Wesentlichkeit sei, welche Bedeutung der jeweiligen Anforderung für den öffentlichen Auftraggeber zukomme, mithin wie sich eine mangelhafte Erfüllung für ihn auswirke. Dies ergebe sich schon aus der expliziten vertraglichen Verpflichtung zur Teilnahme, die die Wichtigkeit der Jour fixes für den AG hervorhebe. Die Nichtteilnahme an vom AG verpflichtend vorgeschriebenen regelmäßigen Jour fixe-Besprechungen, trotz mehrfacher Aufforderungen zur Teilnahme durch den AG, stelle eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Der Erheblichkeit stehe dabei nicht entgegen, dass die Parteien über die Frage der fachgerechten Anbringung der Dämmstoffe außerhalb der wöchentlichen Baustellenbegehungen in Kontakt gestanden hätten.

Diese erheblichen Schlechtleistungen hätten auch in beiden Voraufträgen zu einer vorzeitigen Beendigung der Aufträge durch fristlose Kündigung seitens des AG geführt. A habe den Kündigungen jeweils widersprochen. Eine gerichtliche Prüfung, die zur rechtskräftigen Feststellung der Rechtmäßigkeit der Kündigungen geführt hätte, sei bislang nicht erfolgt, jedoch für die Nachprüfung des von der Ag verfügten vergaberechtlichen Ausschlusses nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A auch nicht erforderlich. Ausreichend sei dass der Auftraggeber von der Schlechterfüllung Gewissheit habe, also eine Überzeugung gewonnen habe, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebiete, wovon hier auszugehen sei. Der AG habe bei der Entscheidung über den Ausschluss des A sein Ermessen auch sachgerecht und pflichtgemäß ausgeübt.

Anmerkung:

Die Entscheidung ist vor allem deshalb besonders interessant, weil sie einen Aspekt besonders beleuchtet: Ein Bieter kann wegen Schlechtleistung bei früheren öffentlichen Aufträgen gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB bzw. § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A von einem aktuellen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Dabei ist der Begriff der „früheren Schlechtleistung“ jedoch nicht auf qualitative Baumängel begrenzt, sondern sehr weit im Sinne einer „nicht vertragsgerechten Leistung“ zu verstehen. Dafür genügt bereits, dass der Auftragnehmer – wie hier - bei sog. Jour-fixe-Terminen mit dem AG mehrfach gefehlt hat, obwohl er an deren Teilnahme vertraglich verpflichtet war.

  Quelle: Anwalt Werner


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